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Frisches Geld: Online-Auktionen für CFOs

RWE versteigert eins der größten Landfahrzeuge der Welt bei Dechow.
Auktionshaus Wilhelm Dechow GmbH

Liquidität – das Leidensthema in der Coronakrise schlechthin. Lahmgelegte Produktionen und gelähmte Verbraucher haben bei vielen Unternehmen für leere Kassen gesorgt, und die jetzt einsetzende Erholung sorgt erneut für Liquiditätsbedarf. Diesen zu decken, dafür gibt es viele klassische Wege – und einen ungewöhnlichen, den man eher aus dem privaten Bereich kennt: die Versteigerung von Gütern über eine Online-Auktionsplattform.

Maschinen, Anlagen, Geräte: Alles, was in den guten Zeiten unbeachtet im Lager und der Produktion herumstand, haben offenbar einige CFOs in den zurückliegenden Monaten im Stile eines Frühjahrsputzes unter die Lupe genommen – und dann auch gehandelt. „Die freigewordene Zeit der Mitarbeiter haben viele Unternehmen genutzt, um den Wert alter Maschinen zu Geld zu machen“, berichtet Ron Alexander, Geschäftsführer des Hamburger Online-Auktionshauses Dechow.

„Die freigewordene Zeit der Mitarbeiter haben viele Unternehmen genutzt, um den Wert alter Maschinen zu Geld zu machen.“

Ron Alexander, Geschäftsführer bei Dechow

Seit dem Frühjahr steigen bei Dechow die Zahlen der Verkaufsobjekte und Kaufinteressenten. Dabei geht es nicht etwa um seltene oder ausgefallene Objekte, sondern um handelsübliche, gewerbliche Güter wie eine Universal-Fräs- und Bohrmaschine oder Solarmodule.

Die Online-Auktion einer Achsen-Drahtschneide-Maschine

Das bereits 1904 gegründete Auktionshaus, das im Bereich der Haushaltsauflösungen angefangen hat, gehört inzwischen zur Unternehmensgruppe TB Auctions, die für ganz Europa Online-Auktionen veranstaltet. Dechow ist der Ansprechpartner für Industrie, Banken, Leasinggesellschaften und Insolvenzverwalter in Deutschland. Auch Private Equity-Unternehmen zählen zu den Kunden. Im vergangenen Jahr wurden in der Gruppe in mehr als 2.000 Versteigerungen Zuschläge in Höhe von 350 Millionen Euro erteilt. Die Auktionen kommen entweder freiwillig zustande oder in der Folge von Insolvenzen.

Dechow versteigerte das Air Berlin-Inventar

Das wohl bekannteste Insolvenzprojekt setzte Dechow mit Deutschlands damals zweitgrößter Airline, der Air Berlin, 2018 um. Lediglich 2 Prozent der angebotenen Lose erhielten keinen Zuschlag. Das Interesse an einem Stück Luftfahrtgeschichte überraschte die Versteigerer, erinnert sich Ron Alexander: „Für uns waren die Flugzeugersatzteile spannend, doch auch einfache Rollcontainer kamen mit hohen Geboten unter den Hammer.“ 100 Air Berlin-Schokoherzen kosteten in der Auktion 352 Euro – zuzüglich 15 Prozent Aufgeld für den Versteigerer und 19 Prozent Mehrwertsteuer. Auch bei der Versteigerung des Inventars der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 war all das heiß begehrt, was ein Logo des deutschen Sommermärchens trug.

„Die freiwilligen Verwertungen durch Auktionen verzeichneten schon vor der Coronakrise einen großen Zuwachs.“

Ron Alexander, Geschäftsführer bei Dechow

Die Zahl der Insolvenzen in Deutschland ist seit 2010 aber um knapp 44 Prozent gesunken. Deshalb haben die Hamburger ihr zweites Standbein verstärkt, das jetzt in Folge der Coronakrise erblüht: „Die freiwilligen Verwertungen durch Auktionen verzeichneten schon vor der Coronakrise einen großen Zuwachs.“

Ganz anders das insolvenznahe Geschäft: Wegen der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht verzeichnet Dechow dort in diesem Jahr Einbrüche um 60 Prozent. In Summe heben sich beide Effekte aber auf. In den ersten acht Monaten veranstalteten die Hamburger online so viele Auktionen wie im gesamten vergangenen Jahr mit Zuschlägen in Höhe von 220 Millionen Euro.

RWE versteigert riesigen Tagebau-Bagger

Ein Geschäft, das in den nächsten Quartalen weiter anziehen könnte, ist das mit Werkschließungen. So wird Dechow aufgrund der Werkschließung des Technologiekonzerns Fujitsu in Augsburg dessen Inventar versteigern, damit anschließend das Gelände veräußert werden kann.

Ein noch bekannterer Konzern nutzt eine Online-Auktion für ein spektakulär seltenes Objekt: RWE trennt sich von einem 3.500 Tonnen schweren und 38 Meter hohen Schaufelbagger aus dem Kohletagebau. Es ist eins der größten Landfahrzeuge der Welt. 45 Gebote liegen für den von Krupp gebauten Koloss bereits vor. Ein Auktionsobjekt mit Zukunft, werden im Zuge des Kohleausstiegs doch noch viele weitere, teils sogar noch größere Bagger verwertet werden müssen. 

Was Online-Auktionen CFOs bringen

Was aber sind nun genau die Vorteile einer Online-Versteigerung im Vergleich zu herkömmlichen Verwertungswegen? Dechow-Geschäftsführer Alexander nennt als einen Grund, dass der zu verkaufende Gegenstand einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird: „Wenn ein Asset-Manager oder Finanzer bei solchen Verkäufen nur auf sein eigenes Netzwerk oder ein paar bekannte Händler zurückgreift, erzielt er nicht unbedingt den höchstmöglichen Verkaufspreis.“

Die Dynamik in einer Auktion könne zudem dazu führen, dass sich die Kaufinteressenten gegenseitig überbieten, mit positiven Folgen für den Verkäufer: „Dass zum Beispiel eine Produktionslinie für 1,2 Millionen Euro auf einer Online-Plattform weggeht, haben wir so anfangs selber nicht erwartet“, erzählt Alexander. Für viele CFOs wäre das eine signifikante Summe.

„Dass zum Beispiel eine Produktionslinie für 1,2 Millionen Euro auf einer Online-Plattform weggeht, haben wir so anfangs selber nicht erwartet.“ 

Ron Alexander, Geschäftsführer bei Dechow

Und gerade bei Gütern mit einem solch hohen Wert gilt es, auch Compliance-Aspekte zu beachten. „Der verantwortliche Manager kann dann auf einfachem Wege darlegen, dass man an diesem bestimmten Tag das Objekt zum bestmöglichen Preis vermarktet hat“, erklärt Alexander.

gesine.wagner[at]finance-magazin.de