Mercedes-CFO Wilhelms Abschied vom Autohaus

Mercedes-Benz und AMG – stolz und in großen Lettern prangen die so bekannten Schriftzüge der beiden Marken an der gläsernen Fassade der Niederlassung an der Mercedes-Jellinek-Straße in Stuttgart-Untertürkheim. Hier in unmittelbarer Nähe zum Mercedes-Benz-Museum und jenen Werkstoren, hinter denen mit der Zentrale der Mercedes-Benz Group nicht nur das Gehirn, sondern auch Herz und Seele der Automarke mit dem Stern liegen, blickt man seit einigen Wochen wohl eher verhalten in die Zukunft. Denn diese Zukunft könnte möglicherweise schon bald außerhalb des Konzerns liegen – zumindest, wenn es nach den Plänen von Mercedes-CEO Ola Källenius und seinem Finanzchef Harald Wilhelm geht. So wollen beide den Fokus bei Mercedes künftig noch stärker auf den Autobau konzentrieren und planen den Verkauf der rund 20 konzerneigenen Niederlassungen in Deutschland mit rund 80 angeschlossenen Betrieben und insgesamt rund 8.000 Beschäftigten. Damit legen die in Konzernkreisen als streng zahlenfokussiert und wenig sentimental bekannten Manager nach dem harten Sparkurs der vergangenen Jahre direkt Hand an die nächste „heilige Kuh“ bei Mercedes. Wenig überraschend stoßen die Pläne daher auf Mitarbeiterseite kaum auf Zuspruch. Neben dem Betriebsrat, wo sich bereits Widerstand regt, erntet die Mercedes-Führung auch Kritik von außerhalb. Verkauf schürt Furcht vor Mehrmarkenstrategie Die Befürchtungen sind vielfältig und reichen von Stellenstreichungen über den Verlust der Kontrolle des Vertriebs der eigenen Fahrzeuge bis hin zu einem Verkauf der Standorte an einen Investor, dessen Geschäftsmodell auf einer Mehrmarkenstrategie beruht. Als mögliche Käufer bei dem Deal kommen für den Autobauer nämlich auch renommierte Händlergruppen in Frage. Doch allein die Vorstellung, zu den Mercedes- und AMG-Schriftzügen an der Außenfassade der Niederlassungen könnten sich je nach Käufer bald die Logos von Konkurrenten wie dem chinesischen Elektroautobauer BYD gesellen, ist für das Gros der stolzen Mercedes-Mitarbeiter und für eingefleischte Fans der Marke nur schwer zu ertragen. Ein Verkauf der Häuser könnte CFO Wilhelm je Niederlassung zwischen 20 Millionen und 40 Millionen Euro einbringen, heißt es aus Branchenkreisen. „Ein exakte Bewertung ist ohne genaue Zahlen natürlich schwer“, erläutert Branchenkenner Frank Schwope. Der ehemalige NordLB-Analyst und Lehrbeauftragte für Automobilwirtschaft an der FHM Hannover schätzt den Wert des Gesamtpakets daher auf einen niedrigen einstelligen Milliardenbetrag. „Beim Verkauf der Niederlassungen in den Niederlanden war seinerzeit 1 Milliarde Euro im Gespräch, allerdings ist die Zahl der Häuser nicht vergleichbar“, sagt er. FINANCE Köpfe Harald Wilhelm Mercedes-Benz Group AG Mehr lesen Verkauf der Niederlassungen ist nicht neu Die Strategie, sich von eigenen Niederlassungen zu trennen, ist bei Mercedes nicht neu. Man habe damit bereits in verschiedenen europäischen Märkten gute Erfahrungen gemacht, wie Källenius anlässlich der Präsentation der Jahreszahlen des Autobauers erläuterte. „Wir haben in den letzten Jahren bereits Teile unseres ‚Own Retail‘ in Europa verkauft und gesehen, dass die Partner in diese Häuser investiert haben.“ Auch sucht der Mercedes-Chef die Befürchtungen hinsichtlich einer Mehrmarkenstrategie zu zerstreuen. 99 Prozent der Vereinbarungen mit Retail-Profis basierten bereits auf dem Partnerschaftsmodell, das an dieser Stelle klare Regeln vorgebe. Daran soll sich laut Mercedes auch künftig nichts ändern, ebenso wie an den Jobgarantien für die Tarifmitarbeiter in den Niederlassungen, die vertraglich bis Ende 2029 vor betriebsbedingten Kündigungen geschützt sind. Diese Garantien müssten mögliche Käufer wohl übernehmen. Ein Hemmschuh für den Verkauf dürfte dieser Umstand trotz des angekündigten Widerstands von Betriebsratsseite jedoch nur bedingt sein. „Vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels dürfte die Bindung der Mitarbeiter für einen Käufer fast schon wichtig sein“, tippt Experte Schwope. Dafür spreche auch, dass Mercedes einen Verkauf an reine Finanzinvestoren ausschließe. „Die Frage dürfte eher sein, ob die Mitarbeiter dieser Häuser sich dann noch als Teil der Mercedes-Familie sehen oder von sich aus gehen.“ „Die zentrale Steuerung des Vertriebs war noch nie die Stärke von Autokonzernen“ Frank Schwope, Automobilexperte Online-Handel belastet Autohäuser Aus Sicht des Branchenkenners mache der Verkauf der Niederlassungen für den Konzern durchaus Sinn, zumal diese in den vergangenen Jahren nicht zuletzt durch den zunehmenden Online-Handel ohnehin etwas unter Druck geraten seien. „Ich glaube, dass das eine vernünftige Entscheidung und die konsequente Fortführung der bisherigen Strategie ist. Die zentrale Steuerung des Vertriebs war noch nie die Stärke von Autokonzernen, das können die unabhängigen Autohäuser direkt vor Ort deutlich besser“, ist Schwope überzeugt. Letzteres bestätigt auch ein Mitarbeiter aus der Finanzabteilung des Autobauers, der anonym bleiben möchte. Demnach seien Kundenservice und Preise bei freien Händlern meist besser als bei den konzerneigenen Häusern. Als mögliche Käufer für einzelne Niederlassungen sieht Schwope neben den bereits genannten Retail-Partnern daher auch kleinere Autohausbetreiber, die sich breiter aufstellen möchten. Fest steht jedoch: Auch ohne die konzerneigenen Niederlassungen bleiben die Herausforderungen für Mercedes-Chef Källenius und seinen CFO vielfältig, allen voran bei den Elektromodellen der Schwaben, deren Absatzzahlen bislang deutlich hinter den Erwartungen zurückbleiben – so deutlich, dass der Konzern sein selbstgestecktes Ziel, bis 2030 möglichst nur noch vollelektrische Fahrzeuge zu verkaufen, inzwischen kassieren musste. Stattdessen rechnet der CEO bis dahin nun mit einem Anteil der Stromer und Plug-in-Hybride am Neuwagengeschäft von lediglich 50 Prozent. Im vergangenen Jahr waren es anstelle der ursprünglich anvisierten 20 Prozent gerade einmal 12 Prozent. Alles zum Thema M&A Beim Unternehmenswachstum spielt M&A eine wichtige Rolle. Spannende Analysen, News zu Deals, Trends und Playern im M&A-Markt finden Sie hier. Mehr lesen Mercedes in der Luxus-Falle? Gleichzeitig geht die von Källenius angepeilte Luxus-Strategie bislang offenbar noch nicht auf. Beispiel China, wo das Luxus-Konzept bei Fahrzeugen mit Verbrennern zwar noch funktioniert, der Absatz bei Elektromobilen jedoch bislang hinter den Erwartungen zurückbleibt, wie die Zahlen bei der Limousine EQS zeigen. Bei den chinesischen Kunden mangelt es dem Elektro-Sternchen nicht am nötigen Prestige, letztlich entscheiden sie sich aber häufig doch für ein Modell eines heimischen Herstellers, der ein aus ihrer Sicht günstigeres Preis-Leistungs-Verhältnis bietet. Und auch der einstige Qualitätsvorsprung der Deutschen schmilzt. In Sachen Konnektivität und Entertainment hat die Konkurrenz aus Fernost ohnehin einen Vorsprung, bestätigt Schwope. „Bei Elektroautos würde ich sogar noch einen Schritt weiter gehen. Dort kommt es vor allem auf eine vernünftige Batterie mit großer Reichweite und langer Lebensdauer an. Da hat etwa BYD, das aus der Batterie-Industrie kommt, einfach die Nase vorn“, gibt er zu bedenken. „Was das angeht, sind die ‚alten Werte‘ von Spaltmaßen und Co. ein alter Hut.“ Abhilfe schaffen können daher aktuell nur günstigere Tarife oder hohe Rabatte. Doch die passen nur bedingt zur „Marge statt Masse“-Strategie von Mercedes-Chef Källenius.

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