Die schwer angeschlagene Reederei Rickmers ist pleite. Wie die Hamburger gestern Abend via Ad-hoc-Nachricht mitteilten, hat die HSH Nordbank das geplante Sanierungskonzept im letzten Moment vor der heute anstehenden Gläubigerversammlung gekippt.
Die HSH Nordbank habe nach Aussagen von Rickmers „sehr überraschend“ und „ohne weitere Verhandlungsbereitschaft“ die Kreditanträge der Rickmers-Gruppe abgelehnt. Am 19. April hatte sich das Rickmers-Management um CFO Mark-Ken Erdmann mit seinen Banken auf ein Sanierungskonzept geeinigt, über das die Gläubiger der 275 Millionen Euro schweren Mittelstandsanleihe am heutigen Donnerstag hätten abstimmen sollen.
Der Plan stand jedoch unter Gremiumvorbehalt, und der Vorstand der HSH hat davon nun Gebrauch geacht. Rickmers hatte im Vorfeld deutlich gemacht, dass ohne die Restrukturierung die Insolvenz droht. Rickmers will jetzt den Geschäftsbetrieb aufrechterhalten und strebt eine Sanierung in Eigenverwaltung an. Darüber muss aber zunächst noch das zuständige Gericht entscheiden.
HSH erwartet keine großen neuen Verluste aus Rickmers-Pleite
Die HSH ist der größte Gläubiger der Reederei, die zuletzt insgesamt fast 1,6 Milliarden Euro an Finanzverbindlichkeiten auswies. Im geplanten Sanierungskonzept hätten der HSH Nordbank aus einem geplanten Verkauf des Unternehmens 75 Millionen US-Dollar zufließen sollen. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ beziffert das Engagement der Landesbank bei Rickmers auf eine dreiviertel Milliarde Euro, rund zwei Drittel davon hatten die Hamburger bis 2020 beziehungsweise 2021 verlängert und Bereitschaft zu einem Forderungsverzicht signalisiert. Ein Sprecher der HSH Nordbank ließ erkennen, dass die Bank keine größeren neuen Belastungen aus der Rickmers-Pleite erwartet. Die Bank hatte schon im Vorjahr rund 2 Milliarden Euro Kreditvorsorge gebildet, in erster Linie auf faule Schiffskredite.
Für Rickmers ist das überraschende Veto der HSH bitter. Wie die Reederei mitteilte, haben sich für die heutige Anleihegläubigerversammlung rund 37 Prozent des Nominalvolumens der Anleihe angemeldet. Damit wäre die Versammlung beschlussfähig – und sie hätte wohl für den Restrukturierungsplan gestimmt, suggeriert Rickmers: „Nach derzeitigem Stand zeichnet sich eine hohe Zustimmungsquote zu dem Sanierungskonzept ab.“ Stattdessen wird heute wohl nur ein gemeinsamer Vertreter für die Bondholder gewählt werden. Ein unbekannter Investor hatte im Vorfeld angekündigt, 10 Prozent der Rickmers-Anleihe aufzukaufen, um das notwendige Quorum leichter zu erreichen.
Recovery-Rate von Rickmers bestenfalls bei 6,7 Prozent
Die Insolvenz ist für Rickmers der Tiefpunkt einer langanhaltenden Krise. Ausgelöst durch das widrige Marktumfeld in der Schifffahrtsbranche und sinkende Charterraten für Containerschiffe geriet Rickmers mehr und mehr in Schwierigkeiten. Verschiedene Sanierungsmaßnahmen wie der geplante Börsengang scheiterten.
Die Bondholder stehen nun vor einem Scherbenhaufen. Im Vorfeld der Gläubigerversammlung hatte Rickmers ein Sanierungsgutachten erstellen lassen, das den Bondholdern bei einer Insolvenz im besten Fall eine Wertaufholung von 6,7 Prozent zugesprochen hatte. Rickmers warb um die Stimmen der Bondholder mit der Projektion, dass sie im Rahmen des Sanierungsplans bis zu 30 Prozent ihres Einsatzes zurückbekommen könnten.
Die Gläubigerstruktur bei Rickmers ist komplex. Neben den Bondholdern und der HSH Nordbank haben vier weitere Banken Gelder im Feuer: Unicredit, NordLB, DNB und Deutsche Bank. Hinzu kommen noch Kredite zweier asiatischen Schiffswerften sowie Sale-and-Leaseback-Verbindlichkeiten. Auf die Anleiheverbindlichkeiten entfallen rund 17 Prozent der gesamten Finanzschulden.
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Die HSH Nordbank lässt die Krise bei der Hamburger Reederei eskalieren. Verfolgen Sie den kompletten Krisenverlauf mit der FINANCE-Themenseite zu Rickmers. Mehr Informationen über Rickmers-CFO Mark-Ken Erdmann erhalten Sie auf seinem Profil bei FINANCE-Köpfe.