Die Folgen des Bankenbebens, Nachwirkungen der Energiekrise, Möglichkeiten des StaRUG – das waren die Themen der diesjährigen Deutschen Distressed-Assets-Konferenz (DAK), die FINANCE in diesem Jahr zum 17. Mal veranstaltete. Ein klarer Konsens bei dem Treffen von Branchenexperten im Westhafen Pier in Frankfurt: Die Insolvenzzahlen werden wieder steigen und sich auf ein Vor-Corona-Niveau stabilisieren. Mit einer großen Welle rechnen sie, trotz aller Risikofaktoren, nicht.
Heiß diskutiert wurde auch der Kollaps der US-amerikanischen Silicon Valley Bank und die Übernahme der schweizerischen Credit Suisse durch die UBS.
Wie sehen Banker das Bankenbeben?
Ursprünglich wollten Martin Hoeller (Octane Capital Advisory), Oliver Kehren (TMA) und Claus Radünz (LBBW) mit Moderator Markus Dentz in der Podiumsdiskussion über eine ganze Bandbreite von Themen sprechen – die Folgen der Energiekrise, den Markt für Non-Performing-Loans (NPL), die Aktivität am Distressed-M&A-Markt und das stets präsente ESG-Thema.
Wie erwartet war aber auch auf der DAK-Diskussion das Beben im Bankensektor das dominante Thema. Einig waren sich die anwesenden Banker und Finanzmanager darin, dass man weder von einer Banken- noch von einer Finanzkrise 2.0 sprechen könne. Es handele sich eher um Einzelfälle. Sie mahnten eine bessere Finanzaufsicht, speziell in den USA, an.
Auch eine Erkenntnis: Die in Verruf geratenen AT1-Anleihen, oder CoCo-Bonds, seien weiterhin ein valides Finanzierungsmittel. Nur in der Schweiz seien die Instrumente mit speziellen Kriterien verknüpft, die ein komplettes Abschreiben – wie im Fall Credit Suisse – überhaupt erst möglich gemacht hatten. Ebenso Konsens auf dem Podium: Die Zinswende verändert die Finanzierungsmöglichkeiten für viele Unternehmen und dürfte noch zum Problem werden. Momentan sind die NPL-Quoten aber auf niedrigem Stand, wenn auch etwas höher als im Vorjahr.
Best Cases aus der Restrukturierungspraxis
Spannend waren auch Praxiseinblicke und -tipps, die Josef Schultheis, geschäftsführender Gesellschafter bei dem Restrukturierungsspezialisten Reviresco Management, aus seinen Sanierungsprojekten wie Swiss Steel mitbrachte. Für den Sanierungsmanager in einer Restrukturierung der wichtigste Faktor: Zeit. Bei der Stabilisierung des operativen Geschäfts eines Unternehmens sei es weiterhin essentiell, den „Cash-Drain“ in den Griff zu kriegen. Mit Blick auf die Kommunikation sei eine der Hauptaufgaben eines Restrukturierers, „verloren gegangenes Vertrauen wieder aufzubauen“.
Zudem gilt es, in der Sanierung oder der Insolvenz Gläubigerinteressen zu jonglieren. Dabei müssen sich die Sanierer zwischen dem Lender-led- oder Shareholder-led-Ansatz entscheiden. Schultheis lobte aber auch das StaRUG-Verfahren, das bald bei Leoni Anwendung finden könnte: „Im Grundsatz braucht sich Deutschland damit nicht zu verstecken, es sind jedoch noch einige Veränderungen für die Praxis wünschenswert“, so Schultheis.
Wie ein Unternehmen die Insolvenz verhindert
Wie es Unternehmen vermeiden, überhaupt in die Insolvenz zu kommen, erläuterte Maximilian Pluta von der gleichnamigen Kanzlei in seinem Vortrag. Unternehmen sollten sich mit den vergangenen sechs bis acht Wochen ihrer Zahlungsflüsse beschäftigen. Zudem sollte ein Unternehmen eine mögliche Überschuldung prüfen und zur Risikovermeidung einen 13-Wochen-Plan anlegen.
Pluta gab in seinem Vortrag aber auch Einschätzungen zum Insolvenzgeschehen in Deutschland ab: „Die Insolvenzen nehmen aktuell spürbar zu und werden auf das Niveau von vor fünf bis zehn Jahren ansteigen.“ Auch zum Distressed-Markt gab Sanierungsexperte Pluta Einblicke: „Wir kommen aus einem überhitzten Käufermarkt.“ Nun habe sich aber die Marktsituation verändert, Multiples seien gesunken. Die Verkäuferseite tue sich derzeit aber oft noch schwer, dies zu akzeptieren.
Erkenntnisse aus der Restrukturierung von Sefe
Den Abschluss der Veranstaltung machte Alexandra Schluck-Amend, Leiterin des Bereichs Restrukturierung und Insolvenz bei der Wirtschaftskanzlei CMS, mit einem Vortrag über die Verstaatlichung der ehemaligen Gazprom-Tochter Sefe und des Gashändlers Uniper. Für CMS und die anderen beteiligten Kanzleien war es eine Herausforderung, die Vielzahl an Stakeholdern zu managen – drei beteiligte Staaten im Fall Uniper, zudem die Ampel-Parteien mit ihren Vertretern.
Restrukturierungsspezialistin Schluck-Amend gab Einblicke in die komplexe Verstaatlichung der ehemaligen Gazprom Germania, die nun Sefe (Securing Energy for Europe GmbH) heißt. Deutlich wurde aus dem Vortrag, wie diffizil die Herauslösung des Unternehmens aus dem Gazprom-Konzern gewesen ist: Nachdem das Unternehmen im April 2022 in die Treuhandverwaltung des Bundes übergegangen war, hatte der Staat den Gasgroßhändler im November übernommen. In dem Zuge erfolgte ein Kapitalschnitt bei Sefe und daraufhin eine Rekapitalisierung durch einen Debt-to-Equity-Swap.
Ein Fazit aus der Konferenz war: Nach den sehr ruhigen Kern-Coronajahren, die wegen massiver staatlicher Eingriffe kaum Insolvenzen zeigten, normalisiert sich der Markt gerade wieder. Fälle wie Galeria, Peek & Cloppenburg oder Reno haben in den vergangenen Wochen und Monaten gezeigt, dass das Insolvenzgeschehen wieder anzieht. Wie 2023 für die Insolvenzverwalter und Restrukturierer verlaufen ist, wird sicher Thema der nächsten Distressed-Assets-Konferenz im Frühjahr 2024 sein.
Paul Siethoff ist Redakteur bei Finance und schreibt vorrangig über Transformations-Themen. Er hat Kommunikationswissenschaften und Journalismus in Erfurt und in Mainz studiert. Vor seiner Zeit bei FINANCE schrieb Paul Siethoff frei für die Frankfurter Rundschau für die Ressorts Wirtschaft und Politik.