Noch hat die Bahn den M&A-Prozess für ihr Kronjuwel, die Logistiksparte DB Schenker, noch nicht gestartet. Aber bereits jetzt bringen sich die ersten Investoren in Stellung. Die Marktberichte zeigen: Das Interesse von Private Equity an DB Schenker ist wie erwartet hoch – kein Wunder, könnte Schenker doch die größte Kaufgelegenheit für Private Equity im ganzen Jahr werden
Von einem Wettbieten um ihre Tochter würde die Deutsche Bahn massiv profitieren – der Deal ist die mit Abstand beste Chance für den Staatskonzern, dringend benötigtes Cash in die Kassen zu holen und den gewaltigen Schuldenberg abzutragen.
Private Equity vs. Strategen
Im Private-Equity-Lager zeichnen sich bereits erste Bündnisse ab, wie das „Handelsblatt“ unter Berufung auf Insider berichtet. So wollen offenbar die Beteiligungsfirmen CVC und Carlyle ein gemeinsames Angebot vorlegen und haben dafür bereits M&A-Berater ins Boot geholt. Auch bei Bain und Advent spricht man offenbar darüber, sich einmal mehr für ein gemeinsames Projekt zusammenzutun. Die beiden haben schon des Öfteren zusammengearbeitet, zum Beispiel bei der letztlich gescheiterten Übernahme von Osram.
Konkurrenz könnten die beiden PE-Bündnisse auch von Blackstone bekommen: Laut Handelsblatt ist der US-Fonds ebenfalls auf Partnersuche. Zudem wäre es eine Überraschung, wenn sich der Branchenführer KKR diese Transaktionsgelegenheit nicht auch genau ansehen würde. Doch mit einem geschätzten Kaufpreis von 15 bis 20 Milliarden Euro könnte selbst für KKR eine Schenker-Übernahme möglicherweise nur gemeinsam mit einem Partner machbar sein.
Neben den Wettbewerbern aus dem eigenen Lager werden die Private-Equity-Häuser aber auch mit Interessenten aus der Logistikbranche wetteifern müssen. Auch dort herrscht reges Interesse an Schenker. Für den M&A-Prozess als gesetzt gelten Kühne+Nagel, Maersk und DSV. Ob auch die Deutsche Post mitbieten wird, dazu gehen die Meinungen auseinander. Die nötige finanzielle Schlagkraft wäre bei dem Dax-Konzern jedoch gegeben.
Schenker verbucht Rekordgewinn
Das große Interesse an der Bahn-Tochter, die seit der Übernahme der Stinnes AG 2002 zum Bahn-Konzern gehört und seitdem massiv an Wert gewonnen hat, ist nicht verwunderlich, und das liegt nicht nur an der Größe des Targets. Schenker umfasst ein riesiges Transport- und Logistikgeschäft abseits der Schiene. 2020 erwirtschaftete der Logistiker mit fast 75.000 Mitarbeitern einen Umsatz von 17,7 Milliarden Euro, Tendenz steigend.
Schenker ist auch die verlässlichste Einnahmequelle für die Deutsche Bahn, die schwer unter Corona leidet. Trotz der guten Performance von Schenker dürfte die Bahn 2021 einen operativen Verlust von rund 1,9 Milliarden Euro erlitten haben. Schenker selbst dürfte seinen operativen Gewinn im gleichen Jahr von 711 auf deutlich über 1 Milliarde Euro gesteigert haben. CFO von Schenker ist seit mehr als fünf Jahren Oliver Seidl.
Hohes Multiple von 15x Ebit für DB Schenker
Doch bevor es zum Verkauf kommt, muss sich erst noch der Aufsichtsrat der Bahn neu formieren, um dann den nötigen Grundsatzbeschluss zu fassen. Beobachter halten es für wahrscheinlich, dass parallel zu einem M&A-Prozess auch der Verkauf eines Minderheitsanteils über die Börse geprüft werden wird. Mit einer Entscheidung ist wohl nicht mehr im ersten Halbjahr zu rechnen.
Angesichts der im Raum stehenden Bewertung wäre es jedoch eine Überraschung, wenn Schenker an der Börse landen würde. Die im Raum stehenden 15 bis 20 Milliarden Euro entsprächen einem Multiple von 15x Ebit und mehr. Zum Vergleich: Die aktuellen FINANCE-Multiples weisen für die Transport- und Logistikbranche im Largecap eine Spanne von 7,8 bis 10,5x Ebit aus.
Mit einem Verkaufserlös in dieser Höhe könnte der hochverschuldete Konzern auf einen Schlag seinen Schuldenberg von 32 Milliarden Euro und im Zuge dessen auch die jährliche Zinslast von zuletzt fast 1 Milliarde Euro in etwa halbieren. Das Schuldenlimit hat der Bund aktuell bei 35 Milliarden Euro gesetzt.
Für dringend nötige Investitionen in das Schienennetz, neue Züge, die Digitalisierung und neue Kundenangebote benötigt die Deutsche Bahn eine stabile Bilanz – diese Investitionen werden in den kommenden Jahren einen zweistelligen Milliardenbetrag an Eigenmitteln erfordern. Das erklärte Ziel ist es, die Zahl der Fahrgäste zu verdoppeln.
thomas.holzamer[at]finance-magazin.de
Thomas Holzamer ist Redakteur bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Banken-Sektor, speziell das Firmenkundengeschäft. Er hat Politikwissenschaften an der Technischen Universität Darmstadt studiert. Vor FINANCE arbeitete Thomas Holzamer mehr als 12 Jahre in den Redaktionen der Mediengruppe Offenbach-Post, zunächst als verantwortlicher Redakteur für Sonderpublikationen, später im Lokalen.