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Der Russland-Fallout am Kapitalmarkt

Die Sanktionen wirken sich stark auf russische Banken wie die Sberbank in Moskau aus. Foto: picture alliance/dpa /TASS - Anton Novoderezhkin.
Die Sanktionen wirken sich stark auf russische Banken wie die Sberbank in Moskau aus. Foto: picture alliance/dpa /TASS - Anton Novoderezhkin.

Die Invasion Russlands in der Ukraine hat den Kapitalmarkt kräftig erschüttert, die am Wochenende verschärften Sanktionen inklusive Swift-Ausschluss wichtiger russischer Banken haben die Situation nochmals verschärft. In der Folge überschlagen sich heute die Ereignisse. Anhand von sechs Beispielen zeigt sich, wie tiefgreifend sich die Situation seit dem Wochenende verändert hat – ein kurzer Streifzug von FINANCE.

BP trennt sich von Rosneft-Anteilen

Erdrutsch-Entscheidung bei BP: Der Energiekonzern BP verkündete gestern Abend, dass er seine Anteile an dem russischen Ölförderer Rosneft verkaufen wird. Im Zuge dessen treten sowohl BP-Chef Bernhard Looney als auch dessen Vorgänger Bob Dudley ihre Sitze im Aufsichtsrat des Moskauer Staatskonzerns mit sofortiger Wirkung ab. Gerhard Schröder bleibt weiterhin Vorsitzender des Aufsichtsrats.

Diese Entscheidung geht mit Milliardenverlusten einher, denn die Dividendeneinnahmen von Rosneft machten 2021 rund ein Fünftel des Gesamtgewinns bei BP aus. Der britische Energiekonzern hielt knapp 20 Prozent an Rosneft. Der Wert der Beteiligung wurde Ende vergangenen Jahres in der Bilanz mit 14 Milliarden US-Dollar angesetzt – allerdings ist der Aktienkurs Rosnefts seit Mitte Februar um 50 Prozent eingebrochen. An wen BP die Anteil verkauft, ist unklar.

Seit Bekanntgabe der Trennung von Rosneft ist auch der BP-Kurs um knapp 7 Prozent gefallen – trotz der immer weiter steigenden Ölpreise liegt den Investoren der Verlust eines zentralen Vermögenswerts schwer im Magen. Doch der britische Energieriese ist nicht der einzige Akteur, der sich nach neuen Einnahmequellen umsehen muss – ein deutscher Zweitliga-Verein muss einen neuen Sponsoren finden.

Schalke und Gazprom gehen getrennte Wege

Auch der Fußballklub Schalke 04 ist voll in die Krise mit hineingezogen worden. Schon länger gab es Kritik an Gazprom als Hauptsponsor des Vereins. Nun kommt es zum Kurswechsel: Heute Morgen verkündete Schalke, dass die Partnerschaft mit Gazprom vorzeitig beendet werde.

Der Vertrag mit Gazprom wäre ursprünglich noch bis Sommer 2025 gelaufen. Nach Informationen der „WAZ“ hat Schalke zuletzt trotz des Bundesligaabstiegs zwischen 8 und 10 Millionen Euro jährlich von Gazprom erhalten. „Marktüblich“ wären niedrigere Werte, so dass Schalke nun durch den Wechsel des Hauptsponsors mit Mindereinnahmen rechnen muss. Die finanzielle Handlungsfähigkeit bleibe von der Entscheidung aber unberührt, so Schalke 04. Und: „Die Vereinsführung ist zuversichtlich, zeitnah einen neuen Partner präsentieren zu können.“

Die Anleger scheinen diesbezüglich keine großen Bedenken zu haben: Beide Schalke-Anleihen notieren noch bei 97 beziehungsweise 99 Prozent des Nennwerts. Anders sieht es bei Gazprom aus: Der Aktienkurs von Gazprom ist heute um rund 37 Prozent auf 3 Euro eingebrochen. Vor wenigen Wochen war der Konzern noch fast dreimal so viel wert. Ähnlich kritisch sieht es bei einem der größten russischen Landwirtschaftskonzerne aus.

Ekosem-Anleihen brechen katastrophal ein

Dies ist Ekosem Agrar, und dessen Papiere brechen ebenfalls ein. Ekosem, das von einem Deutschen geführt wird, der mittlerweile die russische Staatsbürgerschaft hat, finanziert sich größtenteils über russische Banken, seit über zehn Jahren aber auch über den deutschen Kapitalmarkt: Eine der beiden Anleihen des russischen Landwirtschaftskonzerns notiert heute nur noch 27 Prozent der Nennwerts. Sie ist Ende des Jahres fällig. Ähnlich schlecht sieht es bei einer zweiten Anleihe des Konzerns aus, die im September 2024 fällig ist. Sie notiert bei 28 Prozent des Nennwerts. Zum Jahresende lagen beide Papiere noch bei rund 80 Prozent.

Ekosem-CEO und -Gründer Stefan Dürr gilt als einer der größten Agrarunternehmer Russlands und bewirtschaftet nach eigenen Angaben mit 14.000 Mitarbeitern knapp 600.000 Hektar Land.

2009 erhielt Dürr noch das Bundesverdienstkreuzes für die Festigung der deutsch-russischen Beziehungen in der Landwirtschaft, nun hat sich das Blatt gewendet. Genau umgekehrt läuft es momentan bei den deutschen Rüstungskonzernen.

Rheinmetall und Hensoldt auf Erfolgskurs

Für die deutschen Rüstungskonzerne hat sich an diesem Wochenende alles geändert – zum positiven. Zuletzt taten sie sich wegen neuer ESG-Richtlinien noch schwer, überhaupt an Finanzierungen zu kommen. Nun dürfte ihnen die massive Aufrüstung der Bundeswehr einen Geldregen bescheren.

Am Wochenende verkündete Bundeskanzler Olaf Scholz, dass die Bundesregierung die Rüstungsausgaben deutlich erhöhen werde – 100 Milliarden Euro sollen über ein Sondervermögen allein in die Ausstattung der Bundeswehr mit neuem Material gesteckt werden. Zudem soll von nun an dauerhaft mehr als das 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Verteidigung investiert werden, etwa ein Viertel mehr als in der Vergangenheit. Analysten des Investmenthaus Stifel gehen davon aus, dass sich der Neuanschaffungsetat der Bundeswehr mit 33,5 Milliarden Euro pro Jahr in etwa vervierfachen wird.

Die Aktien der deutschen Waffenschmieden haussieren: der Rheinmetall-Kurs stieg im früheren Handel um 40 Prozent und pendelte sich im Tagesverlauf bei einem Plus von rund 25 Prozent ein. Der Chef des Konzerns versprach, dass sein Unternehmen schon innerhalb von ein bis zwei Jahren im großen Stil neue Munition und Panzerfahrzeuge liefern könne. Die Papiere von Hensoldt, einem Ausrüster von Kampfflugzeugen und -hubschraubern, verdoppelten sich zwischenzeitlich sogar. Aktuell liegt das Plus noch bei 45 Prozent.

Die „Zeitenwende“ der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist eine von vielen internationalen Reaktionen auf Russlands Angriff, die sich letztendlich auch im heutigen Rubelkurs widerspiegeln.

Der Rubel fällt auf ein Rekordtief

Der Ausschluss maßgeblicher russischer Banken aus dem Swift-System, das Einfrieren der Auslandsvermögen der  russischen Zentralbank und viele weitere Sanktionen setzen dem Rubel schwer zu. Die russische Währung rutschte auf ein Rekordtief ab und büßte zeitweise über 40 Prozent gegenüber dem US-Dollar ein – für einen Dollar mussten kurzzeitig 119 Rubel bezahlt werden.

Die russische Zentralbank versucht, mit einer massiven Zinserhöhung den Verfall der Währung zu stoppen. Sie verdoppelte den Leitzins von 9,5 auf 20 Prozent und signalisierte, dass weitere Anhebungen möglich seien. Für die russische Wirtschaft ist der Ukraine-Feldzug ein Desaster. „Die Russen schauen wirtschaftlich in den Abgrund“, schrieb ein Sicherheits-Analytiker auf Twitter.

eva.brendel[at]finance-magazin.de

Eva Brendel ist Redakteurin bei FINANCE und DerTreasurer. Sie hat Kommunikationswissenschaft, VWL und Politik in Bamberg und Jena studiert. Neben dem Studium arbeitete Eva Brendel als freie Nachrichtenmoderatorin bei einem Lokalsender und moderierte eine eigene Podcast-Reihe.