Eigentlich wollte der Milchproduzent Ekosem Agrar an die Börse gehen, doch daraus wird vorerst nichts. Stattdessen will Finanzchef Wolfgang Bläsi eine neue Mittelstandsanleihe begeben. „Das Marktumfeld in Russland war im September vergangenen Jahres wegen der verhängten US-Sanktionen gegen Russland nicht das beste“, begründet Bläsi den IPO-Rückzieher. Durch die türkische Lira-Krise seien zudem Unternehmen aus den Emerging Markets in Sippenhaft genommen worden.
Mit einem Börsengang von Ekosem sei deshalb zumindest in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen. Er bleibe aber weiterhin eine Option. Stattdessen führt Ekosem nach Angaben Bläsis nun „lose Gespräche mit strategischen Investoren“. Vollzug zu möglichen privaten Eigenkapitalspritzen kann der im vergangenen Jahr zurückgekehrte CFO allerdings noch nicht vermelden.
Ekosem Agrar will dritten Bond begeben
Stattdessen setzt Ekosem Agrar für die nächste Finanzierungsrunde nun erneut auf den Bond-Markt und will eine neue Mittelstandsanleihe über 100 Millionen Euro platzieren. Mit dem Geld soll die bestehende, 2021 fällig werdende Anleihe im Wert von 50 Millionen Euro teilweise refinanziert werden. Mit der zweiten Hälfte der frischen Mittel will das Unternehmen noch mehr Agrarbetriebe und landwirtschaftliche Flächen in Russland ankaufen. Aktuell besitzt Ekosem schon eine landwirtschaftliche Nutzfläche im Ausmaß von über 550.000 Hektar. Das komplette Saarland würde mehr als zweimal in die Ekosem-Claims hineinpassen.
Das neue Papier ist mit 7,50 Prozent verzinst und damit für Ekosem deutlich günstiger als die aktuelle Anleihe, deren Kupon 8,75 Prozent beträgt. Bestehenden Bondholdern wird als Ausgleich eine Umtauschprämie von 25 Euro je Anleihe geboten.
Die geplante Laufzeit der neuen Anleihe beträgt fünf Jahre. Daneben hat Ekosem gegenwärtig noch eine weitere Anleihe über 78 Millionen Euro ausstehen. Diese ist mit 8,5 Prozent verzinst und läuft noch bis Ende 2022.
FINANCE-Köpfe
Beide Bonds musste Ekosem 2016 verlängern, da das Unternehmen damals schwer unter der Rubel-Krise in Russland litt und die beiden Anleihen zum eigentlich Fälligkeitstermin nicht zurückzahlen konnte. Inzwischen notieren beide Papiere aber wieder bei über 100 Prozent ihres Ausgabekurses.
Ekosem Agrars aggressive Wachstumsstrategie
Das Ziel der neuen Anleihe ist es, den Finanzierungsmix von Ekosem wieder zu verbreitern, wie Bläsi im Gespräch mit FINANCE verriet: „Früher machten die Anleihen die Hälfte unseres Fremdkapitals aus. Heute sind es weniger als 20 Prozent.“ Den vor wenigen Tagen veröffentlichten Zahlen für das Geschäftsjahr 2018 zufolge sind die Finanzverbindlichkeiten von Ekosem zum Jahresende auf rund 808 Millionen Euro angestiegen. Der Großteil davon entfällt inzwischen auf staatlich subventionierte Investitionskredite russischer Banken. Für diese bezahlt Bläsi auf Rubelbasis nach eigener Aussage im Schnitt nur noch Zinsen von 2,5 Prozent – ein Bruchteil der Anleihezinsen.
„Früher machten die Anleihen die Hälfte unseres Fremdkapitals aus. Heute sind es weniger als 20 Prozent.“
Diese Kreditsubventionen nutzt Ekosem derzeit, um die Liquidität massiv zu stärken und durch Übernahmen von Betrieben die Rohmilchproduktion nach oben zu treiben. Die Milchkuhherde soll bis Jahresende die Marke von 100.000 Tieren übersteigen, fast 40.000 mehr als zum Jahresende 2018. Für 2019 rechnet Ekosem deshalb mit Umsätzen zwischen 380 bis 410 Millionen Euro. „Ekosem ist heute gemessen am Milchumsatz zehn Mal so groß wie 2012“, beschreibt Bläsi das enorme Wachstum der zurückliegenden Jahre. 2012 debütierte der Konzern auch am Mini-Bond-Markt, was zeigt, wie intensiv der Kapitalmarkt zum Unternehmenswachstum beigetragen hat.
Seit diesem Jahr baut und kauft Ekosem zudem eigene Molkereien. Mit Milch- und Joghurtprodukten ist Ekosem in russischen Supermärkten präsent und damit nah an die Endkunden herangerückt. Diesen Teil der Wertschöpfungskette deckte das Unternehmen früher nicht ab.
Das aggressive Wachstum schlägt sich auch positiv in den Geschäftszahlen nieder. 2018 ist der Umsatz gegenüber dem Vorjahr um 40 Prozent auf rund 245 Millionen Euro gestiegen. Der bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) wuchs um 67 Prozent auf 116,1 Millionen Euro, was einer Gewinnmarge von 31 Prozent entspricht. Das ist ein enorm hoher Wert für einen Agrarbetrieb. Trotzdem beläuft sich der Financial Leverage per Ende 2018 auf nahezu 7x Ebitda. Die Eigenkapitalquote beträgt magere 12,9 Prozent.
„Ekosem ist heute zehn Mal so groß wie 2012.“
Schulden machen Wolfgang Bläsi keine Sorgen
Trotz dieser angespannten Bilanzkennzahlen ist ein Ende des aggressiven Wachstumskurses kurzfristig nicht in Sicht, liegt der Fokus russischer Agrarsubventionen laut Bläsi doch seit 2017 vor allem auf der Milchproduktion. „So lange es die Subventionen gibt, ist es für uns sinnvoll, den Markt zu konsolidieren“, meint der Finanzchef. Er verspricht aber auch: Enden die Subventionen, ist es auch mit dem aggressiven Wachstum von Ekosem vorbei. Bläsi schätzt, dass dies in rund zwei bis drei Jahren der Fall sein könnte.
„So lange es die Subventionen gibt, ist es für uns sinnvoll, den Markt zu konsolidieren.“
Dann will er den Fuß vom Gas nehmen und die Bilanz verbessern, was sein CEO Stefan Dürr den Bondholdern allerdings auch schon vor sowie bei der krisenbedingten Verlängerung der beiden Anleihen versprochen hatte. „Wenn unser Wachstumstempo sinkt, bleibt auch unser Working Capital stabil“, verspricht Bläsi. Derzeit konsumiert der Working-Capital-Aufbau aber noch praktisch den gesamten Cashflow, räumt der Finanzchef ein. Ändere sich dies, hätte Ekosem auch genug Cash für den Abbau der Verschuldung übrig, verspricht Bläsi.
Der Schuldenberg bereitet dem Finanzchef eigenen Aussagen zufolge ohnehin nicht allzu große Sorgen. Auch die regelmäßigen Covenant-Brüche bei den finanzierenden russischen Banken bringen Bläsi nicht aus der Ruhe. Im aktuellen Geschäftsbericht weist Ekosem wieder auf einen Covenant Breech hin. „Bisher haben uns die Banken aber noch nicht sanktioniert – und ich gehe davon aus, dass sie das auch in Zukunft nicht tun werden“, ist sich Bläsi sicher.
Info
Mehr über die ungewöhnliche Vita des Russland zugeneigten Finanzchefs mit süddeutschen Wurzeln erfahren Sie im FINANCE-Köpfe-Profil von Wolfgang Bläsi.