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Digitale Unternehmensberatung steht noch am Anfang

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Für Unternehmensberater ist die digitale Transformation ein vielversprechender Markt: Viele Kunden brauchen Unterstützung beim Umbau ihrer Geschäftsmodelle, zugleich bieten sich den Beratern durch neue Technologien mehr Möglichkeiten, Geschäft zu tätigen. Die Beratung wird flexibler, Analyse-Tools und Software können vielversprechendes Zusatzgeschäft generieren.

Viele große Beratungshäuser bauen daher im Digitalbereich aus: Das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungshaus Warth & Klein Grant Thornton etwa hat vor wenigen Tagen ein Joint Venture mit dem Tech-Unternehmen Kendaxa gegründet, das den Bereich „Digital Advisory“ der Gruppe unterstützen soll. Das Joint Venture soll intelligente Service-Tools für die Bereiche Personal, Finanzen, Rechnungswesen und Controlling entwickeln und vermarkten. Auch die Unternehmensberatung Oliver Wyman sendet mit der Berufung des Digitalisierungsexperten Kai Bender auf den Chefposten im deutschen Markt ein klares Zeichen, wohin die Reise gehen soll.

Berater setzen oft auf bekannte Technologien

Doch während viele große Häuser mit eigenen Digitaleinheiten vorpreschen, sieht es in der Breite des Marktes anders aus: Viele Unternehmensberatungen in Deutschland beschäftigen nur wenige Mitarbeiter und haben weder das internationale Netzwerk noch das Budget der großen Beratungshäuser, um Ideen für den Einsatz neuer Technologien in der Beratung zu entwickeln.

Die kleineren Beratungshäuser gehen daher oft über den Einsatz einfacher Basistechnologien noch nicht hinaus, zeigt die neue Analyse „Zum aktuellen Stand der digitalen Transformation im deutschen Markt für Unternehmensberatung“, die jetzt vom Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU), der Technischen Universität Ilmenau und dem AWS-Institut für digitale Produkte und Prozesse in Saarbrücken veröffentlicht wurde. 233 Beratungshäuser lieferten Angaben, die Mehrzahl von ihnen hat bis zu 50 Mitarbeiter. Für die Kundenseite haben 67 Klienten der Beratungshäuser ihre Einschätzung abgegeben.

Künstliche Intelligenz kann Wettbewerbsvorteile bringen

Das zentrale Ergebnis: Zwar sind die Unternehmensberater für neue Technologien grundsätzlich offen, jedoch sind bislang eher bereits etablierte Tools im Einsatz. So nutzen 70 Prozent der Befragten regelmäßig Audio- und Videokonferenzen mit ihren Kunden, um den Vor-Ort-Einsatz zu optimieren. Systeme zum Dokumentenmanagement sind bei jedem zweiten Beratungshaus im Einsatz.

Self-Service-Consulting, beispielsweise über Beratungs-Apps für die Kunden, kommt bei 18 Prozent der Berater zum Einsatz. Noch kaum genutzt werden hingegen komplexe analytische Werkzeuge wie Data Mining (9 Prozent) oder Process Mining Tools (4 Prozent). Dies ist insofern überraschend, als jeder zweite Unternehmensberater die Akzeptanz dieser Analysewerkzeuge beim Kunden als hoch oder eher hoch einstuft. Wenn sie das Kundenpotential tatsächlich als so groß erachten, müssten die Berater in der Konsequenz ihr Angebot in diesem Bereich ausbauen.

Die Studienautoren empfehlen den Unternehmensberatern, diese Beratungsansätze mit Hilfe künstlicher Intelligenz gezielt einzusetzen und so Erfahrungen zu sammeln. Dies könnte künftig „massive Wettbewerbsvorteile“ bringen, da die Technologien die Beratungsqualität steigern und zugleich Kosten senken könnten.

Unternehmen hoffen auf besseres Image

Die befragten Unternehmensberater sehen im Einsatz digitaler Beratungstechnologien nicht nur wirtschaftliche Vorteile: Fast zwei von drei Befragten denken, der Einsatz dieser Technologien trage zur Imageverbesserung bei. Jeweils 46 Prozent der Berater erhoffen sich eine höhere Qualität der Projektergebnisse und geringere Projektkosten aufgrund kürzerer Projektzeiten. Allerdings glauben nur 36 Prozent der Unternehmensberater, dass ihnen die günstigeren Kostenstrukturen völlig neue Kundenschichten erschließen werden. Gut jeder dritte Berater glaubt, durch digitale Beratungstechnologien die Anzahl aktiver Berater für ein Projekt reduzieren zu können, gut jeder vierte hofft auf mehr Neugeschäft.

Die Kunden sind für digitale Beratungsleistungen grundsätzlich offen. Nur jeder dritte kann sich generell nicht vorstellen, Leistungen über digitale Beratungstechnologien in Anspruch zu nehmen. Das Potential ist demnach groß – und es wächst: Nur 6 Prozent der Unternehmen nutzen bereits digitale Beratungstechnologien, aber 22 Prozent wollen dies bis Ende des Jahres noch ausprobieren. Weitere 39 Prozent planen keine konkrete Nutzung, können sich diese aber vorstellen.

Kunden sehen Spareffekte bei digitaler Beratung

Während die Unternehmensberater durch digitale Angebote ihr Image und ihre Beratungsqualität steigern wollen, sehen die Kunden die Vorteile ganz klar auf der Kostenseite: 70 Prozent erhoffen sich mehr räumliche und zeitliche Flexibilität, 61 Prozent hoffen auf niedrigere Reisekosten, 49 Prozent auf kürzere Projektlaufzeiten ihrer Berater. Als größte Risiken beim Einsatz digitaler Beratungsangebote betrachten die befragten Kunden IT-Sicherheitsprobleme (41 Prozent), Schwierigkeiten in der Kommunikation und Koordination (49 Prozent) sowie eine Schwächung der Kunden-Berater-Beziehung.

Angesichts der positiven Grundhaltung der Kunden sehen die Studienautoren bereits heute eine Nachfrage nach digitaler Beratung besteht. Dies sei „erstaunlich, da digitale Beratung im Alltag der Beratungsbranche noch nicht etabliert ist“, so die Autoren.

Das bedeutet allerdings auch: Die Beratungshäuser, die ihr digitales Angebot als erste ausrollen, können auf einen Wettbewerbsvorteil hoffen. Die kleineren Berater werden schnell einen Weg finden müssen, wenn sie den Anschluss nicht verlieren möchten.