Der Rechtstreit um die immensen Kostenüberschreitungen beim Bau des finnischen AKWs Olkiluoto 3 zwischen dem finnischen Versorger Teollisuuden Voima (TVO) und dem deutsch-französischen Errichterkonsortium, bestehend aus Siemens und Areva, geht in die nächste Runde – und er wird zunehmend rauer.
TVO hat seine Nachforderungen an Siemens/Areva von 1,6 auf 2,3 Milliarden Euro erhöht – das Konsortium weist dies als unbegründet zurück. Im Gegenzug schraubt es seinerseits die eigenen Forderungen gegenüber den Finnen von 2,7 Milliarden auf 3,5 Milliarden Euro nach oben.
Damit stehen für Siemens und Areva in Finnland immer größere Summen auf dem Spiel – und wie der Streitfall finanziell ausgeht, ist für Siemens-CFO Ralf Thomas kaum zu kalkulieren. Die Zusatzkosten des ursprünglich auf 2009 angesetzten AKW-Projekts sind laut Medienberichten inzwischen auf geschätzte 8,5 Milliarden Euro angewachsen und haben sich damit nahezu verdreifacht.
Siemens kommt glimpflich davon
Während Areva mit Projektverlusten von 3,9 Milliarden Euro bislang den Löwenanteil trägt, ist Siemens mit kolportierten 583 Millionen bislang noch glimpflich davon gekommen – und sieht auch durch die neuen Zusatzforderungen der Finnen keine neue Sachlage . Laut Angaben eines Siemens-Sprechers seien weitere Risikovorsorgemaßnahmen derzeit nicht nötig – also keine Sonderkosten für die am 6. November anstehenden Zahlen für das 4. Quartal und das Geschäftsjahr 2013/14.
Die bislang aufgelaufenen Projektverluste sind laut Siemens bereits im Zuge der ausgeweiteten Bauzeit teilweise entweder direkt als Verlust gebucht oder den Rückstellungen zugeführt worden. Detaillierte Angaben machte das Unternehmen auf Anfrage von FINANCE nicht. Die Gesamtrückstellungen des Siemens-Konzerns belaufen sich nach den Zahlen zum 3. Quartal auf rund 3,9 Milliarden Euro.
Projekt mit ungewissem Ausgang
Olkiluoto reiht sich neben neuen Zügen für die Deutsche Bahn und Strominfrastruktur für Ofshore-Windparks in die Großprojekte von Siemens ein, die zeitlich stark in Verzug geraten sind und die Budgets sprengen. Das ursprünglich für 2009 angesetzte Fertigungsziel des finnischen Atomkraftwerks ist längst ad acta gelegt, eine realistische Betriebsaufnahme frühestens im Jahr 2018 möglich.
Da sich die Beteiligten für den Verzug gegenseitig beschuldigen, befasst sich seit 2008 ein Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer mit dem Fall. Nach Meinung eines Siemens-Sprechers sei eine baldige Einigung nicht zu erwarten. Siemens sieht seinen Teil des Geschäftes mit der Lieferung des technischen Equipments als erfüllt. Dem Vernehmen nach tritt der Großteil der Probleme im nuklearen Teil der Anlage auf, für die Areva verantwortlich ist.