Der nächste Wackelkandidat am Markt für Mittelstandsanleihen ist gekippt: Der deutsch-russische Landmaschinenhändler Ekotechnika kapituliert angesichts eines Schuldenbergs von über 60 Millionen Euro aus einer in Stuttgart notierten Mittelstandsanleihe und will den Schlüssel an die Gläubiger abgeben. Ekotechnika-CFO Wolfgang Bläsi, auch Finanzchef der größeren Schwestergesellschfat Ekosem Agrar, bietet den Bondgläubigern an, ihre Forderungen im Nennwert von je 1.000 Euro zu einem Umtauschverhältnis von rund 1:25 in neue Aktien zu tauschen.
Am Ende sollen die Bondgläubiger 1,54 Millionen Ekotechnika-Aktien kontrollieren. In einem zweiten Schritt will der bisherige Ekotechnika-Mehrheitsaktionär, der deutsch-russische Landwirtschaftsunternehmer Stephan Dürr, 1,52 Millionen weitere neue Aktien zum Preis von je 2Euro das Stück zeichnen. Dann würden Dürr und die Bondholder jeweils rund die Hälfte von Ekotechnika kontrollieren. Zudem soll der Deutsche, der seit dem vergangenen Jahr auch die russische Staatsbürgerschaft besitzt, kurzfristig in die Geschäftsführung zurückkehren.
Recovery-Quote von 5 Prozent – oder doch etwas mehr?
Bitter für die Bondholder ist der Recovery-Wert, der sich für sie aus der Wertindikation für die neuen Anteile errechnet, die die Kapitalspritze von Dürr liefert: Rund 50 Euro für eine Anleihe im Nennwert von 1.000 Euro – eine Recovery-Quote von 5 Prozent. Allerdings liegen FINANCE Hinweise vor, wonach das Abfindungsangebot für die Gläubiger, die ihre Anleihen nicht in Aktien tauschen wollen, etwas höher als bei 5 Euro je Bondanteil liegen könnte.
Als gemeinsamer Vertreter der Anleihegläubiger wurde die Beratungsfirma One Square Advisors des bekannten Münchener Bondrestrukturierers Frank Günther vorgeschlagen. Eine erste Gläubigerversammlung soll Ende März/Anfang April stattfinden.
Ekotechnika schwer von der Russland-Krise getroffen
Die Mittelstandsanleihe wurde 2013 begeben und sollte ursprünglich bis 2018 laufen. Doch das Ekotechnika-Geschäft wurde so hart von den Russland-Sanktionen getroffen, dass sich ein Zahlungsausfall schon länger abzeichnete: Seit dem vergangenen Sommer bröckelte das Papier, das mit üppigen 9,75 Prozent verzinst wurde, von Kursen um 90 auf unter 25 Prozent ab.
Ekotechnika importiert westliche Landmaschinen nach Russland und verkauft sie dann an russische Landwirte. Der erhebliche Verfall des Rubels und die schwere Wirtschaftskrise in Russland schaden dem Unternehmen gleich zweierlei: Zum einen haben sich die Maschinen für die russischen Kunden massiv verteuert, zum anderen erschwert die schwierige wirtschaftliche Lage diesen die Investition in neue Maschinen. Erst in der vergangenen Woche hatte daraufhin die Ratingagentur Creditreform die Bonität von Ekotechnika von CCC auf CC herabgestuft.
Nach vorläufigen Zahlen, die Ekotechnika heute Mittag herausgab, sank der Umsatz im abgelaufenen Geschäftsjahr 2013/13 (30.9.) um 18,8 Prozent auf 172,5 Millionen Euro. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) fiel um 77,5 Prozent auf 3,8 Millionen Euro. Verantworltich dafür sind laut Ekotechnika Firmenwertabschreibungen in Höhe von 10,5 Millionen Euro. Der Wertverfall des Rubels ließ das Konzerneigekapital auf minus 20,8 Millionen Euro abstürzen. Die Zahlen wurden unter der Prämisse einer Unternehmensfortführung nach IDW S6 erstellt. "Sollte eine Unternehmenfortführung nicht möglich sein, können sich die genannten Zahlen noch deutlich verändern", warnte das Unternehmen.
Was wird aus den Bonds von Ekosem Agrar?
Der Default von Ekotechnika lässt auch die Sorgen um Ekosem Agrar wieder wachsen, wenngleich die Unternehmen bereits seit ein paar Jahren voneinander entflochten sind. Das Unternehmen wird ebenfalls von Dürr und Bläsi geführt, leidet aber nicht so stark wie Ekotechnika unter dem Rubel-Verfall, da das gesamte Geschäft in Russland stattfindet. Zudem entwickeln sich die Preise des Hauptprodukts Milch laut früheren Aussagen von Bläsi tendenziell nach oben, wenn der Rubel-Kurs fällt, was die Gewinne zumindest auf Rubel-Basis wachsen lässt.
Um den Sorgen der Anleger nach der Ekotechnika-Krise zu begegnen, legte Ekosem heute Morgen unangekündigt erste vorläufige Zahlen zum abgelaufenen Geschäftsjahr vor. Demnach ist der Jahresüberschuss von 2,1 auf über 10 Millionen Euro gestiegen. Ein „starkes operatives Geschäft“ habe „negative Währungseffekte, insbesondere auf der Finanzierungsseite“ überkompensiert. „Die Währungseinflüsse durch die massive Abwertung des Rubels und der Anstieg der Finanzierungskosten sind bei Ekosem Agrar zwar ebenfalls spürbar, fallen jedoch deutlich geringer aus als bei Ekotechnika“, schreibt das Unternehmen.
Ekosem Agrar prüft Eigenkapitalstärkung
Doch auch bei Ekosem Agrar hinterlassen die hohen Fremdwährungsschulden Spuren. Das Unternehmen hat in Deutschland zwei Mittelstandsanleihen im Volumen von insgesamt 128 Millionen Euro ausgegeben. Die erste davon wird im März 2017 fällig.
Laut der heute präsentierten Zahlen ist die Eigenkapitalquote von Ekosem im abgelaufenen Geschäftsjahr auf rund 15 Prozent gesunken. Ende des Vorjahres hatte sie noch 21,5 Prozent betragen. Bereits im Herbst hatte Ekosem-Agrar-CFO Wolfgang Bläsi bei FINANCE-TV laut über eine Stärkung des Eigenkapitals nachgedacht. Dabei käme auch ein Börsengang in Frankfurt in Betracht. Zudem verweist Ekosem auf den Rückhalt des russischen Staates, der den Agrarkonzern seit Februar diesen Jahres zu den 199 strategisch wichtigen Unternehmen des Landes rechnet, das unter einer chronischen inländischen Unterproduktion von Milch leidet.
Den Markt scheinen Ekosems vorläufige Zahlen überzeugt zu haben: Waren die beiden Ekosem-Anleihen im frühen Handel im Sog der nicht unerwarteten Hiobsbotschaft von Ekotechnika noch unter Druck geraten, konnten sie nach Vorlage den vorläufigen Zahlen ins Plus drehen. Beide Papiere notieren zwischen 83 und 88 Prozent vom Nennwert.
Info
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