Die beiden im TecDax notierten Branchennachbarn United Internet und Drillisch schmieden mit einem milliardenschweren M&A-Deal eine Allianz gegen die deutschen Platzhirsche am Telekommunikationsmarkt. Wie beide Unternehmen am heutigen Freitag mitteilten, soll der kleinere Mobilfunkanbieter Drillisch in dem deutlich größeren United-Internet-Konzern aufgehen, trotzdem aber börsennotiert bleiben.
Zusammen entsteht so nach der Deutschen Telekom, Vodafone und Telefónica Deutschland der viertgrößte Anbieter im deutschen Telekommarkt – sofern das Bundeskartellamt keinen Strich durch die Rechnung macht, womit allerdings nicht zu rechnen ist. Gemeinsam kämen Drillisch und United Internet im Privatkundengeschäft mit DSL-Anschlüssen, Handyverträgen und mobilem Internet auf mehr als 12 Millionen Kundenverträge und 3,2 Milliarden Euro Umsatz.
United Internet sichert sich Bankkredit über 2,5 Milliarden Euro
Die Struktur der Transaktion ist komplex: In einem ersten Schritt sollen 7,75 Prozent des Privatkundengeschäfts von United Internet („1&1 Telekommunikation“) über eine Kapitalerhöhung in Drillisch eingebracht werden. Da United Internet bereits rund 20 Prozent an Drillisch hält, kontrolliert United dann knapp über 30 Prozent der Drillisch-Aktien. Das 1&1-Geschäft mit Geschäftskunden und Großhändlern – im Kern die vor einigen Jahren von United Internet übernommene Versatel – bleibt bei dem Merger außen vor.
Über eine zweite Kapitalerhöhung sollen anschließend die restlichen 92,25 Prozent des 1&1-Privatkundengeschäfts in Drillisch aufgehen. Dafür ist die Zustimmung der Drillisch-Aktionäre auf einer dafür einberufenen außerordentlichen Hauptversammlung am 25. Juli nötig, denn der Anteil von United Internet würde dadurch auf 72,7 Prozent steigen.
1&1 Telekommunikation wird bei dem Deal mit 5,85 Milliarden Euro bewertet. United Internet macht den Drillisch-Aktionären ein Übernahmeangebot in Höhe von 50 Euro je Aktie, dessen Volumen sich auf 2,2 Milliarden Euro beläuft – eine Prämie von rund 8 Prozent auf den Dreimonats-Durchschnittskurs. Aktuell befinden sich 66 Prozent der Drillisch-Aktien im Streubesitz (Freefloat). Eine Squeeze-out strebt der Tec-Dax-Riese aus Montabaur nicht an, Drillisch soll langfristig als dividendenstarke börsennotierte Gesellschaft erhalten bleiben.
Finanziert wird die Übernahme durch Banken, die insgesamt 2,5 Milliarden Euro bereitstellen, sollten alle Drillisch-Aktionäre ihre Anteile United Internet andienen. Eine Mindestannahmeschwelle gibt es nicht.
Drillisch und United Internet profitieren von Telefónica
Bewahrheiten sich die Hoffnungen der beiden Fusionspartner, verspricht der Zusammenschluss erhebliche Synergien, die ab 2018 eintreten sollen. Ab 2020 sollen sie jährlich bereits 150 Millionen Euro erreichen, ab 2025 sogar 250 Millionen Euro pro Jahr– und das bei verhältnismäßig geringen Hebungskosten: United Internet schätzt die Integrationsaufwendungen auf gerade einmal 50 Millionen Euro.
Die Synergien entstehen aus dem gemeinsamen Hardware- und Vorleistungseinkauf, dem Ausbau des 1&1-Produktportfolios und vor allem aus der „effizienten Nutzung der Drillisch zur Verfügung stehenden Netzkapazitäten“. Dies dürfte der eigentliche Clou bei der Transaktion sein: Drillisch darf bis 2020 30 Prozent der Netzkapazitäten von Telefónica Deutschland zu sehr günstigen Konditionen nutzen und hat sogar eine Option, diesen Vertrag bis mindestens 2030 zu verlängern.
Dieses Zugeständnis musste Telefónica machen, um die kartellrechtliche Freigabe für die Übernahme von E-Plus zu erhalten. Die Möglichkeit, weiter das Telefónica-Netz zu nutzen, ist wohl der Grund, warum 1&1 in Drillisch eingebracht wird, denn bislang schöpft Drillisch alleine nur einen kleinen Teil der theoretisch verfügbaren Netzkapazität aus. Die Analysten von Berenberg hatten bereits 2015 auf die Vorzüge dieses Vertrags für den Drillisch-Aktionär United Internet hingewiesen.
Drillisch-CFO Driesen wird CFO der kombinierten Firma
Das strategische Kalkül hinter dieser Transaktion erkennen auch die Aktionäre. Beide Papiere ziehen am heutigen Vormittag um 8 Prozent an und setzen sich klar an die Spitze des TecDax. Drittgrößter Tagesgewinner im Technologieindex ist Telefónica Deutschland, deren Aktienkurs um 5 Prozent zulegt. Offenbar spielen die Investoren die Aussicht auf ein Nachlassen des starken Wettbewerbsdrucks sowie eine bessere Auslastung des Telefónica-Netzes. Langfristig könnte der Deal für die Münchener allerdings zu einem Problem werden, da dann für die stark wachsenden eigenen Breitband-Internet-Angebote weniger Netzkapazität zur Verfügung steht. Dies könnte Finanzchefin Rachel Empey zu höheren Investitionen in den Netzausbau zwingen.
Auch personell hat der geplante Mega-Deal Konsequenzen: Drillisch-CEO Vlasios Choulidis soll in den Aufsichtsrat von Drillisch wechseln, Drillisch-CFO André Driesen übernimmt den CFO-Posten in dem kombinierten Unternehmen (Drillisch und 1&1). Geführt werden soll das vergrößerte Unternehmen von dem bisherigen 1&1-Chef Martin Witt und United-Internet-CEO Ralph Dommermuth. Dieser bleibt aber auch CEO der übergeordneten United-Internet Holding. Deren CFO ist seit Mitte 2015 Frank Krause.