Herr Lukas, das Umfeld für Akquisitionsfinanzierungen hat sich in den vergangenen Wochen und Monaten immer weiter eingetrübt. Welche Unternehmen haben es aktuell besonders schwer, an Kapital für M&A-Deals zu kommen?
Eines vorweg: Es stimmt, das Umfeld für Akquisitionsfinanzierungen hat sich im Vergleich zu 2021 verschlechtert. Das heißt aber nicht, dass keine Transaktionen mehr stattfinden. Wir beobachten eine rege Aktivität am Finanzierungsmarkt. In der Tat aber haben Unternehmen aus dem Non-Investmentgrade-Bereich zunehmend Schwierigkeiten, neue Finanzierungen zu erhalten oder alte Kredite zu refinanzieren.
Das heißt, die rege Aktivität, von der Sie sprachen, bezieht sich vor allem auf die Aktivität im Investmentgrade-Bereich?
Der Investmentgrade-Finanzierungsmarkt ist weit geöffnet, und wir sehen keinerlei Anzeichen dafür, dass sich dies in den kommenden Monaten ändert. Unternehmen mit einem guten Rating und stabilen Cashflows, wie man sie etwa im Infrastrukturbereich findet, werden derzeit ohne Einschränkungen finanziert. Allerdings müssen sich Unternehmen – auch große Konzerne mit guter Bonität – auf steigende Finanzierungskosten einstellen.
Aber auch im Large-Cap-Segment gibt es Herausforderungen: Man hört aktuell immer wieder, dass Banken keine Finanzierungen bereitstellen, aus Angst, diese Underwritings nicht weiterreichen zu können.
Die Deal-Geschwindigkeit bei sehr großen Transaktionen in Europa hat genau wegen dieses Phänomens abgenommen – allerdings bezieht sich dies hauptsächlich auf große Leveraged-Buy-out-Transaktionen, also Deals mit Private-Equity-Beteiligung und einem hohen Verschuldungsgrad. Nicht wenige Banken scheuen das Risiko, das mit diesen Transaktionen verbunden ist. Wir erwarten aber, dass sich die Lage in diesem Jahr wieder entspannt.
Info
Andreas Lukas ist Head of Energy, Utilities & Infrastructure Advisory bei der Unicredit. In dieser Funktion berät er Unternehmenskunden aus den entsprechenden Sektoren bei M&A-Transaktionen und Akquisitionsfinanzierungen.
Mehr Eigenkapital bei M&A-Finanzierungen gefordert
Was bedeuten schwierigere und teurere Akquisitionsfinanzierungen für den Dealflow?
Ich habe noch keine Transaktion gesehen, die wegen einer fehlenden Finanzierung gescheitert ist. Der Dealflow ist nach wie vor hoch. Der Rückgang im Vergleich zu 2021 resultiert ja vor allem daraus, dass 2021 ein Ausnahmejahr war. Ich vermute, dass sich Unternehmen in der aktuellen Phase durchaus mehr Gedanken über die Sinnhaftigkeit einer Transaktion und die Angemessenheit des Kaufpreises machen. Hier kommt interessierten Käufern gelegen, dass die Inflation und die steigenden Zinsen voraussichtlich zum Teil für niedrigere Bewertungen sorgen werden.
Haben Sie noch einen Tipp für CFOs, die jetzt eine Akquisitionsfinanzierung benötigen?
Wenn Sie können, setzen Sie zunächst mehr Eigenkapital ein und lösen sie diese Finanzierung erst im Nachhinein mit einem Kredit ab. Wer außerdem die Möglichkeit hat, eine riskantere Finanzierung zu verschieben, sollte das machen. Strategen sind zudem aktuell im Vorteil: Da sie Deals oftmals bereitwilliger mit mehr Eigenkapital finanzieren als Private-Equity-Investoren, haben sie die besseren Karten, wenn es um Akquisitionsfinanzierungen geht.
Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.