Was war da jetzt bei Daimler los?
Große Aufregung Mitte Januar am Kapitalmarkt: Stellte Großinvestor Geely etwa die Hälfte seines rund 9,7-prozentigen Daimler-Anteils zum Verkauf? Dies berichtete die Nachrichtenagentur „Bloomberg“ unter Verweis auf informierte Kreise. Teil der Verwirrung war eine Meldung der Investmentbank Morgan Stanley, sie halte über Finanzinstrumente 5,4 Prozent der Stimmrechte an dem Stuttgarter Autobauer. Das entsprach rund der Hälfte des Geely-Anteils. Vermutlich handelte es sich dabei aber schlichtweg um bestehende Optionen, die neu strukturiert wurden. Morgan Stanley hatte Geely gemeinsam mit der Bank of America beim Daimler-Einstieg beraten.
Geely jedenfalls dementierte einen Teilverkauf rasch: Als langfristiger Investor habe man keine Pläne, die Beteiligung abzustoßen, versicherten die Chinesen. Die Episode zeigte jedoch deutlich, dass Stimmrechtsmitteilungen häufig mehr für Verwirrung sorgen als den Markt zu informieren.
Warum müssen verschiedene Akteure Stimmrechtsmitteilungen abgeben?
Wer selbst Anteile an einem Emittenten hält, muss das beim Überschreiten der Meldeschwellen mitteilen – so weit, so nachvollziehbar. Doch dabei bleibt es nicht. Hält eine Tochtergesellschaft Anteile, werden diese beispielsweise der Mutter zugerechnet. „Die oft verworrenen Beteiligungsstrukturen zu plausibilisieren, sorgt bei den Emittenten für hohen Aufwand“, sagt Simon Patrick Link, Partner im Münchener Büro der Kanzlei Hengeler Mueller.
„Die Mitteilungen lassen den eigentlich wirtschaftlich Berechtigten nur schwer erkennen.“
Doch der Kreis der Meldepflichtigen ist noch größer: Sogenannte Zurechnungstatbestände können greifen, wenn beispielsweise Anteile oder auch Derivate auf Stimmrechte für Rechnung Dritter gehalten werden. „Dann müssen für dieselben Stimmrechte mehrere Akteure Stimmrechtsmitteilungen abgeben“, erklärt Link. Das Problem dabei: „Die Mitteilungen lassen den eigentlich wirtschaftlich Berechtigten nur schwer erkennen.“
Wieso werden manchmal mehr Stimmrechte gemeldet, als vorhanden sind?
Gerade bei Derivaten kommt es häufig zu Mehrfachmeldungen. „Es meldet beispielsweise nicht nur der Bezugsberechtigte, dass er über Derivate Zugriff auf 5 Prozent der Stimmrechtsmitteilungen hat, sondern auch die Bank, die Gegenpartei des Derivats ist und zur Absicherung ihres Risikos eine entsprechende Position von Aktien aufgebaut hat“, gibt Link ein Beispiel.
In den Investor-Relations-Abteilungen gehe dann häufig das Puzzlespiel los: Anhand der Zeitachse ordnen die Mitarbeiter zu, welche Meldungen der Banken welchen Transaktionen zuzuordnen sein könnten.
Ebenfalls zu Mehrfachmeldungen kommt es, wenn Großaktionäre sich über die Ausübung ihrer Stimmrechte verständigen („Acting in Concert“): Hat einer der Partner Zugriff auf 5 Prozent der Aktien und der andere auf 3 Prozent, müssen beide melden, dass sie insgesamt Zugriff auf 8 Prozent der Stimmrechtsanteile haben – auch wenn jeder für sich nur einen Teil hält. „Es wird zwar in der Mitteilung vermerkt, dass Stimmrechte anderer Aktionäre zugerechnet wurden. Auf den ersten Blick kann aber der Eindruck entstehen, dass größere Pakete gehalten werden“, sagt Link.
Wieso ist das System so kompliziert geworden?
Hinter den weitreichenden Meldepflichten steht ein hehres Ziel. Link: „Sie sollen verhindern, dass Aktionäre sich unbemerkt anschleichen können.“ Derartige Versuche waren in der Vergangenheit bereits erfolgreich. Bei der Übernahme von Continental durch Schaeffler im Jahr 2008 etwa hatte Schaeffler Swap-Geschäfte genutzt, bei denen je nach Entwicklung des Conti-Aktienkurses nur ein Barausgleich vereinbart war.
Dieses Konstrukt war nicht meldepflichtig. Die Banken hatten aber zur Absicherung Conti-Aktien gekauft und konnten diese nach Ablauf des Swaps verkaufen – eben auch an Schaeffler. „Heute müssten auch solche Transaktionen gemeldet werden, weil man mit diesen Konstrukten das gleiche Ergebnis erzielen kann wie etwa mit Derivaten“, sagt Link.
Ließen sich Stimmrechtsmitteilungen nicht vereinfachen?
Für Verwirrung sorgen in den Investor-Relations-Abteilungen und am Kapitalmarkt in erster Linie die Meldungen der Banken. Doch es wäre schwierig, diese besser zuzuordnen. „Es wäre komplex und auch juristisch kaum denkbar, wenn etwa die Banken bei jeder Stimmrechtsmitteilung angeben müssten, für welchen Kunden sie gerade agieren“, sagt Link. Missverständnisse wie zuletzt habe es daher bereits in der Vergangenheit gegeben – und sie seien auch künftig nicht ausgeschlossen.
Die Vorgaben für Stimmrechtsmeldungen basieren auf EU-Recht. Das bedeutet: Änderungen wären nicht leicht auf den Weg zu bringen. Link hält das nicht für schlimm, grundsätzlich greifen die verschärften Regelungen in seinen Augen gut: „Das Ziel, ein Anschleichen zu erschweren, ist erreicht worden“, bilanziert er. Der Preis dafür sei aber, dass die Meldungen komplexer geworden seien.
Das Ziel, ein Anschleichen zu erschweren, ist erreicht worden.“
Von weiteren Verschärfungen wäre er daher nicht begeistert. „Irgendwann werden die Transparenzvorschriften sonst so detailliert, dass die Vielzahl der Meldungen das Gegenteil von Transparenz bewirkt.“