Nachdem Ernst & Young (EY) in den vergangenen Wochen bereits mit dem Erringen der Prüfmandate bei VW, Munich Re und der Deutschen Bank von sich reden gemacht hat, steht die nächste Erfolgsmeldung ins Haus: Die Big-Four-Gesellschaft soll ab 2020 neuer Wirtschaftsprüfer bei der Lufthansa werden.
Der Aufsichtsrat werde auf der Hauptversammlung 2020 EY als neuen Abschlussprüfer vorschlagen, heißt es in einer Mitteilung der Fluggesellschaft. Diesem Vorschlag müssen die Aktionäre zwar erst noch zustimmen, das gilt meist aber eher als Formalie.
Ausgeschrieben hatte Lufthansa das Prüfmandat im April 2018. Der Grund dafür war die gesetzliche Prüferrotation, laut der kapitalmarktorientierte Unternehmen ihr Prüfmandat nach spätestens zehn Jahren neu ausschreiben müssen. Bisher wird die Lufthansa von PwC geprüft – und das schon seit über 60 Jahren.
EY hat viele namhafte Unternehmen gewonnen
Damit verliert PwC ein weiteres großes Prüfmandat im Zuge der Abschlussprüferrotation. Bisher musste das Prüf- und Beratungshaus im Dax schon Bayer (an Deloitte), VW und die Commerzbank (beide an EY) abgeben, konnte aber auch selbst namhafte Aufträge ergattern, zum Beispiel bei der Allianz, Henkel und BMW (alle von KPMG).
Die Lufthansa ist nun schon das siebte Dax-Unternehmen, das EY künftig prüfen wird. Neben VW, Deutsche Bank und Munich Re gehören dazu noch Siemens, Wirecard und Beiersdorf. Heidelberg Cement, aktuell ebenfalls Prüfkunde von EY, wird ab 2020 eine neue Gesellschaft mandatieren müssen.
Ursprünglich hatte EY sich vorgenommen, nach der Rotation bis zu sechs Dax-Mandate zu haben – dieses Ziel hat das Prüf- und Beratungshaus schon jetzt übererfüllt. Das dürfte den ein oder anderen überraschen: Im Vorfeld der Rotationspflicht hatten Marktteilnehmer vermutet, dass die Mandate vor allem unter den Platzhirschen KPMG und PwC getauscht würden.
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Deloitte bleibt weit hinter EY zurück
Bisher hatten KPMG und PwC ganz klar den Dax dominiert, während EY und Deloitte kaum Prüfkunden in dem Börsensegment hatten. Sowohl EY als auch Deloitte wollten die Rotation als Chance begreifen, um in der ersten deutschen Börsenliga auch als Prüfer endlich Fuß zu fassen. Doch wie es scheint, gelingt dies aktuell nur EY – Deloitte hat bisher nur Bayer gewinnen können, und das ist nun auch schon drei Jahre her.
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Und vielleicht wird EY auch noch zum Prüfer von Fresenius gewählt, denn dort hat sich das Big-Four-Haus auch beworben, wie Deutschlandchef Hubert Barth bei der Vorstellung der Geschäftszahlen Ende Oktober verriet. Ob das für EY aber so empfehlenswert wäre, ist eine andere Frage: Schließlich müsste die Gesellschaft schon jetzt binnen einiger Jahre ordentlich personell aufstocken, um die vielen neuen Großmandate überhaupt stemmen zu können.
Zwar werden sicherlich einige Teams von den Big-Four-Konkurrenten wechseln, um weiterhin ihr vertrautes Unternehmen prüfen zu können, doch das wird den hohen zusätzlichen Personalbedarf kaum komplett decken können.
Was ist die richtige Strategie für die Prüferrotation?
Für KPMG, PwC, Deloitte und EY dürfte es sehr schwierig sein, die richtige Strategie für die Prüferrotation zu finden. In den vergangenen zwei Jahren haben viele Dax-Unternehmen fast zeitgleich ihre Mandate ausgeschrieben, gleichzeitig können die Auswahlprozesse aber bis zu einem Jahr dauern und sind oft ein Kopf-an-Kopf-Rennen.
Dadurch ist es schwer einzuschätzen, wie viele neue Kunden man am Ende tatsächlich gewinnen wird. Wer an vielen Ausschreibungen teilnimmt, könnte schließlich mit mehr Mandanten dastehen, als man personell abdecken kann und will. Wer sich aber zu selektiv beteiligt, könnte ganz leer ausgehen. Noch ist aber im Kampf um die besten Prüfmandate alles möglich: Die Wechsel-Welle dürfte bis 2020 anhalten.
Info
Wessen Geschäft wächst am stärksten, wer gewinnt die lukrativsten Mandate? Wie sich KPMG, PwC, Deloitte und EY entwickeln, können Sie auf unserer Themenseite zu den Big Four nachlesen.
Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.