Kurz vor der Ziellinie hat HgCapital den geplanten Börsengang des Internet-Autohändlers MeinAuto abgesagt. Das teilte das Unternehmen am gestrigen Dienstag Nachmittag wenige Minuten vor dem Ende der Zeichnungsfrist mit – und das, obwohl die Bücher nach Angaben von MeinAuto bereits am ersten Tag des Bookbuildings gefüllt gewesen seien: Die geplante Emission sei einschließlich der Mehrzuteilungsoption „in voller Höhe überzeichnet“, teilte das Unternehmen mit. Ursprünglich sollten die MeinAuto-Aktien am heutigen Mittwoch ihren ersten Handelstag im Prime Standard der Frankfurter Wertpapierböse haben.
Als Grund führen der Private-Equity-Investor HgCapital und die Oberhachinger die „derzeit ungünstigen Marktbedingungen für wachstumsstarke Unternehmen“ an. Man lege „großen Wert auf eine positive Entwicklung der Aftermarket-Performance nach der Platzierung der Aktien“. Dies könne unter den aktuellen Marktbedingungen nicht gewährleistet werden. In den vergangenen Tagen hatten die Börsen Kursrückgänge und hohe Volatilität verzeichnet.
MeinAuto: Platzierung am unteren Ende der Preisspanne
Tatsächlich hatte sich schon angedeutet, dass das IPO-Projekt in schweres Fahrwasser geraten war. So zitierte das „Handelsblatt“ eine der begleitenden Banken damit, dass die bis zu 25,8 Millionen Aktien am unteren Ende der Preisspanne von 16 bis 20 Euro zugeteilt werden würden. Die Investmentbanken Bank of America, Barclays, Citi, Jeffries und UniCredit begleiten die Transaktion.
Hätte HgCapital die Aktien für 16 bis 17 Euro platziert, wäre der Börsengang zwischen 412 und 439 Millionen Euro schwer gewesen, anstatt rund 515 Millionen Euro bei 20 Euro je Papier – und das auch nur, wenn alle Aktien platziert worden wären. Somit hätte MeinAuto zu Beginn einen Börsenwert von rund 1,2 Milliarden Euro erreicht. Zum Startschuss des IPOs Anfang Mai hatte der Finanzinvestor einen Börsenwert von bis zu 1,5 Milliarden Euro in Aussicht gestellt.
Rivale Auto1 mit großem Kursverlust
Und es gab noch weitere düstere Vorzeichen, die HgCapital und MeinAuto womöglich zum Abbruch des Börsengangs bewogen haben: Die Aktien des größeren Wettbewerbers Auto1 haben in den vergangenen Handelstagen deutlich um rund 10 Prozent nachgegeben – die IPO-Euphorie rund um die furios gestartete Aktie ist abgeebbt. Offenbar befürchtete HgCapital ein ähnliches Szenario beim Börsengang des eigenen Portfoliounternehmens.
Schlechtes Omen für den MeinAuto-IPO? Aktienkurs des Rivalen Auto1
Auch der Branchennachbar Cinven musste beim Börsengang der Laborkette Synlab Ende April Abstriche in Kauf nehmen: Der Finanzinvestor musste das Emissionsvolumen auf maximal 772 Millionen Euro kürzen. Gerechnet hatte Cinven mit einem Milliarden-IPO.
MeinAuto wollte mit IPO-Erlös Schulden begleichen
Die Mittelverwendung der IPO-Erlöse hatte MeinAuto schon fest eingeplant. Mindestens 150 Millionen Euro an frischem Kapital sollten MeinAuto für die weitere Expansion des Geschäfts zufließen. Geplant waren unter anderem Investitionen in Online-Marketing und Branding sowie in die Erweiterung des Fahrzeugpools. Zudem wollte MeinAuto einen Teil der Einnahmen für die Rückzahlung von Verbindlichkeiten nutzen.
Die übrigen Erlöse sollten an HgCapital gehen. Nach dem Börsengang wäre der Finanzinvestor noch mit rund 65 Prozent an der Online-Plattform beteiligt geblieben und hätte die restlichen Anteile nach und nach über den freien Markt veräußern können. Komplett vom Tisch ist der Börsengang aber nicht: Sobald sich die Marktbedingungen stabilisieren, will Hg den IPO wieder ins Visier nehmen.
Info
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Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.