EQT ist neuer Mehrheitseigner des Münchener Bausoftwareanbieters Thinkproject. Der Private-Equity-Investor erwarb die Anteile vom bisherigen Investor TA Associates sowie von Thinkproject-Gründer Thomas Bachmaier. Beide Parteien und das Management-Team bleiben aber auch nach dem Exit noch substanziell an Thinkproject beteiligt. Speziell TA Associates will das Unternehmen gemeinsam mit EQT noch weiter entwickeln.
Zum Kaufpreis wurden keine Angaben gemacht. Wie das „Handelsblatt“ unter Berufung auf Insiderinformationen berichtet, soll der M&A-Deal mehr als 700 Millionen Euro schwer sein. Auf Seiten von Thinkproject fungierte die britische Investmentboutique Arma Partners als exklusiver Finanzberater. Rechtlich wurde Thinkproject von Hengeler Mueller und Travers Smith beraten, EQT von der Kanzlei Milbank. Die Transaktion soll bis Ende des Jahres abgeschlossen sein.
EQT sieht enormes Wachstumspotenzial
Thinkproject setzt auf Software aus der Cloud („Software as a service“: SaaS), mit deren Hilfe Planer und Bauunternehmen den kompletten Lebenszyklus eines Bauprojekts digital abbilden können. So sollen Zeit- und Kostenüberschreitungen vermieden werden.
Der US-Private-Equity-Investor TA Associates war 2017 in das Unternehmen eingestiegen. Bereits Mitte Oktober hatte die Nachrichtenagentur „Reuters“ über mögliche Verkaufsabsichten berichtet. Das im Jahr 2000 gegründete Unternehmen beschäftigt rund 450 Mitarbeiter. Unter den über 2.750 Kunden finden sich unter anderem die Deutsche Bahn und der österreichische Bauriese Strabag. Zu den Referenzprojekten, die mit Hilfe von Thinkprojekt-Software umgesetzt wurden, gehören die Elbphilharmonie in Hamburg, die BMW-Welt in München und der Flughafen in Hongkong.
EQT hat große Pläne mit Thinkproject
Die Logik hinter dem Deal ist aus Sicht von EQT das riesige noch unerschlossene Potential der Bauwirtschaft in Sachen Digitalisierung. Mit 13 Prozent des gesamten Welt-BIPs ist der Bau der größte Industriezweig der Welt, doch das Produktivitätswachstum ist minimal.
Der Grund dafür sind veraltete Prozesse, auch in Deutschland. Vor einem Jahr hatte das Mannheimer Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW verheerende Zahlen zum Stand der Digitalisierung in der Bauindustrie präsentiert. Einer ZEW-Umfrage zufolge zeigte jedes zweite damals befragte Unternehmen null Interesse an Digitalisierungsprojekten. Die Wirtschaftsforscher führten dies auf den großen Anteil von Kleinbetrieben und den jahrelangen konjunkturellen Rückenwind zurück, der den Veränderungsbedarf in der Branche klein halte.
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Die langfristige Vision der Baudigitalisierer ist es, dass Planer in Echtzeit und gemeinsam an einem digitalen Modell arbeiten, während die Arbeiter auf der Baustelle mit Hilfe von Videobrillen Änderungen am Bauplan direkt umsetzen können. EQT will Thinkproject als globalen Anbieter in diesem Wachstumsmarkt positionieren und die Produkte des deutschen Tech-Unternehmens durch immer mehr Daten immer stärker verfeinern. Die Digitalisierung der Bauwirtschaft bezeichnen die Schweden als „eines der aufregendsten Projekte in der globalen Wirtschaft“. Die gemischte Wachstumsstrategie aus organischem Wachstum und Add-on-Akquisitionen, die TA Associates aufgelegt hat, will EQT offenbar weiterführen.
EQT will Apleona verkaufen
In der deutschen Immobilienbranche, wenn auch an einem ganz anderen Punkt der Wertschöpfungskette, ist EQT bereits vertreten, und zwar über das Investment in die frühere Gebäudemanagementsparte von Bilfinger, die seit der Übernahme durch EQT Apleona heißt. Diese wollen die Schweden nun aber offenbar bald verkaufen.
Neben Apleona hat EQT elf weitere deutsche Unternehmen im Portfolio, darunter auch den potenziellen Börsenkandidaten Ottobock. Hier wird bereits auf einen IPO im nächsten Jahr geschielt. Jüngste Zukäufe in Deutschland waren der Kabelnetzbetreiber Deutsche Glasfaser, den das PE-Haus im Februar diesen Jahres erwarb, sowie der Desinfektionsmittelhersteller Schülke Ende April.
Auch Schüttflix hat neuen Investor
Heute wurde auch noch eine zweite, wenn auch deutlich kleinere Transaktion aus der Baubranche bekannt. Wie die FAZ berichtet, ist der Baukonzern Strabag mit einem einstelligen Prozentsatz bei dem Gütersloher Start-up Schüttflix eingestiegen, das eine digitale Plattform für den Einkauf und die Abrechnung von Schüttgut entwickelt hat. Strabag will die Schüttflix-Lösung in den nächsten Monaten an all seinen rund 5.000 Baustellen einführen. Schüttflix gehört ebenfalls zu den Tech-Unternehmen, die die Bauindustrie digitalisieren wollen. Das Unternehmen ist erst zwei Jahre alt, wächst aber stark und plant, in diesem Jahr bereits 12 Millionen Euro Umsatz zu erlösen.
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