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Die strategischen Pläne der Banken mit Fintechs

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Banken wollen Fintechs aus verschiedenen Gründen: sie sind innovativer, können schneller auf Trends reagieren und sie können den schwerfälligen Banken bei der Digitalisierung helfen. Doch wie lange bleiben die Fintechs im Schatten der Banken?
8vFanl / iStock / Thinkstock / GettyImages

Für die ING Diba sind Fintechs eine „Inspiration“ und ein „Shortcut to Market“, für die HypoVereinsbank sind sie „ein sehr ernstzunehmender neuer Wettbewerber“. Fast alle Banken sehen in den Fintechs offiziell die vielzitierte „Chance“ und einen potentiellen „Kooperationspartner“.  

Während die meisten in Deutschland tätigen ausländischen Banken ihre Fintech-Aktivitäten über die internationalen Konzernmütter abwickeln, können die meisten größeren deutschen Banken zum Teil schon sehr detailliert von laufenden Fintech-Projekten berichten. FINANCE hat diese Fintech-Strategien in einer mehrteiligen Artikelserie unter die Lupe genommen. Ein Ergebnis: Die strategischen Ansätze unterscheiden sich in Art und Umfang bisweilen stark.

Deutsche Bank und Commerzbank bei Fintechs vorn

Den wohl umfassendsten Ansatz verfolgt Deutschlands zweitgrößte Bank, die Commerzbank. Ihre Fintech-Strategie ruht auf drei Säulen – einem Akzelerator, einem Inkubator und einem Venture-Capital-Vehikel. In der Start-up-Garage der Commerzbank-Tochter Comdirect setzen sich junge Teams für 90 Tage zusammen und basteln an neuen Geschäftsideen.

Etwas längerfristig ausgerichtet ist der „Main Incubator“, über den die Frankfurter an Fintechs Minderheitsbeteiligungen von bis zu 24,9 Prozent eingehen. Über CommerzVentures stellt die Commerzbank Fintechs direkt Wagniskapital zur Verfügung. Während in der Start-up-Garage und vor allem im Inkubator die Option im Vordergrund steht, auf neue Ideen für das eigene Bankgeschäft aufmerksam zu werden, fungiert der Venture-Capital-Arm als eine Art natürlicher Hedge. Denn dort beteiligt sich die Commerzbank an Fintechs, die zur Gefahr des eigenen Geschäftsmodells werden könnten.    

Ähnlich aktiv ist auch die Deutsche Bank. Die Fintech-Aktivitäten sind Teil der von CEO John Cryan ausgerufenen Digitalisierungsoffensive. Im Gegensatz zur Commerzbank setzt Deutschlands größte Bank allerdings nicht auf Beteiligungen. Sie kooperiert lieber mit Fintechs und verteilt die Fintech-Verantwortung auf die jeweiligen Geschäftsbereiche und deren Chief Digital Officers. Parallel forschen die Deutsch-Banker zentral in drei „Innovation Labs“ in Berlin, London und im Silicon Valley. Vor kurzem ging außerdem die „Digitalfabrik“ online, in der rund 400 IT-Experten und Fintech-Gründer gemeinsam an der Digitalisierung des Privat- und Firmenkundengeschäfts arbeiten. 

HVB kooperiert bei Fintechs mit der TU München

Gänzlich auf Kooperation setzt hierzulande die niederländisch-deutsche ING Diba, die es nicht für notwendig hält, Fintechs zu kaufen. Die deutsche Tochter des ING-Konzerns kann  auf die Strukturen der ING-Gruppe zurückgreifen, die mit Benoit Legrand sogar einen gruppenweiten Head of Fintech installiert hat.

Andere Banken entwickeln ihre Fintech-Strategie im kleineren Maßstab. Die HypoVereinsbank beispielsweise ist mit der technischen Universität München eine strategische Partnerschaft eingegangen und hat das Akzelerator-Programm „TechFounders“ ins Leben gerufen. Hierüber erhofft sich die HVB Zugriff auf die Ideen junger Fintechs. Die HVB verschließt sich allerdings auch nicht vor direkten Beteiligungen an Fintechs. Seit April forschen die Münchner außerdem im „HVB Innovation Lab“ an der Digitalisierung.

NordLB und Sparkassen backen kleinere Fintech-Brötchen

Auch die Norddeutsche Landesbank hat sich externe Hilfe ins Boot geholt, um Zugang zur Fintech-Community zu erhalten. Sie hat ein Joint Venture mit Dieter von Holtzbrinck Ventures gegründet, das den Namen „FinTech GmbH & Co. KG“ trägt und ähnlich wie ein Inkubator funktioniert. Innerhalb des Landesbankensektors schlagen die Norddeutschen damit einen anderen Weg ein, denn die Zentralinstitute der Sparkassen überlassen die Fintech-Forschung eher dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) sowie den regionalen Sparkassen. Auch die Sparkassen-Finanztechnik und der Sparkassen-Verlag spielen eine Rolle. Im Vergleich zu den Großbanken halten sich die Fintech-Aktivitäten der Sparkassen bisher eher in Grenzen.

In nahezu jeder größeren Bank gibt es inzwischen Manager, die dezidiert die Verantwortung für die Partnerschaften mit der Fintech-Welt übernommen haben. Sie treffen sich immer häufiger  auf den sogenannten „Hackatons“, einer Wortmischung aus „Hack“ und „Marathon“. Dabei kommen Banker, ihre IT-Spezialisten, Fintech-Experten und Gründer zusammen, um neue Ideen auszutauschen.

Im März fand solch ein Hackaton zum ersten Mal bei der DZ Bank statt, dem Zentralinstitut der Genossenschaftsbanken. Die Fintech-Strategie der DZ Bank steht noch am Anfang und ist derzeit noch vor allem durch Ausprobieren gekennzeichnet. Von einer strategischen Partnerschaft über ein Beteiligungsmodell bis hin zur vollständigen Übernahme ist bei der DZ Bank alles möglich. Für das Beteiligungsmodell prüfen die Genossen aktuell die üblichen Varianten: Labs,Inkubatoren und Akzeleratoren.

Die ersten Anwendungen der Fintech-Strategien

Einen ersten Hinweis, in welche Richtung die Beteiligungsstrategie der Genossen gehen könnte, gibt es bereits: Im Mai diesen Jahres beteiligte sich die DZ Bank mit 25 Prozent an Trustbills, einer Art elektronischem Marktplatz, über den Unternehmen Forderungen verkaufen können.

Auch die Deutsche Bank hat bereits eine konkrete Anwendung ihrer Fintech-Strategie vorzuweisen. Im März starte die Bank das digitale „Unternehmerportal“, über das kleine und mittelständische Firmenkunden Business-Pläne erstellen, Wettbewerbsanalysen durchführen oder Bonitätseinschätzungen ihrer Kunden abrufen können. Für die einzelnen Anwendungen der Plattform arbeitet die Deutsche Bank jeweils mit einem Fintech zusammen. Gebaut wurde die Plattform gemeinsam mit dem Londoner Fintech BCSG.

Die Commerzbank hat im Portfolio ihres Main Incubators inzwischen fünf Fintechs, unter anderem das Fintech des Jahres 2015, Gini, das mit semantischer Dokumentenanalyse versucht, die Papierflut in Finanzabteilungen einzudämmen. Die Auswertung der FINANCE-Artikelreihe zeigt, dass derzeit nahezu jede Bank mit Gini zusammenarbeitet.

Auch die HVB kooperiert bereits mit einer Vielzahl von Fintechs. Neben Gini sind das beispielsweise Fintura (Finanzportal), Optiopay und SumUp (beide Zahlungsverkehr). Deren Lösungen richten sich jedoch überwiegend an Privatkunden oder Kleinunternehmen. Auch der Kooperationspartner der ING Diba, WebID, wird bisher nur im Retailgeschäft genutzt. Das Fintech ermöglicht es Kunden, sich bei der Kontoeröffnung online per Videochat zu legitimieren. Der  bislang noch übliche Gang zur Post oder in eine Filiale wird dadurch überflüssig.

So nutzen Banken die Fintechs aktuell im Firmenkundengeschäft

Wie die meisten Digitalisierungstrends, finden auch die Fintech-Anwendungen zunächst bei Privatkunden Anklang. Das Firmenkundengeschäft ist für derlei Veränderungen traditionell schwerfälliger. Das Problem: Nicht nur ist die Kundenanzahl im Firmenkundengeschäft deutlich kleiner, was die Skalierung von Geschäftsmodellen erschwert – auch die Anforderungen von Firmenkunden sind ungleich komplexer als die Bedürfnisse der Retailkunden. Hinzu kommt, dass Unternehmen meist Beziehungen zu einem ganzen Set an Banken unterhalten, die bei tiefgreifenden Veränderungen alle an einem Strang ziehen müssen.

Die meisten Banken gaben gegenüber FINANCE an, dass sie intensiv prüfen, wie sich die Geschäftsmodelle der Retail-Fintechs auf das Firmenkundengeschäft übertragen lassen. Potential sei auf jeden Fall da, heißt es. Flächendeckend gehoben wurde es bisher allerdings noch nicht.

Generell werden Fintech-Lösungen von den Banken derzeit eher im Hintergrund, vornehmlich im Back-Office, eingesetzt. Dort beschleunigen sie Verwaltungsprozesse oder dienen als technische Schnittstelle zu den etablierten Finanzdienstleistern. Den etablierten Banken dürfte diese Arbeitsteilung ganz recht sein, da sie so von den Fintech-Produkten profitieren, ohne aber in ihrem Kerngeschäft angegriffen zu werden. Dass die Fintech-Unternehmer sich noch lange damit zufrieden geben, darf bezweifelt werden. 

philipp.habdank[at]finance-magazin.de

Info

Die Banken umgarnen hierzulande die Fintechs. Welche Strategie das jeweilige Geldhaus dabei verfolgt, erfahren Sie in den einzelnen Artikeln der Serie auf der FINANCE-Themenseite zu Fintech-Strategien