Die Anleger der schwer angeschlagenen Airline Air Berlin verlieren offenbar das Vertrauen, dass der Konzern seine Schulden zurückzahlen kann. Die Kurse der Anleihen von Deutschlands zweitgrößter Fluggesellschaft sind in den vergangenen Tagen dramatisch eingegangen. Grund hierfür sind die sich konkretisierenden Berichte über eine bevorstehende Zerschlagung von Air Berlin.
Der insgesamt 225 Millionen Euro schweren Bond aus dem Jahr 2011, der mit 8,25 Prozent verzinst ist, notiert derzeit nur noch bei 84 Prozent. Vor einer Woche hatten diese zwischenzeitlich fast wieder bei Par notiert. Die Papiere werden 2018 fällig.
Eine Anleihe mit einem Volumen über 170 Millionen Euro (Kupon: 6,75 Prozent) steht nur noch bei 80 Prozent. Diese hatte in den vergangenen Wochen stets zwischen 90 und 95 Prozent notiert. Ein mit 5,625 Prozent verzinster Bond über 100 Millionen Schweizer Franken steht sogar nur noch bei 72 Prozent. Beide Anleihen muss Air Berlin in knapp drei Jahren zurückzahlen.
Steht Air Berlin vor der Zerschlagung?
Air Berlin befindet sich seit Jahren in einer schweren Krise. Besserung ist nicht in Sicht: Im ersten Halbjahr dieses Jahres erwirtschaftete die Airline einen Verlust vor Zinsen und Steuern (Ebit) in Höhe von 235 Millionen Euro. Das negative Eigenkapital türmt sich aktuell auf über 1 Milliarde Euro auf. Zudem hat sich Air Berlin im vergangenen Jahr beim Kerosin-Hedging verzockt und deshalb wesentlich mehr Geld für Treibstoff ausgeben müssen als die Konkurrenz.
Immer wieder muss der arabische Großaktionär Etihad, der 29,2 Prozent der Air-Berlin-Anteile hält, der angeschlagenen Fluggesellschaft finanziell unter die Arme greifen. Nach FINANCE-Berechnungen hat Etihad inzwischen rund 1 Milliarde Euro bei Air Berlin im Feuer.
Offenbar verliert Etihad jetzt die Geduld, denn in den vergangenen Tagen machten Gerüchte über eine Aufspaltung von Air Berlin die Runde. Diversen Medienberichten zufolge verhandeln die Araber darüber, Teile von Air Berlin mit Tui Fly zusammenzulegen und als Ferienfluggesellschaft zu führen.
Zudem überlegt die Deutsche Lufthansa, für ihre Tochter Eurowings 40 Flugzeuge von Air Berlin zu mieten. Die Ironie: Air Berlin besitzt seit Sommer keine eigenen Jets mehr, sondern least die Flugzeuge selber. Die Lufthansa will mit dem Deal wohl verhindern, dass die Strecken im Zuge einer Zerschlagung von Air Berlin an die Billigkonkurrenten Ryanair oder Easyjet gehen. Der Aufsichtsrat der Lufthansa will am heutigen Mittwoch über die Transaktion entscheiden.
Air-Berlin-CFO Dimitri Courtelis steht vor immensen Herausforderungen
Sollten beide Deals gelingen, würde Air Berlin nur noch 70 Strecken an den Kernstandorten Berlin und Düsseldorf anbieten und damit zu einem Anbieter von Zubringerflügen für Etihad nach Abu Dhabi schrumpfen. Die Gläubiger der Anleihen von Air Berlin haben nun offensichtlich Zweifel, dass eine derart zusammengestutzte Airline noch genügend Mittel erwirtschaften kann, um die hohen Kapitalmarktschulden zurückzuzahlen.
Nochmal unglücklicher für Air Berlin ist, dass ausgerechnet in dieser turbulenten Zeit der CFO wechselt: Arnd Schwierholz tritt in diesen Tagen seine neue Position als Finanzchef des Fernreiseanbieters Flixbus an. Den Markt wieder zu beruhigen und die nötigen Gelder für die anstehenden Tilgungen aufzubringen, wird in den Aufgabenbereich von Neu-CFO Dimitri Courtelis fallen. Der 35-Jährige verantwortet erst seit Mitte September die Finanzen von Air Berlin. Schwerer könnte sein Start kaum sein.
Info
Alles Wichtige über die schwierige Finanzlage von Deutschlands zweitgrößter Airline finden Sie auf der FINANCE-Themenseite Air Berlin.
Jakob Eich ist Redakteur der Fachzeitungen FINANCE und DerTreasurer des Fachverlags F.A.Z Business Media, bei dem er auch sein Volontariat absolviert hat. Eich ist spezialisiert auf die Themen Digitalisierung im Finanzbereich und Treasury. Durch seine Zwischenstation bei der Schwesterpublikation „Der Neue Kämmerer“ ist der 1988 geborene Journalist auch versiert beim Thema Kommunalfinanzen. Erste journalistische Erfahrungen hat der gebürtige Schleswig-Holsteiner in den Wirtschaftsmedien von Gruner+Jahr sowie in der Sportredaktion der Hamburger Morgenpost gesammelt.