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ThyssenKrupp: Mega-Deal für die RAG-Stiftung

Die RAG-Stiftung macht ihren wohl zweitgrößten Deal der Geschichte. Nach Evonik kommt jetzt das Elevator-Geschäft von ThyssenKrupp.
ThyssenKrupp

ThyssenKrupp hat einen Käufer für das Aufzugsgeschäft gefunden: Ein Konsortium um die Finanzinvestoren Advent und Cinven sowie die RAG-Stiftung hat den Zuschlag für die begehrte Sparte des Industriekonzerns erhalten. Zusammen legen die Parteien 17,2 Milliarden Euro auf den Tisch, wie die Unternehmen gestern Abend bekannt gaben.

Auf Basis einer typischen Leveraged-Buyout-Struktur von 40 Prozent Eigenkapital und 60 Prozent Fremdkapital läge das gesamte Eigenkapitalinvestment bei rund 6,9 Milliarden Euro. ThyssenKrupp selbst sichert sich eine Rückbeteiligung und investiert 1,25 Milliarden Euro, was in der skizzierten fiktiven Aktionärsstruktur etwa 18 Prozent entsprechen würde.

Wie tief genau die RAG-Stiftung in ihre Taschen greift, wollte sie nicht bekanntgeben. In der Mitteilung heißt es lediglich, es handele sich um eine „relevante Minderheitsbeteiligung“. Angenommen, diese läge bei 20 Prozent, wäre das Investment der RAG rund 1,4 Milliarden Euro hoch. Damit wäre es das zweitgrößte im Portfolio der Stiftung.

RAG-Stiftung will sich breiter aufstellen

Das mit Abstand größte Investment ist der Chemiekonzern Evonik, an dem die Stiftung 59 Prozent hält. Dieses Paket hat gegenwärtig einen Marktwert von rund 6,4 Milliarden Euro. Der Großteil der übrigen Beteiligungen im Portfolio ist deutlich kleiner. So hält die Stiftung noch über ihre Beteiligungsgesellschaft zwei Minderheitsbeteiligungen von rund 10 Prozent an Stadler Rail (Wert des Pakets: 415 Millionen Euro) und R. Stahl (Wert: 20 Millionen Euro). Die weiteren Mehrheits- und Minderheitsbeteiligungen sind nicht an der Börse gelistet. Einen großen Anteil von 40 Prozent hält die Stiftung auch noch an dem ebenfalls nicht börsennotierten Immobilienkonzern Vivawest.

Für die 2007 gegründete Stiftung mit einem Gesamtvermögen von rund 17 Milliarden Euro ist ein breit diversifiziertes Beteiligungsportfolio wichtig, denn sie trägt die Folgekosten des auslaufenden Steinkohle-Bergbaus des Ruhrgebiets. Dabei versucht sie, die Abhängigkeit von Evonik nach und nach zu reduzieren, um das Anlagerisiko zu streuen. Zuletzt beteiligte sich die Stiftung etwa an der Ratingagentur Scope.

RAG macht Private Equity Konkurrenz

Auf der Suche nach höheren Renditen öffnet sie sich auch gegenüber Private-Equity-Strukturen. Den Schulterschluss mit Advent und Cinven begründete Stiftungschef Bernd Tönjes in einem Interview mit der F.A.Z vor wenigen Tagen damit, dass „unsere Investitionsphilosophie mit Advent und Cinven übereinstimmt“. Das Konzept für den Kauf der ThyssenKrupp-Sparte feile man bereits seit Monaten aus.

Die Aufzugsparte, die gute Renditen abwirft und der Analysten sehr gute Wachstumsperspektiven bescheinigen, ist somit ein passendes Investment für die Stiftung, die vor allem auf zuverlässige Einnahmen angewiesen ist. Das Investment selbst sei für die Stiftung kein Problem gewesen, wie Tönjes in dem Interview betonte. Durch die Evonik-Dividende und die Vivawest-Ausschüttung sei man „flüssig“. Zudem hatte sich die Stiftung erst vor wenigen Wochen von einem Evonik-Paket im Wert von 630 Millionen Euro getrennt.

ThyssenKrupp braucht das Geld dringend

Auch für den Verkäufer ThyssenKrupp hat der Deal enormen Wert: Die Essener brauchen dringend Geld. Der jetzige Kaufpreis ist sogar höher als im Vorfeld erwartet. Damals kursierten noch Summen von rund 15 Milliarden Euro.

Mit dem Preis von 17,2 Milliarden Euro bewerten die Käufer das Aufzuggeschäft auf Basis des bereinigten Gewinns vor Zinsen und Steuern (Ebit) der Elevator-Sparte von 907 Millionen Euro aus dem Geschäftsjahr 2018/19 mit einem Multiple von knapp 19x. Auf Basis des Umsatzes von 7,9 Milliarden Euro liegt das Multiple bei 2,2x.

Den Kaufpreis nach oben getrieben haben dürfte auch der harte der Bieterwettkampf der vergangenen Monate. Mit im Ring standen der Konkurrent Kone sowie das Private-Equity-Konsortium um Carlyle, Blackstone und das Canada Pension Plan Investment Board. Kone soll Medienberichten zufolge zuletzt eine Offerte von 17 Milliarden Euro vorgelegt haben. Durch den Verkauf an Private Equity kann der Industriekonzern, der das Geld dringend benötigt, langjährige Kartellprüfungen umgehen.

ThyssenKrupp will wieder ins Investment-Grade

Der Krisenkonzern – den die Börse mit gerade einmal 6 Milliarden Euro bewertet – will mit dem Erlös unter anderem die Pensionsverpflichtungen von 9 Milliarden Euro teilweise ausfinanzieren und den Schuldenberg von 7,1 Milliarden Euro reduzieren, heißt es in der Mitteilung des Unternehmens. Dadurch sollen die jährlichen Zins- und Pensionskosten sinken. So ließen sich „die künftig wegfallenden positiven Cash-Beiträge des Aufzugsgeschäfts zu einem Gutteil kompensieren“, begründet der Konzern den nicht unumstrittenen Verkauf der Ertragsperle.

Ein Teil der Zuflüsse wird aber wohl auch in Abfindungsprogramme im Industriegeschäft fließen, wo der frühere Dax-Konzern nach Ansicht seiner Kritiker bis zu 7.000 Mitarbeiter zu viel an Bord hat. In Summe soll der Free Cashflow vor M&A innerhalb der nächsten zwei Jahre wieder einen positiven Wert erreichen.

Über die konkrete Mittelverwendung will ThyssenKrupp erst im Mai entscheiden. Dann dürfte auch deutlich werden, welche Geschäftsbereiche weiterentwickelt, in eine Partnerschaft gebracht oder aber verkauft werden, heißt es weiter.

Das Closing des Elevator-Deals soll bis Ende des dritten Quartals erfolgen. „Mit Vollzug der Transaktion wird die Eigenkapitalbasis von ThyssenKrupp deutlich gestärkt werden. Das Unternehmen strebt eine Bonitätsbewertung im Investment-Grade-Bereich an“, schreibt der Konzern. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Erst vor zwei Wochen hatte die Ratingagentur Moody’s die Bonitätseinstufung für ThyssenKrupp auf B1 gesenkt. Dies liegt tief im Non-Investmentgrade.

sarah.backhaus[at]finance-magazin.de

Info

Mehr über die Krise der einstigen Essener Industrieikone lesen Sie unserer Themenseite zu ThyssenKrupp.