Der Industriekonzern ThyssenKrupp beendet sein verlustreiches Abenteuer in Übersee. Wie das Unternehmen am heutigen Mittwoch mitteilte, wird das brasilianische Stahlwerk CSA Siderúrgica do Atlântico für 1,5 Milliarden Euro (inklusive Schulden) an den luxemburgischen Konkurrenten Ternium verkauft. Abgeschlossen werden soll der Verkauf bis Ende September. Die Transaktion unterliegt noch den üblichen kartellrechtlichen Freigaben.
Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, hatten Analysten und Investoren ursprünglich mit einem höheren Kaufpreis gerechnet. ThyssenKrupp verkauft das Werk zudem weit unter Buchwert: Im Zuge des Verkaufs muss Finanzchef Guido Kerkhoff 900 Millionen Euro auf das Werk abschreiben. ThyssenKrupp geht dennoch davon aus, dass sich nicht nur die Nettofinanzschulden durch den Verkauf „signifikant“ reduzieren werden, sondern auch der Verschuldungsgrad (Gearing), der sich an der Relation zwischen Eigenkapital und Verschuldung bemisst.
ThyssenKrupp: Industriedienstleistung statt Stahlgeschäft
ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger bezeichnet den Verkauf als „wichtigen Meilenstein beim Umbau von ThyssenKrupp hin zu einem Industriekonzern“. Der frühere Stahlkonzern möchte künftig mehr Geschäft mit den wesentlich profitableren Industriegütern und Dienstleistungen machen. Rund 75 Prozent des Umsatzes würden derzeit bereits mit diesen Geschäftsbereichen erwirtschaftet.
Die Stahlbranche sieht sich schon länger fallenden Preisen ausgesetzt, unter anderem deswegen, weil chinesische Produzenten Überkapazitäten erzeugen und mit billigen Stahl den Weltmarkt fluten. Die von ThyssenKrupp 2005 gestarteten Stahlpläne in Nord- und Südamerika sind auch deshalb krachend gescheitert – aber auch, weil Brasilien in eine schwere Wirtschaftskrise gestürzt ist und die Baukosten für das Stahlwerk aus dem Ruder liefen. Ursprünglich wollte ThyssenKrupp in Brasilien Stahl günstig kochen und dann in den USA und Europa weiterverarbeiten und an die Endkunden verkaufen.
ThyssenKrupp versenkt in Amerika unter dem Strich 8 Milliarden Euro
Insgesamt hat ThyssenKrupp seit 2005 über 12 Milliarden Euro in sein amerikanisches Stahlgeschäft gesteckt. Laut Reuters habe allein der Aufbau des brasilianischen Werkes rund 10 Milliarden US-Dollar verschlungen. Rentiert hat sich das Investment in Amerika bei weitem nicht: Unter dem Strich dürfte in etwa ein Verlust von rund 8 Milliarden Euro stehen. Die Auswirkungen sind noch heute in der Bilanz spürbar, so ThyssenKrupp. Das Unternehmen leidet vor allem unter einer sehr dünnen Eigenkapitaldecke von kaum noch mehr als 7 Prozent der Bilanzsumme.
Der Ausstieg aus Brasilien hat sich länger hingezogen als die Begradigung der Fehlinvestitionen in den USA: Bereits vor rund zwei Jahren hatte der Dax-Konzern sein Weiterverarbeitungswerk in Alabama für 1,1 Milliarden Euro an ein Konsortium aus Arcelor Mittal und Nippon Steel verkauft. Der Verkauf der Stahlhütte in Brasilien hatte sich länger hingezogen, da mit dem damaligen Mitgesellschafter, dem weltweit größten Eisenerzproduzenten Vale, „komplexe vertragliche Bindungen“ bestanden hatten, die es erst zu lösen galt.
Dass ThyssenKrupp nun endlich einen Schlussstrich unter die gescheiterte Amerikaexpansion ziehen kann, erfreut die Aktionäre. Die Aktie legt im Laufe des Vormittags um mehr als 6 Prozent zu und klettert auf rund 25 Euro. Von ihren Hochzeiten ist die Aktie allerdings noch weit entfernt. Ihren Peak hatte sie 2007 bei einem Kurs von 46 Euro.
Info
Für den Verkauf des brasilianischen Werks muss Guido Kerkhoff 900 Millionen Euro abschreiben. Erfahren Sie mehr über den ThyssenKrupp-CFO auf seinem Profil bei FINANCE-Köpfe.