Sie haben Mitte Dezember für die Dussmann Group eine neue Konzernfinanzierung abgeschlossen, nur wenige Monate vor dem Auslaufen der vorherigen Linie. Warum haben Sie sich so lange Zeit gelassen?
Wir hatten die Refinanzierung schon länger im Blick, doch im ersten Halbjahr 2021 war die Marktlage schwierig. Viele Banken wollten nur drei Jahre Laufzeit anbieten, unser Ziel waren aber mindestens fünf Jahre. Außerdem waren die Konditionen ungünstig. Wir haben daher zunächst abgewartet und im Spätsommer begonnen, unser Konsortium zusammenzustellen. Mitte Dezember stand dann die Finanzierung.
Gab es Anpassungen gegenüber der vorherigen Linie?
Wir haben erneut eine Revolving Credit Facility über 140 Millionen Euro abgeschlossen, die wir für Cash-Ziehungen und Avale nutzen können. Zuvor hatten wir zudem noch einen Term Loan über weitere 50 Millionen Euro, den wir heute nicht mehr brauchen. Der Revolver hat eine Laufzeit von fünf Jahren und kann zwei Mal um jeweils ein Jahr verlängert werden. Außerdem haben wir mit unserem Bankenkonsortium vereinbart, dass wir zu den Konditionen des Revolvers noch einmal einen dreistelligen Millionenbetrag nachziehen könnten, wenn beispielsweise eine attraktive M&A-Option zusätzliche Investitionen erfordern würde.
Als Familienunternehmen ist Dussmann bislang sehr zurückhaltend in der Finanzkommunikation. Können Sie trotzdem ein paar Details zu den Konditionen verraten?
Dussmann hat kein offizielles Rating, wir liegen aber in den internen Banken-Ratings durchgehend im Investmentgrade. In diesem Bereich sind derzeit für Revolver Kupons um die 100 Basispunkte üblich. Da bewegen wir uns auch. Wenn wir eine positive Nettoliquidität aufweisen – was zurzeit der Fall ist –, liegen wir bei den Basispunkten im oberen zweistelligen Bereich.
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Die Finanzierung
Die Dussmann Group hat eine revolvierende Kreditfazilität über 140 Millionen Euro abgeschlossen, die eine Laufzeit über fünf Jahre hat und zwei Mal um je ein Jahr verlängert werden kann. Gegenüber der vorherigen Linie wurde der Bankenkreis etwas verkleinert. Dabei sind Unicredit und Deutsche Bank als Lead Arranger sowie Helaba, NordLB, Berliner Sparkasse und DZ Bank.
Sie haben jetzt erstmals eine ESG-Komponente in die Verträge integriert. War das Ihre Idee oder kam die Anregung aus dem Bankenkreis?
Die ESG-Komponente war unser Wunsch. Wir wollen das Thema auch im Bewusstsein der Mitarbeiter stärker verankern. Die Nachhaltigkeitskennzahlen weltweit zu definieren und zusammenzutragen ist mühsam, und ich will nicht behaupten, dass wir schon zu 100 Prozent am Ziel sind. Aber wir haben uns auf den Weg gemacht, und eine Finanzierung mit ESG-Komponente ist ein weiterer Schritt auf diesem Weg. Unsere Banken haben die Idee direkt unterstützt.
Wie genau wirkt sich die ESG-Komponente auf die Finanzierung aus?
Wir haben ein konzernweites Nachhaltigkeitsrating von Ecovadis. Wenn sich dieses verbessert oder verschlechtert, gibt es bei der Finanzierung einen Auf- oder Abschlag im Bereich von etwa 2,5 Basispunkten. Eines war uns dabei wichtig: Etwaige Differenzbeträge zum Status quo sollen nicht an Dussmann oder an die Banken gehen. Diese wollen wir an eine gemeinnützige Organisation spenden, die sich für Nachhaltigkeitsthemen einsetzt.
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Dussmann Group
Die in Familieneigentum liegende Gruppe ist nach eigenen Angaben Deutschlands größter privater Multidienstleister und hat über 60.000 Mitarbeiter in 21 Ländern. Unter ihrem Dach sind die Bereiche Gebäudemanagement und Service, technischer Anlagenbau, Seniorenbetreuung und betriebsnahe Kindertagesstätten sowie ein Medienkaufhaus versammelt.
Zur Dussmann Group gehören so unterschiedliche Bereiche wie Gebäudemanagement, technischer Anlagenbau, Senioren- und Kinderbetreuungseinrichtungen und ein Medienkaufhaus. Wie plant man für ein so diverses Portfolio, insbesondere in Zeiten einer Pandemie?
Das war insbesondere im ersten Halbjahr 2020 extrem schwierig. Wir konnten kaum einschätzen, was die Pandemie für die verschiedenen Gewerke und Regionen bedeutet. Hilfreich war die umfassende Unterstützung durch viele Regierungen, etwa durch Kurzarbeitergeld. Das war für uns ein großer Hebel, allerdings war oft unklar, wie lange die Sonderregelungen gelten und unter welchen konkreten Rahmenbedingungen sie jeweils zur Verfügung gestellt werden.
Wie hat die Pandemie die Dussmann Group getroffen?
Unter dem Strich konnten wir aufgrund der Corona-Einflüsse im Jahr 2020 unser ambitioniertes Wachstumsziel von 5 Prozent jährlich zwar nicht erreichen, sind aber bislang sehr solide durch die Pandemie gekommen Der Umsatz lag 2020 bei knapp 2,08 Milliarden Euro, nach gut 2,13 Milliarden Euro im Vorjahr. Dabei hat die steigende Nachfrage nach Reinigungs- und Desinfektionsdienstleistungen wegbrechendes Geschäft etwa im Catering-Bereich in Teilen kompensiert.
Umsatz 2020 (in Millionen Euro)
Dussmann Group gesamt | 2.079 |
Dussmann Service | 1.362 |
Care & Kids | 459 |
Dussmann Technical Solutions | 233 |
Kulturkaufhaus | 25 |
Und wie sieht 2021 im Vergleich aus?
Unsere Basisprämisse am Anfang des vergangenen Jahres lautete: Die Pandemie wird enden. Leider war das zu optimistisch. Wir haben allerdings mehr Erfahrungswissen im Umgang mit der Pandemie. Daher gehen wir davon aus, dass die Geschäftszahlen für 2021 besser ausfallen werden als 2020 und wir voraussichtlich sogar das Vorkrisenniveau übertreffen.
Können Sie der Corona-Pandemie aus Sicht eines Finanzvorstands auch etwas Positives abgewinnen?
Unsere Planungszyklen werden kürzer, und wir sind flexibler geworden. Das ist eine gute Entwicklung. Außerdem freut es mich, dass bei vielen Kunden die Wertschätzung für unsere Dienstleistungen gestiegen ist, gerade im Facility Management: Reinigung war für manche Kunden in der Vergangenheit ein reiner Kostenfaktor. Heute sehen sie dies mit ganz anderen Augen.
„Reinigung war für manche Kunden in der Vergangenheit ein reiner Kostenfaktor. Heute sehen sie dies mit ganz anderen Augen.“
Dienstleistungen wie Reinigung oder Kantinenverpflegung leben allerdings davon, dass Menschen in Büros arbeiten. Vieles deutet aber darauf hin, dass in den meisten Unternehmen regelmäßige Home-Office-Tage zum Standard werden.
Diese Einschätzung teilen wir. Nicht jeder Mitarbeiter wird zukünftig immer im Büro sein, Betriebs-restaurants werden nicht mehr so stark frequentiert werden. Hier arbeiten wir an innovativen, an der neuen Arbeitswelt ausgerichteten Konzepten. Wir können trotzdem kaum unterstellen, dass dieses Geschäft wieder zu 100 Prozent auf die alte Auslastung hochfährt. Unsere Wachstumshoffnung liegt neben dem Ausbau der Gebäudetechnik auf dem Bereich Technischer Anlagenbau, den wir seit 2019 unter dem Namen Dussmann Technical Solutions aufbauen. Dieser macht heute rund 10 Prozent des Umsatzes aus. Perspektivisch soll der Konzernumsatz in Richtung 2,5 Milliarden Euro wachsen, und Dussmann Technical Solutions sollte davon rund ein Fünftel erzielen.
Vor Ihrem Amtsantritt hatte es bei der Dussmann Group sehr viele Managementwechsel in kurzer Zeit gegeben, auch weil es zu strategischen Unstimmigkeiten mit den Familiengesellschaftern gekommen war. Wie einig sind Sie sich nun bei den Zielen?
Nach dem großen Vorstandsumbau 2017, in dessen Zuge auch ich an Bord gekommen bin, haben wir für die Dussmann Group die Strategie „Next Level“ definiert, die klare Ziele für alle Unternehmensbereiche festlegt. Das beinhaltet auch Ideen, wo man organisch oder anorganisch wachsen könnte. Wir berichten als Vorstand an den Stiftungsrat, in dem auch die Eigentümerfamilie vertreten ist, dort werden alle strategischen Optionen entschieden. Mit der Strategie haben Vorstand und Stiftungsrat nun eine gemeinsame Linie, auf die sich alle verpflichtet haben. Auf dieser Basis können wir sehr sachlich diskutieren.
In welchen Bereichen sehen Sie denn besonderes Potential für anorganisches Wachstum über M&A?
Im Bereich Gebäudetechnik suchen wir in allen Regionen aktiv nach Verstärkung. Außerdem gibt es spannende Optionen im Bereich Anlagenbau, etwa in der Prozessautomation und Steuerungstechnik sowie der Mittel- und Niederspannungstechnik für Industriekunden. Der Markt für Kitas und Pflegeheime ist sehr fragmentiert, da schauen wir uns in Deutschland nach Ergänzungen um. Insgesamt liegt der Schwerpunkt für regionales Wachstum auf Europa.
Die Dussmann Group ist weltweit in 21 Ländern aktiv – haben Sie diese M&A-Märkte alle selbst im Blick?
Nein, wir geben gerade im Ausland viele Suchaufträge auch an M&A-Berater, die dann für uns potentielle Targets ansprechen. Die Rückmeldungen sind gut – viele Zielunternehmen sind selbst in Familienhand, da liegt ein Verkauf an Dussmann näher als etwa an Private Equity.
Wobei Private Equity derzeit mit großer finanzieller Firepower glänzt.
Das stimmt, und es zeigt sich auch in den Kaufpreisen. Private Equity hat die auch für Dussmann interessanten Märkte für Facility Management und Altenpflege für sich entdeckt. Dort steigen die Multiples zum Teil in Bereiche, die über dem liegen, was wir zu bezahlen bereit sind.
„Wir versuchen, zweistellige Multiples zu vermeiden.“
Wo liegt denn Ihre Schmerzgrenze?
Wir versuchen, zweistellige Multiples zu vermeiden. Wenn das Zehnfache des operativen Ergebnisses gezahlt wird, erfordert das eine Finanzakrobatik, die sich in einem auf Stabilität bedachten Familienunternehmen kaum vermitteln lässt.
Können Sie der Private-Equity-Konkurrenz außer dem Familiennamen etwas entgegensetzen?
Wir wollen große Bieterprozesse vermeiden und über proprietäre Zugänge zu Deals kommen. Dabei dauern die Verhandlungen mitunter viele Monate, manchmal sogar Jahre – der Zeitplan ist weniger starr. Unsere Märkte sind stark fragmentiert, da kann es für kleine Unternehmen auch Vorteile bringen, sich einem Konzern anzuschließen, der mehr Spielraum für Investitionen in Trendthemen wie Automatisierung hat.
Werden wir in diesem Jahr voraussichtlich noch M&A-Transaktionen von Ihnen sehen?
Wir haben im vergangenen Jahr drei Deals getätigt sowie einige Add-ons. In diesem Jahr ist unsere Pipeline ähnlich gut gefüllt. Ich kann mir gut vorstellen, dass der eine oder andere Abschluss gelingt.