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Diese CFOs stehen unter Druck

Vollbesuchte Konzerte konnte Eventim schon länger nicht mehr ausrichten. Kann CFO Andreas Grandinger das Unternehmen aus der Krise holen?
Eventim

Vollbesuchte Konzertsäle und ausverkaufte Shows – so hatte sich Andreas Grandinger sein erstes Jahr als Finanzchef von CTS Eventim vorgestellt. Doch es kam ganz anders, als der Endvierziger seinen Job im April 2020, mitten im ersten Corona-Lockdown, antrat. Durch die Pandemie durften zeitweise keine oder nur wenig besuchte Veranstaltungen stattfinden, das Kerngeschäft des Ticketverkäufers stand vor dem Abgrund.

Um fast 80 Prozent auf 229 Millionen Euro ging der Umsatz laut den aktuellsten Neunmonatszahlen 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurück. Wo 2019 noch ein Gewinn von rund 134 Millionen Euro zu Buche stand, zeigte sich nach September 2020 ein Verlust vor Zinsen und Steuern von 61 Millionen Euro. Rauer hätte der Start für den neuen Finanzchef kaum ausfallen können.

Andreas Grandinger steht vor nächstem Finanzierungsakt

Neu-CFO Grandinger musste dringend auf die Kostenbremse drücken, wobei ihm seine über zehnjährige CFO-Erfahrung geholfen hat. Er leitete von 2013 bis 2019 die Finanzen des Onlinehändlers für Heimtierbedarf Zooplus. Besonders die Zeit bei der Douglas Holding, wo er über zehn Jahre in verschiedenen Finanzfunktionen arbeitete, war hilfreich. Dort war er an der Restrukturierung von mehreren internationalen Tochtergesellschaften der Holding des Parfümhändlers beteiligt, der selbst zu kämpfen hat. Zudem begleitete er eine Reihe von M&A-Deals, die den Douglas-Gesellschaften aus der Krise helfen sollten.

Den Schritt mit den Akquisitionen versucht Grandinger auch jetzt wieder. Um die Umsätze wieder anzukurbeln, hat der MDax-Konzern jüngst ein Joint Venture mit der israelischen Zappa-Gruppe gegründet. Israel ist im Gegensatz zu Deutschland deutlich weiter mit dem Impfen, deshalb könnten dort, so die Hoffnung, wieder schneller Events stattfinden. Die Zappa-Gruppe soll laut Eventim der größte Eventveranstalter in Israel sein.

Grandinger, der eher als ruhige CFO-Persönlichkeit bekannt ist, ist das aber nicht genug. Zusätzlich hat er einen Sparkurs eingeschlagen, der eine Entlastung in zweistelliger Millionenhöhe gebracht hat und die Investitionen in den vergangenen Monaten auf ein Minimum reduziert. Die Liquidität lag Ende September bei 800 Millionen Euro. Doch das geschaffene Polster kann auch schnell wieder verpuffen. Wie lange Eventim noch auf Sparflamme laufen muss, ist unklar, denn größere Events sind erstmal nicht in Sicht. Schwieriger macht die Lage noch, dass im April eine revolvierende Kreditfazilität über 200 Millionen Euro fällig wird und die Covenants wegen Corona nur noch bis Ende Juni ausgesetzt sind. So droht Grandinger genau nach seinem ersten Dienstjahr der nächste heikle Finanzakt.

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Andreas Grandinger, CTS Eventim AG & Co. KGaA

Begonnen hat Andreas Grandinger seine berufliche Laufbahn im Jahr 1996 bei Bertelsmann Buch in München als Junior Consultant im Bereich Corporate Development & Controlling. Nach zweijähriger Tätigkeit wechselt er zu Stern Stewart & Co. Management Consultants und baut als Co-Founder und Partner die auf Wertemanagement spezialisierte Unternehmensberatung auf.
 
Seit 2003 ist Grandinger für den MDAX-gelisteten Einzelhändler Douglas Holding in Hagen tätig. Als Prokurist und Bereichsleiter Konzernentwicklung ist er für Konzernentwicklung, Konzerncontrolling, M&A, interne Beratung und IT-Strategie zuständig. Ab 2008 ist er dann zunächst CFO der internationalen Division der Parfümeriesparte und zuletzt CFO der gesamten Parfümerieaktivitäten des Douglas-Konzerns bei der Parfümerie Douglas mit einem Umsatzvolumen von über 2 Milliarden Euro.

Von Oktober 2013 bis Dezember 2019 ist Andreas Grandinger CFO des Onlinehändlers für Heimtierbedarf Zooplus mit Sitz in München. Seine Aufgaben umfassen dort die Bereiche Finanzen, Controlling, Investor Relations und Recht des SDAX-Unternehmens. Mitte März gibt der Konzertveranstalter und Ticketverkäufer CTS Eventim bekannt, dass Grandinger ab Mitte April neuer Finanzvorstand des Unternehmens wird.

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Klaus Keysberg muss ThyssenKrupp-Sparte sanieren

Ähnlich wie Grandinger ging es auch Klaus Keysberg, der im selben Monat wie der Eventim-CFO die Finanzen des angeschlagenen Konzerns ThyssenKrupp übernahm. Anders als bei Eventim kriselte es jedoch schon lange bei dem Traditionsunternehmen. Und im Gegensatz zu Grandinger wusste Keysberg, der bisher noch als Unbekannter in der Finanzwelt gilt, ganz genau, worauf er sich einließ: Er ist ein Eigengewächs von ThyssenKrupp und schon seit 1996 bei den Essenern. Seitdem war er unter anderem CFO der ThyssenKrupp-Bilstein-Gruppe und Finanzchef der Einheit „Industrial Services“.

Im Vorstand ist Keysberg schon länger aktiv: Er rückte im Oktober 2019 in die oberste Führungsliga auf und verantwortete unter anderem den Bereich Steel Europe. Gerade wegen dieser Sparte steht ThyssenKrupp unter Druck, denn sie schrieb lange rote Zahlen und sollte eventuell im Zuge einer Zerschlagung des Konzerns verkauft werden. Zunächst wurde ein Staatseinstieg erwogen, dann war auch der britische Wettbewerber Liberty Steel an dem Stahlgeschäft interessiert. Erste Verhandlungsgespräche soll es bereits im Herbst gegeben haben. Im Februar sagte ThyssenKrupp diese aber ab. „Wir haben die Tür für Verhandlungen aufgemacht, aber die Vorstellungen über Unternehmenswert und Struktur der Transaktion lagen am Ende doch weit auseinander. Wir haben uns daher entschieden, die Gespräche zu beenden“, sagte Finanzchef Keysberg. Nun muss ThyssenKrupp das Stahlgeschäft aus eigener Kraft weiterentwickeln.

Zwar hat der Traditionskonzern ThyssenKrupp im ersten Quartal schwarze Zahlen geschrieben, „über den Berg“ ist das Unternehmen laut Vorstandschefin Martina Merz aber nicht. Keysberg hat in nächster Zeit alle Hände voll zu tun und muss beweisen, dass die Essener das Stahlgeschäft auch aus eigener Hand wieder rentabel machen können. Eine Herausforderung für den CFO, der das Unternehmen zwar in- und auswendig kennt, aber bisher keine Restrukturierungserfahrung in anderen Unternehmen sammeln konnte.

Michael Frick muss sich auch als CEO beweisen

Deutlich schwerer als Keysberg hat es dagegen Michael Frick, CFO des Automobilzulieferers Mahle. Wie viele seiner Wettbewerber steckt der Stuttgarter Kolbenhersteller schon länger in der Krise und hat mit zurückgehenden Umsätzen und mehrmals gerissenen Prognosen zu kämpfen.

Das alles ist unter der Leitung von Michael Frick passiert, der seit 2003 bei Mahle arbeitet und 2011 zum CFO berufen wurde. Ab April soll er interimistisch für CEO Jörg Stratmann übernehmen. Seit 2018 muss er einen strikten Sparkurs fahren – der bisher eher in die falsche Richtung läuft. Im vergangenen Jahr ist der Umsatz nach vorläufigen Zahlen um währungsbereinigt 16 Prozent auf 9,8 Milliarden Euro gesunken. Gegenüber dem „Handelsblatt“ sagte Noch-Mahle-Chef Jörg Stratmann, dass das Ergebnis durch erfolgreiches Krisenmanagement operativ positiv, aber durch die „hohen Belastungen des intensivierten Konzernumbaus“ unterm Strich deutlich negativ ausgefallen sei.

Die Zahlen sind niederschmetternd – gerade für Frick, denn er arbeitet seit Jahren an einer Transformation des Unternehmens, das vor allem auf Verbrennungsmotoren wie Kolben spezialisiert ist. Corona brachte die Neuausrichtung aber ins Stocken, statt Transformation stand Liquiditätssicherung ganz oben auf Fricks Agenda. „Wir haben Kosten reduziert sowie Cash- und Liquiditätssicherungen getroffen. Dadurch konnten wir unser stabiles Finanzgerüst erhalten“, sagte Stratmann gegenüber dem „Handelsblatt“.

Mahle fährt strikten Sparkurs

Diesen Puffer braucht CFO Frick dringend, denn der Automobilmarkt erholt sich nicht so schnell. Der scheidende Chef Stratmann sieht weiterhin keine schnelle Erholung der Automobilmärkte. „Vor 2025 wird das Rekordniveau der Autoproduktion aus dem Jahr 2017 nicht wieder erreicht. Wir stellen uns zumindest mittelfristig auf sinkende Marktvolumen ein.“

Daneben machen sich Frick und seine Vorstandskollegen noch wegen eines anderen Themas unbeliebt. Der Konzern will vor allem am Personal sparen. In den vergangenen zwei Jahren mussten 7.400 Mitarbeiter bereits gehen, über weitere 7.600 Entlassungen wird derzeit noch verhandelt, wovon 2.000 Arbeitsplätze in Deutschland betroffen sind. Wenn Frick diesen Personalsparplan so weiterführen sollte, dann hat seit 2019 jeder fünfte Mahle-Beschäftigte seinen Job verloren. Ende 2020 zählte der Konzern weltweit 72.000 Mitarbeiter. Solch einen harten Personalabbauplan gab es bisher sehr selten. Das sorgte für viel Unruhe – das Traditionsunternehmen kassierte negative Schlagzeilen, und Arbeitnehmer und Gewerkschaften protestierten.

CFO Frank B. Jehle soll Benteler voranbringen

Mit den gleichen Branchenproblemen muss sich auch Benteler-CFO Frank B. Jehle auseinandersetzen. Allerdings ist Benteler schon einen Schritt weiter: Der Automobilzulieferer konnte sich zuletzt seine Finanzierung bis 2024 sichern. Der Meilenstein in der finanziellen Restrukturierung gelang Jehle wenige Monate nach seinem Amtsantritt. Kurz vor Weihnachten konnte sich Benteler mit seinem Bankenkreis auf einen Finanzierungsvertrag bis Ende 2024 einigen. Nähere Details gab der Zulieferer nicht bekannt. Benteler, das 2019 einen Umsatz von rund 7,7 Milliarden Euro erzielt hat, soll einen Schuldenberg von fast 2 Milliarden Euro angehäuft haben. Ein dreistelliger Millionenbetrag entfällt dabei auf schwer zu restrukturierende Schuldscheine. Der Konzern steckt seit zwei Jahren in einer Transformation.

Jehle, der im September 2020 als Finanzchef bei Benteler angefangen hat, muss jetzt zusammen mit Michael Baur die Restrukturierung voranbringen. Letzterer zog erst vor wenigen Wochen als Chief Restructuring Officer (CRO) in den Vorstand ein und soll den Automobilzulieferer auf die nächsten Schritte seiner Neuausrichtung begleiten. Dabei hilft Jehle seine mehrjährige Erfahrung – er kennt die Branche wie kaum jemand anderes. Der 53- Jährige war über zehn Jahre CFO des schwäbischen Autozulieferers Mann + Hummel und durchlebte bei dem Ludwigsburger Unternehmen auch die turbulente Phase nach der Lehman-Pleite. Dort hörte er 2015 auf, um als selbständiger Berater und für den Finanzinvestor Cranemere zu arbeiten. Auch davor war er in der Automobilindustrie tätig und arbeitete mehrere Jahre für den Autobauer Ford, am Ende als Finanzdirektor und Mitglied des Vorstands in der Region Benelux, Schweiz und Österreich.

Nun muss sich zeigen, ob Finanzchef Jehle gemeinsam mit CRO Michael Baur, der Managing Director der Restrukturierungsberatung Alix Partners ist, einen Weg findet, die anspruchsvolle operative Transformation fortzuführen. Gerade da beide neu bei Benteler sind, wird es spannend, wer sich mehr durchsetzen kann oder ob Teamarbeit angesagt ist. Jehle wolle sich „mit aller Kraft“ dafür einsetzen, das Unternehmen durch diese „herausfordernde Zeit“ zu leiten, lässt er sich zu seinem Dienstantritt im September zitieren. Unter strenger Beobachtung steht der CFO des Automobilzulieferers auf jeden Fall. Jehles Vorgänger, der langjährige Finanzchef Guido Huppertz, soll mitten in den Finanzierungsverhandlungen auf Druck der Gläubiger gegangen sein.

sarah.backhaus[at]finance-magazin.de

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Wollen Sie mehr über den Werdegang des Eventim-CFO Andreas Grandinger oder des CFO von Benteler Frank B. Jehle erfahren? Auf den FINANCE-Köpfe-Profilen der beiden CFOs finden Sie weitere Informationen.

Sarah Backhaus ist Redakteurin bei FINANCE und DerTreasurer. Sie hat Journalismus an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln studiert. Sarah Backhaus arbeitete während ihres Studiums unter anderem für Onlinemagazine von Gruner + Jahr und schrieb als freie Journalisten für die Handelszeitung, faz.net und Impulse.