Mehr als 15 Monate lang hat die Öffentlichkeit darauf gewartet – vor wenigen Tagen hat die Prüfungsgesellschaft PwC ihren Bericht für den skandalgeplagten Steinhoff-Konzern endlich vorgelegt. Das Ausmaß und das professionelle Vorgehen der Bilanzfälscher wird darin mehr als deutlich. Besonders bitter: Die geltenden Bilanzierungsregeln haben dieses Verhalten befeuert.
Wie man immaterielles Vermögen sichtbar macht
Durch überhöhte Firmenkäufe von scheinbar unabhängigen Fremdfirmen konnte der Konzern demnach einen entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert ausweisen. So wurde aus einem unsichtbaren selbst geschaffenen Geschäfts- oder Firmenwert ein sichtbarer Wert geschaffen.
Warum war Steinhoff „gezwungen“, so vorzugehen, nachdem es die scheinbar unabhängigen Fremdfirmen gegründet hatte? Nach den internationalen Rechnungslegungsvorschriften IFRS unterliegt ein selbst geschaffener Geschäfts- oder Firmenwert einem Aktivierungsverbot. Der Grund: Es ist kaum möglich, selbst geschaffene Geschäfts- oder Firmenwerte korrekt zu bewerten. Zudem kann man sie nicht von dem sonstigen immateriellen Vermögen des Konzerns separieren.
Doch durch den Kauf einer dieser angeblichen Fremdfirmen wurde der immaterielle Wert sichtbar, und er musste aktiviert werden. Besonders praktisch: Eine planmäßige Abschreibung ist nicht notwendig, nur eine jährliche Überprüfung der Werthaltigkeit des Firmenwertes und gegebenenfalls dann eine außerplanmäßige Abschreibung.
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Steinhoff steigert den Immobilienwert – scheinbar
Auch wenn überhöhte Firmenkäufe nicht verboten sind, so verloren sie mit den überteuerten Verkäufen von Grundstücken, Konsumentenkrediten sowie Markenrechten an die Steinhoff-Töchter jegliches Maß zur Realität.
Im Jahr 2001 wurde beispielsweise eine Gewerbefläche über eine Tochterfirma in Johannesburg für 41.000 Euro erworben, die fünf Jahre später vom Steinhoff-Konzern für 2,06 Millionen Euro gekauft wurde. Das ist eine Wertsteigerung, von der selbst ein Münchener Immobilienbesitzer nur träumen kann.
Bei der Bewertung von Grundstücken ermöglichen die internationalen Rechnungslegungsvorschriften zwar ein Wahlrecht: Die Bewertung kann entweder zum aktuellen Zeitwert oder nach den fortgeführten Anschaffungskosten erfolgen. Aber unabhängig davon, welche der beiden Bewertungsmethoden gewählt wird: Sofern der aktuelle Zeitwert geringer ist als der Buchwert, muss eine außerplanmäßige Abschreibung vorgenommen werden.
Liquidität wurde Steinhoff zum Verhängnis
Die Folge: Auch wenn der Steinhoff-Konzern das Grundstück zu einem überteuerten Preis gekauft hat, hätte sich eine außerplanmäßige Abschreibung ergeben müssen. Bei der Anwendung der Bewertung zu den fortgeführten Anschaffungskosten entstehen stille Reserven, wenn der Buchwert des Grundstücks geringer ist als der aktuelle Zeitwert. Diese stillen Reserven sind nicht aus der Bilanz ersichtlich.
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Steinhoff hat hingegen nicht-existierende stille Reserven ausgewiesen. So wie sich der Fall darstellt, sollte die scheinbare Fremdfirma als Deckmantel genutzt werden, um die Manipulation zu verdecken. Wie bei vielen Bilanzskandalen in der Vergangenheit wurde aber auch Steinhoff die Liquidität zum Verhängnis. Denn irgendwann können die Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllt werden – mit erfundenen Werten lassen sich auch in den heutigen Zeiten noch keine Rechnungen bezahlen.
Info
„Abgeschminkt“ ist der FINANCE-Blog von Bilanzierungsexpertin Carola Rinker über aufgehübschte Unternehmenszahlen und skandalöse Bilanzkosmetik. Von noch mehr Unternehmen, die ihre Zahlen im Rahmen des rechtlich Möglichen beeinflussen, dabei mitunter aber Grenzen überschreiten, können Sie hier lesen.