Deutschlands Finanzchefs fürchten gerade vor allem Cyberattacken. Ihren Fokus richten sie aber derzeit darauf, konkrete Herausforderungen im Unternehmensalltag zu bewältigen, die durch das unberechenbare Marktumfeld entstehen. Künstliche Intelligenz (KI) oder andere komplexe Technologien nutzen im Herbst 2023 nur wenige für die Zwecke des Unternehmens. Das zeigen die Ergebnisse des aktuellen FINANCE CFO Panels. Für das FINANCE CFO Panel im Herbst 2023 hat die FINANCE-Redaktion in Kooperation mit der Unternehmensberatung Horváth & Partner im September 2023 rund 30 Finanzchefs in Deutschland anonym zu ihrer aktuellen Markteinschätzung befragt.
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Nach zahlreichen prominenten Fällen wächst die Angst der befragten Finanzchefs vor Cybercrime-Attacken weiter. Auf einer Skala von 1 (keine Bedrohung) bis 10 (sehr starke Bedrohung) vergeben die Befragten für diesen Aspekt den Wert 7,23 (Frühjahr 2023: 7,05). Damit sehen sie Cyberattacken erstmals als größtes Risiko für ihr Unternehmen – noch vor dem Fachkräftemangel, der mit einem Mittelwert von 6,8 auf Rang 2 fällt (Frühjahr 2023: 7,55). „Die Sorge vor Cyberangriffen ist begründet“, sagt Achim Wenning, Partner bei Horváth. „Und sie wird uns und die CFOs auch in Zukunft begleiten.“
Aber auch die hohe Inflation sehen die Befragten mit einem Wert von 6,5 weiterhin als großes Risiko. Allerdings sinkt dieser Wert seit dem Herbst 2022 (7,0). Das ist nachvollziehbar, haben die Zinserhöhungen der Zentralbanken die Teuerungsrate zuletzt gedämpft. Mit den Zinserhöhungen einher geht aber auch eine andere wachsende Sorge: die steigenden Finanzierungskosten (Herbst 2023: 6,0; Frühjahr 2023: 5,21).
Kontrolle steht an erster Stelle
Wie sehr die steigenden Finanzierungskosten die CFOs beschäftigen, zeigt sich in den Top-Prioritäten. Das Controlling sehen seit Herbst 2022 mit leichten Schwankungen um die 60 Prozent der Befragten als eine von drei Top-Prioritäten. „Die CFOs konzentrieren sich darauf, ihre Hausaufgaben zu machen und den Laden am Laufen zu halten“, erklärt Horváth-Partner Kai Grönke. „Sie richten ihren Fokus auf alle Themen, die mit der Stabilität und dem Liquiditätsmanagement im Alltag zu tun haben.“ Dazu zählt auch das Kostenmanagement. Dieses sehen 42 Prozent der Finanzchefs als eine von drei Prioritäten. Die Finanzierungsstruktur und das Risikomanagement teilen sich den dritten Platz (jeweils 32 Prozent). Bemerkenswert ist, dass das Risikomanagement von mehr als doppelt so vielen Befragten als im Frühjahr 2023 (15 Prozent) als Priorität genannt wird.

Auch der Fachkräftemangel ist nicht vergessen, denn 43 Prozent der Befragten wollen Maßnahmen zur Mitarbeiterentwicklung und zum Aufbau von Kompetenzen umsetzen. Dass dem Fachkräftemangel mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz beizukommen ist, glauben jedoch deutlich weniger als im Frühjahr 2023. Damals stimmten insgesamt 62 Prozent der Aussage zu, dass KI und Robotics in der Finanzabteilung den Fachkräftemangel in den nächsten fünf Jahren abfedern werden. Im Herbst 2023 sind es nur noch 47 Prozent. Auch Investitionen in generative KI-Lösungen haben nur 7 Prozent der Befragten auf der Agenda.
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Die Teilnehmer
Die rund 30 teilnehmenden CFOs decken eine breite Spanne vom Mittelstand bis zum Großkonzern ab. 43 Prozent arbeiten in Unternehmen mit mehr als 500 Millionen Euro Umsatz, jeweils 21 Prozent sind bei größeren Mittelständlern mit 250 Millionen bis 500 Millionen Euro Umsatz tätig und bei Unternehmen, deren Umsatz zwischen 50 Millionen und 100 Millionen Euro liegt.
Moderne Technologien sind Neuland
Insgesamt setzen die CFOs digitale Technologien in einem sehr geringen Maße ein. „Es ist schon erschreckend, dass so viele noch gar keine Erfahrungen mit vielen Technologien haben“, findet Horváth-Partner Wenning. Er stellt fest, dass einfachere Technologien wie intelligente Dashboards deutlich weiter verbreitet sind als komplexere wie generative KI, die ein tiefergehendes Verständnis erfordern.
Für intelligente Dashboards besitzt ein Viertel der Befragten ein ganzheitliches Konzept, das teilweise umgesetzt ist, aber nur weitere 4 Prozent nutzen sie regelmäßig nach einem solchen Konzept. 43 Prozent verwenden Dashboards vereinzelt. Big Data ist ebenfalls etwas bekannter: Mehr als jeder Zweite nutzt die Technologie vereinzelt ohne Konzept, insgesamt 11 Prozent besitzen hierfür ein Konzept.
„Wenn der Kopf, die Ressourcen und die Erkenntnisse wieder frei dafür sind, dann wird die Transformation in Richtung einer ‚Data-driven Company‘ definitiv viel Fahrt aufnehmen.“
Achim Wenning, Partner bei Horváth
Fast drei Viertel der CFOs messen der Transformation hin zu einem datengesteuerten Unternehmen hohe oder höchste Priorität bei. „Der Wettbewerbsvorteil eines datengetriebenen Unternehmens ist schon erkannt, und die CFOs sagen: ‚Ja, da müssen wir mal hin – das machen wir aber später‘“, sagt Wenning. „Wenn der Kopf, die Ressourcen und die Erkenntnisse wieder frei dafür sind, dann wird die Transformation in Richtung einer ‚Data-driven Company‘ definitiv viel Fahrt aufnehmen.“

Doch die Befragten haben noch nicht alle Vorteile erkannt. Die überwiegende Mehrheit erhofft sich Vorteile bei der Entscheidungsfindung in Form einer höheren Qualität (73 Prozent) und einer höheren Geschwindigkeit (70 Prozent) sowie ein effizienteres Risikomanagement (60 Prozent).
„Spannend wird es aber, wenn man die Vorteile in der gesamten Wertschöpfungskette erkennt, also auf Basis von Daten den Kunden besser zu durchdringen, Produkte zu verbessern oder sogar neue Geschäftsmodelle entstehen zu lassen“, sagt Wenning. Eine höhere Produktqualität oder individualisierte Kunden- oder Nutzererlebnisse nennen nur 17 Prozent als mögliche Vorteile. Den Grund dafür sieht Wenning darin, dass „die Erfahrungen im Einbezug und Umgang mit externen, unstrukturierten Daten und innovativen Tools fehlen“.
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Das Panel
Für das CFO Panel befragt FINANCE regelmäßig Finanzentscheider im deutschsprachigen Raum in einer anonymen Online-Befragung zu ihrer aktuellen Markteinschätzung und ihren Arbeitsschwerpunkten. Die Umfrage findet seit Herbst 2011 zwei Mal jährlich statt.
Erika von Bassewitz ist Redakteurin bei FINANCE. Sie hat Philosophie und Französisch an der Humboldt-Universität in Berlin sowie an der Université de Genève studiert und mit einem Magister Artium abgeschlossen. Vor FINANCE war sie mehr als acht Jahre Redakteurin in der Multimediaredaktion des Medienhauses der EKHN. Davor war sie unter anderem Redakteurin beim HR-Magazin von monster, freie Autorin bei Deutsche Welle TV und freie Mitarbeiterin bei der Westdeutschen Zeitung.
