Rotes Meer: So sichern CFOs Lieferungen über den Seeweg ab

Warenlieferungen werden wieder problematisch. Die regionale Lage im Konflikt in Israel hat sich durch das Eingreifen der Huthis verschärft. Mehrfach haben sie aus dem Jemen heraus bereits Frachtschiffe mit angeblicher israelischer Verbindung im Roten Meer angegriffen. Die Reaktion: Zwischenzeitlich haben Reedereien wie die deutsche Hapag-Lloyd oder die dänische Maersk die Route durch das Rote Meer gemieden. Die zwar sicheren Umwege führen jedoch zu verspäteten Lieferungen.Als erstes Unternehmen gibt Tesla offiziell bekannt, dass es nun erste Konsequenzen ziehen muss und unterbricht seine Fahrzeugfertigung im brandenburgischen Werk Grünheide für zwei Wochen. Das teilte der Konzern am gestrigen Donnerstag mit. Da sich die Transportwege wegen der Huthi-Angriffe im Roten Meer verschieben würden, sei eine Lücke in den Lieferketten entstanden, so Tesla.Für CFOs zählt im Akutfall jede MinuteSeit der Corona-Pandemie müssen sich Unternehmen unentwegt mit ihrer Lieferkette und deren Sicherung auseinandersetzen. Der Angriffskrieg in der Ukraine hat die Probleme im Welthandel nur verschärft. Wenn CFOs und CEOs die Nachricht erreicht, dass ihre Ware nicht rechtzeitig oder sicher ankommt, zählt jede Minute, weiß Stefan Hoffmann.Er ist Partner bei der auf die Branchen Transport und Energie spezialisierten Kanzlei Watson Farley & Williams. „Schnelles Handels ist extrem wichtig, notfalls auch am Wochenende“, konstatiert Hoffmann, der regelmäßig Banken, Investoren und Entwickler in Schiedsgerichtsverfahren vertritt.Zuerst müssen sich CFOs und CEOs in einem – idealerweise schon seit der Corona-Pandemie für spezielle Ereignisse von Lieferkettenstörungen eingerichteten – Krisengremium einen Überblick über das Ausmaß der Störung machen. „Welchen Umfang hat die Störung? Kann ich meine Waren und Materialien anderweitig beschaffen? Wie steht es um alternative Beschaffungswege?“, sind erste Fragen, die es nach Hoffmann zu beantworten gilt.Verträge müssen sofort zur Hand seinSobald sich das Management ein Bild von der Lage gemacht hat und den Umfang der Stillstände kennt, können die Adhoc-Erkenntnisse in die betriebliche Planung, einschließlich etwaiger Liquiditätsplanungen, überführt werden. Das ist wichtig, um innerbetriebliche Transparenz sicherzustellen und um frühzeitig festzustellen, ob es substanzielle Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb und die Finanzplanung gibt, so der Anwalt.„Im gleichen Zug sollte geprüft werden, für was in diesem Zusammenhang ein Versicherungsschutz besteht.“ Hoffmann rät dazu, die Notifizierungen an die Versicherungen unverzüglich vorzunehmen.Wenn es um die Stilllegung eines Produktionsstandortes geht, ist zudem die arbeitsrechtliche Komponente relevant, etwa die Kommunikation gegenüber den Arbeitnehmern oder eine etwaige Einbindung des Betriebsrats.Darüber hinaus sollte geprüft werden, welche Absatzverpflichtungen betroffen sind. „Welche Lieferversprechungen kann ich möglicherweise nicht einhalten? Parallel sollten alle betroffenen Lieferverträge durchgesehen werden, um zu prüfen, welche Regelungsmechanismen bei Lieferkettenproblematiken im Vertrag eingesetzt wurden“, so Hoffmann.Force Majeure ist eine heikle KlauselSeit der Corona-Pandemie hat sich die Verwendung von spezifisch auf Lieferkettenstörungen angepassten „Force Majeure“-Klausel in den Lieferverträgen etabliert, berichtet Hoffmann. Es sei genau zu prüfen, in welchem Falle ein Anspruch aufgrund höherer Gewalt entfällt. Es ist zu entscheiden, ob mögicherweise Force Majeure-Mitteilungen an Geschäftspartner geschickt werden müssten.Zu prüfen sei aber auch, ob Lieferverpflichtungen vielleicht anderweitig erfüllt werden können: Bei einem weltweit tätigen Unternehmen könnte ein anderer Standort mit Waren, Ersatzteilen oder Materialien unter zumutbarem Aufwand in der Beschaffung einspringen, ehe sich ein einzelner Standort seinen Lieferpflichten aufgrund höherer Gewalt entziehen kann, beschreibt der WFW-Partner.Stefan Hoffmann ist Partner am Hamburger Standort der internationalen Kanzlei Watson & Williams. Foto: Watson Farley & WilliamsSo schützen sich CFOs vor LieferkettenproblematikenWeltweit haben sich die Krisenlagen in den vergangenen Jahren gehäuft. Das bringt Druck in die Unternehmen, Adhoc-Risiken im Blick zu behalten. Der auf Schiedsstreitigkeiten spezialisierte Anwalt Hoffmann rät daher, ein Risikogremium zu bestimmen, das in Extremsituationen auch kurzfristig aktiviert werden kann. Nach seiner Wahrnehmung sei dies in vielen Unternehmen im Zuge der Corona-Pandemie auch tatsächlich umgesetzt worden.Einen solchen Krisenstab einzuführen, bezeichnet Hoffmann als Pflicht der Organe. „Ein fehlender Krisenstab könnte gegebenenfalls unter dem Aspekt der Organisationshaftung eine Schadensersatzhaftung der Organe beziehungsweise des betroffenen Unternehmens auslösen. Wenn etwa eine Lieferverpflichtung nicht erfüllt werden kann, der Grund der höheren Gewalt aber nicht besteht, weil das Produkt dem Kunden von einem anderen Standort aus hätte geliefert werden können. Dann könnte der Kunde mit diesem Argument gegebenenfalls Schadensersatz fordern, da es in der Organisationsverantwortung seines Geschäftspartners lag, dieses Problem schon frühzeitig zu lösen. Entsteht dem Unternehmen durch mangelnde Organisation ein Schaden, könnten schließlich auch Ansprüche von Gesellschaftern, Aktionären beziehungsweise der Gesellschaft selbst drohen.”Darüber hinaus zeigt seine Erfahrung, dass eine vorausschauende Lagerplanung zweckmäßig sein kann. Der Grundsatz „just-in-time delivery“ wird nach seiner Wahrnehmung insbesondere im Maschinen- und Automobilbau schon länger nicht mehr so streng gelebt: Es sind Pufferlager etabliert und konzerninterne Vernetzungen erweitert worden. Er nennt ein Beispiel eines Mandanten: „Während der akuten Stahlengpässe, die durch den Ukraine-Krieg entstanden sind, hat sich etwa ein globaler Hersteller aus der Maschinenbauindustrie über seine weltweiten Produktionsverbände organisiert und Engpässe so überbrückt.“Die Transport- und Lieferpreise steigen massivEine ganz andere Problematik, die sich durch die zunehmend unsicher gewordenen Lieferketten zeigt, ist der Preisanstieg von Waren und Transport. Jüngst hat die französische Reederei CMA CGM ihre Frachtraten für den Containertransport etwa von Asien in den Mittelmeerraum verdoppelt. Künftig kostet der Transport für einen 40-Fuß-Container auf dieser Route 6.000 US-Dollar, statt wie zuvor 3.000. Grund dafür seien die Angriffe der Huthi-Rebellen.Dieses Thema beschäftigt Anwalt Stefan Hoffmann bereits seit zwei Jahren kontinuierlich. Regelmäßig kommen Mandanten wegen Preisverwerfungen auf ihn zu. Das äußere sich bis hin zu erpressungsnahen Situationen. „Dann kann es schon mal heißen: ‚Wir können nicht liefern, wenn der Preissteigerung nicht zugestimmt wird‘.“„Ich erlebe diesen Preiskampf in einer Dramatik, wie ich es in meiner 20-jährigen Berufslaufbahn nicht gesehen habe, selbst in der Finanzkrise nicht“, so Hoffmann. Viele wollen sich mit allen Mitteln aus Verträgen lösen, um ihre Preise zu erhöhen.Doch manchmal sei es nicht möglich, den Rechtsschutz, der bei einem Liefervertrag gilt, auch durchzusetzen. „Es steht die Frage im Raum: ‚Will ich jetzt meine Ware oder streite ich über den Preis drei Jahre vor Gericht?‘“ Dies gilt insbesondere bei großen, fristgebundenen Infrastruktur- und Energieprojekten.Containerverkehr wurde zurückgefahrenDer neueste „Kiel Trade Indicator“ des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) zeigt auf, dass sich die Aktivitäten der Huthi-Rebellen im Roten Meer mittlerweile auf den weltweiten Handel auswirken. Der Containerverkehr hat sich um mehr als die Hälfte reduziert, das steigert sowohl Fahrzeiten als auch Frachtraten. Die alternative Route um das Kap der Guten Hoffnung verlängert die Transportdauer um bis zu 20 Tage, während sich die Frachtkosten mehr als verdoppelt haben. Dennoch betont das IfW, dass die derzeitige Situation weder mit den Herausforderungen in den Lieferketten während der Corona-Pandemie noch mit den Folgen der „Ever Given“-Havarie im Suezkanal vergleichbar ist. Die derzeitigen Herausforderungen wiegen aktuell noch nicht so schwer wie zu Pandemiezeiten und zu Beginn des Ukrainekrieges, wie das IfW schätzt. In aller Hoffnung auf baldigen Frieden, sollten CFOs ihre Lieferketten trotzdem, insbesondere zukunftsgerichtet, im Blick behalten.

Darum stellt Robeco das Private-Debt-Geschäft in Deutschland ein

Siemens-Antriebssparte geht für 3,5 Milliarden Euro an Private Equity

PVA Tepla macht Wirtschaftsprüfer zum CFO

„Private Equity ist für uns nicht gangbar“

Rotes Meer: So sichern CFOs Lieferungen über den Seeweg ab

Aktuelle Artikel

Darum stellt Robeco das Private-Debt-Geschäft in Deutschland ein

„Private Equity ist für uns nicht gangbar“

FINANCE Daily

Weitere Inhalte zum Thema

Darum stellt Robeco das Private-Debt-Geschäft in Deutschland ein

Siemens-Antriebssparte geht für 3,5 Milliarden Euro an Private Equity

PVA Tepla macht Wirtschaftsprüfer zum CFO

Aktuelle FINANCE Multiples

Spezialisierte Food-Anbieter hoch im Kurs

Textil- und Bekleidungsbranche aus der Mode

Pharmabranche bleibt teuer

Nachrichten

Themen

Unternehmen

FINANCE TV

FINANCE Köpfe

FINANCE Podcast

FINANCE Magazin

Research

Multiples

Events

Newsletter

Abonnements

Mediadaten

Redaktion

Stellenmarkt

Partner

Kontakt