In diesen Tagen feiert Dominik Asam sein Einjähriges: Nachdem er kurz zuvor den Chiphersteller Infineon verlassen hatte, trat er im April 2019 seine Position als CFO von Airbus an. Der Wechsel hatte Viele überrascht, hatte der 51-Jährige bis dato doch fast sein gesamtes Berufsleben als Berater oder Manager in der hoch volatilen Chipbranche verbracht.
Sollte hinter seinem Jobwechsel die Idee gestanden haben, dieser anstrengenden Branche den Rücken zu kehren, um es bei einem vermeintlich unerschütterlichen Riesenkonzern etwas ruhiger angehen zu lassen, hätte Asam mit Zitronen gehandelt.
Der Luftfahrt droht eine Katastrophe
Denn jetzt befindet er sich im Epizentrum einer gewaltigen Branchenkrise: Der weltweite Luftverkehr dürfte in diesem Jahr um 30 bis 40 Prozent einbrechen. Das ist ein nie da gewesenes Ausmaß. Selbst im Finanzkrisenjahr 2009 belief sich das Minus lediglich auf 4 Prozent.
Damit steht der Airbus-Kundschaft eine extreme Pleitewelle bevor. Der Airline-Verband IATA warnt, dass die Airlines weltweit frische Mittel in Höhe von 200 Milliarden US-Dollar bräuchten, um zu überleben – sei es in Form von Staatshilfen, Steuererleichterungen oder Notkrediten. Fest steht: Viele Airlines werden die Corona-Krise nicht überstehen, und die, die es tun, werden danach finanziell ausgezehrt sein.
Airbus zwingt das gleich an mehreren Fronten in den Katastrophenmodus: Produktion, Lieferkette, Finanzierung, Liquidität. Und in Asams Finanzabteilung laufen die Fäden zusammen.
CFO Asam muss die Lieferkette schützen
Thema Produktion und Lieferkette: Airbus hat die Fertigung neuer Jets bereits eingeschränkt und wird sie noch weiter zurückfahren. Weil die Kunden ihre Liquidität schonen müssen, ist zu erwarten, dass der Konzern sein Auslieferungsziel von 890 Jets in diesem Jahr weit verfehlen wird. Experten rechnen mit einem Einbruch von mindestens einem Drittel. Das schont freilich erst einmal die Kasse, entfallen doch über 75 Prozent der operativen Kosten von Airbus auf den Einkauf von Bauteilen und Material.
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Doch die Liefer- und Produktionskette hinter Airbus‘ Flugzeugproduktion ist kapitalintensiv und komplex. Der Konzern muss extrem aufpassen, nicht zu stark abzubremsen und damit die eigenen Zulieferer in finanzielle Bedrängnis zu bringen.
Bei den extrem angeschlagenen Abnehmern kann Asam ebenfalls kein hartes Working-Capital-Management aufziehen. Manche Fluggesellschaften sollen sogar schon Druck auf Airbus machen, die bereits geleisteten Anzahlungen wieder herauszurücken – die Flugzeughersteller gehören zu den wenigen Liquiditätsquellen, die Airline-CFOs in diesen Tagen noch anzapfen können. Aber ihren Kunden jetzt Geld zurückzuüberweisen, ist riskant. Am Ende könnten viele trotzdem die Segel streichen, und dann wäre das Geld vermutlich weg. Es ist eine extrem schwierige Abwägung für die Airbus-Führung.
Corona-Crash: Die Airbus-Aktie seit April 2019
Dominik Asam hat die Kassen gefüllt
Bei den klassischen CFO-Domänen Finanzierung und Liquidität hingegen hat Asam die Komplexität für Airbus dank einer beherzten Reaktion bereits deutlich reduzieren können: Schon wenige Tage nach der Eskalation der Coronavirus-Epidemie hat Asam Airbus Mitte März bei einer Gruppe von fünf Großbanken eine neue Kreditlinie in Höhe von 15 Milliarden Euro gesichert. Außerdem strich er die geplante Dividendenzahlung (1,4 Milliarden Euro) und stoppte eine Sonderdotierung des Airbus-Pensionsfonds (1,2 Milliarden Euro).
Das Ganze paart sich mit einer Net-Cash-Position von 12,5 Milliarden Euro und einer verfügbaren Gesamtliquidität von 25,7 Milliarden Euro, mit der Airbus das vergangene Geschäftsjahr beendete. Dank der schnell ergriffenen Finanzierungsmaßnahmen kann Airbus davon ausgehen, selbst bei erheblichen Produktionskürzungen und Cashflow-Belastungen das Krisenjahr 2020 noch mit einer Liquiditätsposition von klar über 20 Milliarden Euro beenden zu können. Die Net-Cash-Position dürfte nicht nennenswert unter die 10-Milliarden-Euro-Marke sinken.
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Dass die Kassen nicht noch besser gefüllt sein werden, liegt allein daran, dass Airbus noch 3,6 Milliarden Euro an mehrere Staaten für die Beilegung einer zurückliegenden Korruptionsaffäre bezahlen muss – und eine halbe Milliarde für die Aufstockung der Anteile am A220-Programm, aus dem sich Bombardier zurückzieht.
Airbus wird noch lange sparen müssen
Damit sind die wichtigsten Weichen dafür gestellt, dass Airbus den Sturm besser überstehen kann als der Erzrivale Boeing, der für sich und seine Zulieferer bereits um Staatshilfen in zweistelliger Milliardenhöhe gebeten hat. Noch positiver wird das Bild dadurch, dass bei Airbus in den nächsten Jahren keine größeren Finanzierungen fällig werden.
Doch weil der Flugzeugbau so enorm kapitalintensiv und margenschwach ist, dürfte Asam trotz allem darauf aus sein, das Geld beisammen zu halten. Viele Analysten gehen davon aus, dass Airbus auch nächstes Jahr die Dividende aussetzen und den Pensionsfonds frühestens 2023 wieder neu dotieren wird. Es sind herausfordernde Zeiten selbst für einen sturmerprobten Finanzer wie Dominik Asam.
Info
Erfahren Sie mehr über den Airbus-CFO im FINANCE-Köpfe-Profil von Dominik Asam.
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