Nachdem die Anzahl der Firmeninsolvenzen in Deutschland von 2009 bis 2018 kontinuierlich zurück ging, sind in diesem Jahr wieder vermehrt Fälle im Automobil- und Einzelhandelssektor zu beobachten. Der Modehändler Gerry Weber, der Automobilzulieferer Weber Automotive und die Bäckereikette Oebel sind nur einige Beispiele.
Und angesichts des bevorstehenden Wirtschaftsabschwungs sehen die Prognosen düster aus: „2020 dürfte die Anzahl der Insolvenzen weiter deutlich steigen“, sagt Bettina Breitenbücher, Restrukturierungsexpertin und geschäftsführende Partnerin der Kanzlei Kübler.
Insolvenzverschleppung: Die Risiken für CFOs
Für die Finanzchefs eines angeschlagenen Unternehmens birgt die vorinsolvenzliche Phase viele Risiken: Häufig ist der Unterschied zwischen einer bloßen Liquiditätskrise und der tatsächlichen Insolvenzreife nur schwer zu erkennen, weiß Breitenbücher. Bei akuten Zahlungsschwierigkeiten ist es dann für einen zeitintensiven Turnaround meist zu spät.
Das Risiko: Wird die Insolvenz nicht rechtzeitig angemeldet, droht die strafbare Insolvenzverschleppung. Abhängig von der Rechtsform drohen Strafen und gegebenenfalls die persönliche Haftung der Manager in der Organstellung für Verbindlichkeiten. Während ein Einzelunternehmer kein so hohes Strafbarkeitsrisiko hat, unterliegt ein Geschäftsleiter einer juristischen Person (zum Beispiel der Geschäftsführer einer GmbH oder einer GmbH & Co KG, aber auch der Vorstand einer AG) einer strengen Insolvenzantragspflicht.
Wann ein Insolvenzantrag gestellt werden muss
Finanzchefs eines angeschlagenen Unternehmens rät Insolvenzverwalterin Breitenbücher: „Es sollte auf gar keinen Fall weiter gemacht werden wie gehabt“. Sobald ein Unternehmen im Krisenmodus sei, gelten für die Geschäftsführer erhöhte Überwachungspflichten. Sie empfiehlt daher Betroffenen, sich bei Unsicherheiten rechtzeitig an den Steuerberater oder einen spezialisierten Anwalt zu wenden.
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Liegt ein Insolvenzgrund – also Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung – vor, muss unverzüglich Antrag gestellt werden. Soweit aussichtsreiche Verhandlungen geführt werden mit dem Ziel, kurzfristige Liquidität zu beschaffen, kann sich die Frist zur Stellung des Insolvenzantrags auf maximal drei Wochen verlängern, so die Insolvenzexpertin. Zahlungsunfähigkeit liegt in der Regel vor, wenn etwa 10 Prozent der Verbindlichkeiten bei Fälligkeit nicht bezahlt werden können.
Wann muss der CFO haften?
Gerade mit Blick auf die Managerhaftung spielen mehrere Aspekte eine wichtige Rolle:
Verbotene Zahlungen
„Wenn das Unternehmen insolvent ist, dürfen keine Zahlungen mehr geleistet werden“, mahnt Bettina Breitenbücher. Werden dennoch Rechnungen beglichen, haftet die Unternehmensführung persönlich für fast jeden ausgegebenen Euro, also auch für noch ausbezahlte Löhne und Gehälter, für Mietzahlungen oder die Bezahlung von Waren, wenn die Waren verbraucht werden oder keinen Verkaufswert mehr haben.
Gesellschafterzahlungen unterliegen besonderen Regeln. So darf das Stammkapital überhaupt nicht zurückgezahlt werden. Auch dürfen keine verdeckten Gewinnausschüttungen ausbezahlt werden. Darüber hinaus muss in einer Krise – also zum Beispiel wenn es eine Zahlungsstockung gibt, auch wenn das Unternehmen noch nicht zahlungsunfähig ist, oder wenn eine Kreditkündigung absehbar ist, die nicht sofort aufgefangen werden kann – genau geprüft werden, ob eine Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen zulässig ist, da bei unzulässige Zahlungen, also zum Beispiel wenn durch die Rückzahlung des Gesellschafterdarlehens die Insolvenz herbeigeführt wird, der Geschäftsleiter persönlich haftbar gemacht werden kann.
Stichwort „Neugläubiger“
Schließt das Unternehmen nach Eintritt der Insolvenzreife einen Vertrag mit einem Dritten, so ist dieser ein Neugläubiger. „War dem Geschäftsführer bei Abschluss des Vertrags klar, dass er den Neugläubiger nicht mehr bedienen kann, spricht man von einem Eingehungsbetrug. Auch hier macht sich der Manager strafbar“, warnt die 53-jährige Juristin.
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Sozialversicherung und Steuern
Anders als bei sonstigen Verbindlichkeiten haftet ein Geschäftsführer für Sozialversicherungsbeiträge und Steuern kraft Gesetz ebenfalls persönlich. Ein Fehlverhalten kann auch strafbar sein.
Begrenzte Wirkung von Weisungen in der GmbH
Während der Vorstand einer AG grundsätzlich weisungsfrei ist, ist ein Geschäftsführer einem Gesellschafter via Dienstvertrag in der Regel über einen Zustimmungskatalog weisungsgebunden. „Bei Eintritt der Insolvenzreife ist er jedoch per Gesetz verpflichtet, Insolvenzantrag zu stellen“, erklärt die Insolvenz-Expertin. Dies ist der weisungsfreie Bereich des Geschäftsführers aufgrund seiner Organstellung. Soweit der Gesellschafter den Geschäftsführer anweist, trotzdem (noch) keinen Insolvenzantrag zu stellen, wird er durch diese Weisung nicht entlastet. Kommt er dieser nach, befreit ihn dies nicht von seiner Haftung oder seiner Strafbarkeit. Er könnte daher sein Amt niederlegen.
D&O-Versicherung
Nicht immer ist eindeutig klar, welche Handlungen nicht mehr erlaubt sind – der CFO kann auch bei besten Absichten in Teufels Küche kommen. Manche setzen daher auf eine D&O-Versicherung (Directors-and-Officers-Versicherung, auch Organ- oder Manager-Haftpflichtversicherung genannt), um im Ernstfall nicht mit dem Privatvermögen haften zu müssen.
Allerdings hat das Oberlandesgericht Düsseldorf im Juli 2018 entschieden, dass eine D&O-Versicherung nicht für Ansprüche wegen verbotener Auszahlungen gegen einen Geschäftsführer haftet. Hier sollten Finanzchefs den Versicherungsumfang ihrer D&O-Police prüfen.
Cash Pooling
Auch ein Cash Pooling birgt Risiken bei der Managerhaftung. „Ein ordnungsgemäßes Cash-Pool-Management setzt ein gut austariertes Vertragswerk und eine gute Dokumentation voraus“, sagt Bettina Breitenbücher. Dabei müssen die Kapitalaufbringungs- und Erhaltungsvorschriften beachtet werden. Das Stammkapital darf nicht abgezogen werden, sprich es sollten freie Rücklagen in ausreichender Höhe vorhanden sein, und Kapitalerhöhungen sollten zu ihrer Wirksamkeit außerhalb des Cash Pool abgewickelt werden. Entlastend kann die Absicherung über einen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag sein.
martin.barwitzki[at]finance-magazin.de
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