Die Sommerpause ist vorbei und der europäische Corporate-Bond-Markt ist wieder angelaufen. Trotz noch immer andauernder Corona-Pandemie ist das Finanzierungsumfeld für Anleihen nach wie vor äußerst robust, die Stimmung optimistisch. „In vielen Sektoren ist das Geschäft besser gelaufen als erwartet. Einige Branchen kämpfen derzeit zwar mit Produktionsengpässen oder Lieferkettenschwierigkeiten, aber auf der Nachfrageseite gibt es wenig Probleme“, kommentiert Matthias Reschke, Head of Investment Grade Debt Capital Markets, Northern Europe und Leveraged Finance in Deutschland, Österreich und Schweiz von JP Morgan.
Wermutstropfen ist die nach wie vor unklare Entwicklung der Delta-Variante. „Außerdem gibt es natürlich einige Sektoren, wie etwa Travel oder Transport, die weiterhin mit heftigen Auswirkungen kämpfen“, sagt der Experte. Es sei also immer noch kein ganz normales Marktumfeld für Bonds, aber eins mit positivem Ausblick.
Finanzierungskosten für Anleihen weiterhin niedrig
Das zeigt sich auch an den Finanzierungskonditionen, die auf einem niedrigen Niveau verharren. Daran hat auch die Sorge vor einer steigenden Inflation in den vergangenen Monaten nichts geändert. „Der Markt schaut natürlich sehr genau darauf, was die Zentralbanken sagen“, so Reschke. Die langsame Abkehr der US-Notenbank Fed von der ultralockeren Geldpolitik werde seiner Ansicht nach aber keine allzu großen Auswirkungen auf den europäischen Markt haben, solange die Europäische Zentralbank ihr Politik noch nicht ändert. „Solange das alles in geordneten Bahnen läuft, ist das kein Problem“, betont er.
„Der Markt schaut natürlich sehr genau darauf, was die Zentralbanken sagen.“
Matthias Reschke, JP Morgan
Trotz guter Konditionen ist das Emissionsvolumen am Investmentgrade-Markt in Europa im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken. Insgesamt wurden 2021 bislang 483 Milliarden Euro emittiert, rechnet JP Morgan Experte Reschke. Dies ist circa 14 Prozent weniger als 2020, aber ungefähr auf gleichem Niveau wie 2019. „Im vergangenen Jahr haben Unternehmen aufgrund der Krise die ein oder andere Refinanzierung vorgezogen, im Grunde finanzieren sich IG-Unternehmen aber rollierend“, erklärt Reschke. Allzu große Schwankungen bei den Emissionsvolumina erwartet er also nicht, solange die Konditionen gut bleiben.
Speziell auf den deutschen Anleihemarkt bezogen, sieht die Ratingagentur Moody’s zudem einen Branchen-Trend: „Der Refinanzierungsbedarf der Automobilhersteller und ihrer konzerneigenen Finanzierungsgesellschaften bleibt die treibende Kraft für Anleiheemissionen“, sagt Matthias Hellstern, Managing Director Corporate Finance bei Moody’s, in einem aktuellen Report.
High-Yield-Markt beflügelt
Bei Unternehmen, die am High-Yield-Markt aktiv sind, sieht die Finanzierungsstrategie meist anders aus. Sie finanzieren sich nicht rollierend, sondern nutzen bei gutem Marktumfeld die Gelegenheit, ihre gesamte Kapitalstruktur neu aufzustellen. „Und genau das sieht man in diesem Jahr am High-Yield-Bond- und Leveraged-Loan-Markt“, sagt Reschke. Inzwischen seien rund 95 Milliarden Euro Anleihen und 115 Milliarden Euro an Leveraged Loans emittiert worden, im gesamten vergangenen Jahr waren es jeweils 78 und 89 Milliarden Euro. „Damit haben wir jetzt schon einen Fünf-Jahres-Rekord erreicht“, so Reschke. Er rechnet mit einer Vielzahl von Transaktionen im Oktober und November, was zu einem neuen historischen Höchststand führen werde.
Grund für den Run auf den High-Yield-Markt sind die guten Konditionen, auf die Emittenten dort gerade hoffen können. „Im vergangenen Jahr waren die Verzinsungen im Zuge der Krise explodiert, doch Anfang des Jahres war es, als würde ein Schalter umgelegt. Jetzt liegen sie sogar unter dem Vorkrisenniveau“, erklärt Reschke. Für Emittenten mit einem Rating von BB+ liegen die Kosten im Schnitt etwas unterhalb von 250 Basispunkten. Schaut man auf das untere Ende der Rating-Skala so fallen zwischen 300 und 400 Basispunkte an.
Mit der hohen Aktivität am HY-Markt hat auch das ESG-Thema Einzug gehalten. Während in den vergangenen Jahren nachhaltige High Yield Bonds kaum eine Rolle spielten, waren 2021 rund 15 Prozent der Bonds entweder ESG-linked (rund 7 Prozent) oder Green (rund 8 Prozent).
antonia.koegler[at]finance-magazin.de
Antonia Kögler ist Redakteurin bei FINANCE und Chefin vom Dienst bei DerTreasurer. Sie hat einen Magisterabschluss in Amerikanistik, Publizistik und Politik und absolvierte während ihres Studiums Auslandssemester in Madrid und Washington DC. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit Finanzierungsthemen und verfolgt alle Entwicklungen rund um Green Finance und Nachhaltigkeit in der Finanzabteilung.