Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für Unternehmen, die durch die Coronavirus-Pandemie in Schieflage geraten sind, treibt den Anbietern von Managerhaftpflichtversicherungen die Sorgenfalten auf die Stirn. Vom heutigen Donnerstag an müssen Unternehmen bei Zahlungsunfähigkeit wieder Insolvenz beantragen, bei Überschuldung jedoch bleibt die Aussetzung noch bis zum Jahresende in Kraft.
Die Versicherungsbranche fürchtet nun, dass mit dem Auslaufen der Aussetzung die Zahl der Insolvenzen steigt – und damit auch die Zahl der Fälle, in denen Insolvenzverwalter das Management nachträglich zur Rechenschaft ziehen wollen. „In der D&O- beziehungsweise Managerhaftpflichtversicherung werden die bislang aufgeschobenen Insolvenzen voraussichtlich zu einer Flut von Rechtsstreitigkeiten führen“, mahnt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in einer aktuellen Mitteilung.
Unsichere Rechtslage durch Corona
Rechtliche Streitigkeiten drohen beispielsweise, wenn Zweifel daran aufkommen sollten, dass die Schieflage eines Unternehmens tatsächlich auf die Coronakrise zurückzuführen war – dann wäre das Moratorium womöglich zu Unrecht genutzt worden. Grundsätzlich dürfen Manager keine Waren ordern, wenn sie bereits davon ausgehen müssen, dass sie diese nicht werden bezahlen können. Das wäre dann ein Eingehungsbetrug. Durch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ist die Gemengelage jedoch undurchsichtig geworden.
„Wer in den letzten Monaten in eine wirtschaftliche Schieflage geraten ist, muss derzeit auf Basis einer unsicheren Rechtslage entscheiden“, kommentiert Wolfram Desch, Fachanwalt für Insolvenzrecht bei der Wirtschaftskanzlei Graf von Westphalen, die Situation in einer Mitteilung des GDV. Für die Entscheider sei die Lage riskant, da sie grundsätzlich für alle Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife persönlich haften müssten.
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Desch erwartet, dass viele Insolvenzverwalter bei den kommenden Fällen genau hinterfragen werden, ob die Corona-bedingten Erleichterungen zu Recht genutzt wurden, ob Entscheidungen ausreichend dokumentiert wurden und ob geleistete Zahlungen wirklich erlaubt waren. „Bei vielen dieser Fragen wird man unterschiedlicher Auffassung sein – dann müssen im Zweifel die Gerichte entscheiden“, erwartet der Jurist.
D&O: Kosten steigen, Deckung sinkt
Für Manager wird es dabei immer schwieriger, sich abzusichern. Einige Häuser decken große Versicherungssummen bereits gar nicht mehr ab: „Vor wenigen Jahren waren noch Deckungssummen je Versicherer in Höhe von 25 Millionen Euro marktüblich“, schreibt der Versicherungsmakler Aon in seinem aktuellen Marktreport 2020. Solche Summen sind offenbar passé: „2020 offerieren Versicherer maximal 15 Millionen Euro, häufig sogar nur 10 Millionen Euro oder weniger, und dies bundesweit“, lautet die Analyse.
Erste internationale D&O-Schäden im Zusammenhang mit Covid-19 hat der Versicherungsmakler bereits registriert. „Ihre Zahl wird vermutlich weiter zunehmen“, erwartet man auch bei Aon. Hinzu kommen weitere Gesetzesinitiativen wie das Unternehmensstrafrecht, die Datenschutzgrundverordnung oder das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen, die ebenfalls das Haftungsrisiko der Vorstände erhöhen.
„Die Versicherungssummen sinken, die Prämien steigen massiv an.“
Diese Situation nutzen die Versicherer, um die Preise für die Policen zu erhöhen. „Die Versicherungssummen sinken, die Prämien steigen massiv an, und für kritische oder schadenbelastete Risiken gibt es bereits heute nur noch schwer bis gar keinen Deckungsschutz mehr“, lautet die düstere Bilanz im Aon-Marktreport.
D&O-Prozesse dauern oft Jahre
Auf Unternehmenslenker kommen harte Zeiten zu, zumal viele jetzt ihre Versicherungsverträge für 2021 verlängern müssen. Sie werden sich auf eine harte Gangart der Versicherer einstellen müssen. Auf eine Versicherung zu verzichten, ist schwer möglich, schließlich geht es für das Management bei Prozessen oft um sehr hohe Summen.
Laut einer Auswertung des Versicherungsverbands GDV von 368 D&O-Schadensfällen nach Insolvenzen sollten die Verantwortlichen im Schnitt für Summen von knapp 7 Millionen Euro mit ihrem Privatvermögen geradestehen. Um die Ansprüche zu prüfen und möglicherweise abzuwehren, folgen dann oft langwierige Prozesse.
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Häufig lassen sich die Forderungen signifikant senken. Laut GDV blieb bei den betrachteten Verfahren am Ende ein durchschnittlicher Schadensersatz von rund 140.000 Euro übrig. Doch der Weg dahin ist lang: Die Prozess- und Anwaltskosten lagen den GDV-Berechnungen zufolge nach jeder Insolvenz bei über 30.000 Euro. Bis zum Abschluss der Verfahren dauerte es in der Regel mehr als zwei Jahre.
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