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VW kommt bei Europcar zum Ziel

Der Volkswagenkonzern will stärker auf alternative Mobilitätskonzepte setzen. Dazu dient auch die Übernahme von Europcar, die nun näher rückt.
Volkswagen

50 Cent pro Aktie mussten es am Ende sein – so viel bietet das Käuferkonsortium um den Volkswagenkonzern, den niederländischen Konzern Pon Holdings und den Londoner Finanzinvestor Attestor für den französischen Mobilitätsdienstleister Europcar. Daraus ergibt sich laut VW ein Unternehmenswert von insgesamt 2,9 Milliarden Euro inklusive Schulden und Pensionsverpflichtungen.

Die Europcar-Aktionäre haben bereits grünes Licht für den M&A-Deal gegeben: Die Mindestannahmeschwelle für die Transaktion liegt bei 67 Prozent, und 68 Prozent der Aktien wurden dem Käuferkonsortium bereits verbindlich zugesagt. Dazu zählen auch die 12,8 Prozent Aktien, die das Konsortiumsmitglied Attestor bereits hält.

Der Angebotspreis liegt um 27 Prozent über dem Europcar-Kurs vom 22. Juni, dem Tag an dem das Übernahmevorhaben bekannt wurde. Der Preis könnte zudem noch leicht steigen: Wenn mehr als 90 Prozent der Aktien angedient werden, steigt der Angebotspreis auf 51 Cent je Aktie.

VW kauft Europcar zurück

Damit kommt VW gemeinsam mit Attestor, der derzeit wegen dem gestern vollzogenen Einstieg bei Condor in der Presse ist, und Pon Holdings im zweiten Anlauf zum Zuge. Eine erste Offerte über 44 Cent je Aktie hatte Europcar noch ausgeschlagen. Für VW ist der Deal zudem eine Kehrtwende, wenn auch unter veränderten strategischen Vorzeichen: Europcar gehörte früher bereits zu dem Autokonzern, 2006 verkaufte VW den Mietwagenanbieter für einen Kaufpreis von 1,26 Milliarden Euro und die Übernahme von mehr als 2 Milliarden Euro Schulden an den Finanzinvestor Eurazeo.

Das klassische Vermietungsgeschäft war für den Autobauer unattraktiv geworden. Mit dem zuletzt aufgekommenen stärkeren Fokus auf Mobilitätsdienste wie Carsharing wird das Europcar-Netzwerk dagegen strategisch wieder attraktiv.

Europcar selbst war im vergangenen Jahr in Schieflage geraten und musste finanziell restrukturieren. Unter anderem stimmten Bondholder wie Anchorage, Attestor oder King Street Capital einem Debt-to-Equity-Swap zu. Zudem verschafften eine Kapitalerhöhung und neue Flottenfinanzierungskredite dem Unternehmen Luft. Im März erklärte Europcar die Restrukturierung für abgeschlossen.

VW will Mobilitätsplattform schaffen

Die Pläne für die weitere Entwicklung von Europcar formuliert VW deutlich: Ziel sei es, eine „führende Mobilitätsplattform“ zu schaffen, die in die kürzlich vorgestellte „New Auto“-Strategie des Konzerns passt. Europcar soll „der zunehmenden Kundennachfrage nach Services als Ergänzung zum eigenen Fahrzeug“ gerecht werden, heißt es von VW. Dazu zählten „On demand“-Lösungen, Abo- oder Sharing-Modelle. Das Flottenmanagement und das breite Stationsnetz von Europcar sollen VW helfen, die eigenen Ziele in dem Segment schneller zu erreichen.

Bei der Transformation von Europcar setzt VW auf die Mitinvestoren und will die Expertise aller Konsortiumsmitglieder einbinden. Der Investor Attestor, der als bisheriger Aktionär bereits die kürzlich abgeschlossene finanzielle Restrukturierung des Unternehmens begleitet hat, soll seine Transformationserfahrung einsetzen. Pon bringt die eigene Erfahrung mit kundenorientierten Mobilitätsdiensten mit. Europcar hat derzeit mehr als 3.500 Stationen in über 140 Ländern und verzeichnete im Jahr 2019 mehr als 350.000 Fahrzeuge. Die Kundenzahl wird mit jährlich mehr als 5 Millionen angegeben, wobei das Geschäft mit Mietwagen in der Coronakrise zeitweise fast komplett zum Erliegen kam.

VW wird Europcar nicht kontrollieren

Dass sich alle Bieter auch strategisch einbringen, soll sich auch in der künftigen Governance-Struktur widerspiegeln. Details dazu sind nicht bekannt. Es heißt jedoch: Volkswagen werde zwar eine Anteilsmehrheit an der gemeinsamen Holding, der Green Mobility Holding, halten. Der Autobauer werde aber weder das Konsortium noch Europcar kontrollieren. Jede Interaktion mit der Holding oder Europcar werde „zu den üblichen Marktbedingungen“ stattfinden.

Noch müssen die Kartellbehörden dem Deal zustimmen. VW rechnet damit, dass die Übernahme im vierten Quartal dieses oder im ersten Quartal des kommenden Jahres abgeschlossen werden kann.

VW vermeldet Rekordzahlen

Neben dem geglückten M&A-Vorstoß konnte der Volkswagen-Konzern am heutigen Donnerstag auch gute Halbjahreszahlen vermelden. Trotz Engpässen bei Halbleitern und Corona-Auswirkungen verzeichnete der Konzern im ersten Halbjahr einen Umsatz von fast 130 Milliarden Euro, ein Drittel mehr als im ersten Halbjahr 2020, das jedoch stark von der Corona-Pandemie geprägt war. VW erwirtschaftete ein operatives Rekordergebnis von 11,4 Milliarden Euro, die operative Rendite lag bei 8,8 Prozent. Besonders die Premiummarken Audi und Porsche sowie der Bereich Financial Services trugen zu dem guten Ergebnis bei. Die Nettoliquidität im Automobilbereich kletterte auf 35 Milliarden Euro.

Neu-CFO Arno Antlitz, der in diesem April auf Frank Witter folgte und nun die Transformation des VW-Konzerns finanziell stemmen muss, spricht von einem außergewöhnlich starken zweiten Quartal. „Die Auswirkungen der Engpässe bei Halbleitern konnten wir bislang begrenzen, rechnen jedoch mit etwas deutlicheren Effekten im dritten Quartal“, sagt er zudem. Trotzdem bleibt der Konzern optimistisch und hebt seinen Ausblick für die operative Rendite für das Gesamtjahr um 0,5 Prozentpunkte auf 6 bis 7,5 Prozent an.

antonia.koegler[at]finance-magazin.de

Antonia Kögler ist Redakteurin bei FINANCE und Chefin vom Dienst bei DerTreasurer. Sie hat einen Magisterabschluss in Amerikanistik, Publizistik und Politik und absolvierte während ihres Studiums Auslandssemester in Madrid und Washington DC. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit Finanzierungsthemen und verfolgt alle Entwicklungen rund um Green Finance und Nachhaltigkeit in der Finanzabteilung.

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