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Wambach-Bericht zu EY und Wirecard enthüllt

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Bitter für EY: Der Wambach-Report zur Arbeit des Wirtschaftsprüfer bei EY ist an die Presse durchgesickert. Foto: Wirecard
Bitter für EY: Der Wambach-Report zur Arbeit des Wirtschaftsprüfer bei EY ist an die Presse durchgesickert. Foto: Wirecard

Das „Handelsblatt“ hat sich Zugang zum „Wambach-Bericht“ verschafft, der die Arbeit der Wirtschaftsprüfer von EY untersucht. Angefertigt wurde der Bericht von Martin Wambach, Vorstand des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) und Partner bei Rödl & Partner, im Auftrag des Wirecard-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags.

Im April 2021 stufte die Geheimschutzstelle des Bundestags den Bericht als geheim ein. EY hatte zuvor moniert, dass der Bericht Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse enthalte. Der Untersuchungsausschuss ging gerichtlich dagegen vor, doch im August urteilte der Bundesgerichtshof, dass der Report geheim bleiben müsse.

Dass die Zeitung den Bericht nun trotzdem hier in voller Länge veröffentlicht, begründet die Chefredaktion damit, dass der Bericht mit Steuergeldern angefertigt worden sei und der Inhalt des Berichts im öffentlichen Interesse liege. Tatsächlich geht der Bericht detailliert auf mögliche Versäumnisse von EY bei der Prüfung der Bücher des Skandalkonzerns Wirecard ein.

Falsche Geschäftsadresse von PayEasy

Wenig überraschend konzentrieren sich die von Wambach attestierten Mängel vor allem auf die Prüfung des dubiosen Drittpartnergeschäfts, auch „TPA-Geschäft“ genannt. Dieses steuerte offiziell den größten Teil der Wirecard-Gewinne bei. Auch die 1,9 Milliarden Euro Guthaben, deren Fehlen Wirecard im Sommer 2020 kollabieren ließ, sollten aus dem Drittpartnergeschäft stammen.   

Wambach kritisiert das Vorgehen von EY am Beispiel des Drittpartners PayEasy aus den Philippinen. Schon im März 2015 seien dort gravierende Warnsignale aufgetaucht. Ausweislich des Berichts versuchten die Prüfer von EY damals tagelang vergeblich, die Geschäftszahlen und die Geschäftsadresse von PayEasy zu verifizieren. Obwohl beides nicht gelang und unklar war, ob PayEasy überhaupt existierte, habe EY in internen Unterlagen festgehalten, dass es „keine Beanstandungen“ gegeben habe.  

„Eine systematische Analyse der Betrugsindikatoren“ gemäß IDW-Vorgaben „hätte unseres Erachtens bezogen auf das TPA-Geschäft zu einer erhöhten kritischen Grundhaltung und weiter gehenden Prüfungshandlungen führen müssen“, schrieben die Sonderprüfer.

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Wambach fand auch Auffälligkeiten bei Al Alam und Senjo

Auch in den Folgejahren hätten Auffälligkeiten rund um PayEasy keine negativen Folgen für die Testierung der Wirecard-Abschlüsse gehabt. So habe sich von 2014 bis 2018 der Umsatz, den Wirecard mit PayEasy erzielte, von 72 auf 666 Millionen Euro vervielfacht. Wambach nennt dies „auffällig“ und moniert, dass EY die Zahlen nicht plausibilisiert habe. Die Sonderprüfer taten dies nachträglich und kamen dabei zu dem Schluss, dass es in Bezug auf PayEasy „grobe Buchungsfehler“ gegeben habe. Auch die Art und Weise, wie Wirecard die Geschäfte mit PayEasy bilanzierte, hält Wambachs Gruppe für falsch: „Die Umsatzerlöse wurden durch diese Buchungspraxis deutlich erhöht.“ Weiter heißt es: „Den Arbeitspapieren des Abschlussprüfers ist keine Analyse und Aufklärung dieser Auffälligkeiten in den Finanzinformationen von PayEasy zu entnehmen.“

Auch bezüglich der beiden anderen großen TPA-Partner Al Alam in Dubai und Senjo in Singapur fand Wambach ungewöhnliche Zahlen und Dokumente. „Den Arbeitspapieren des Abschlussprüfers ist diesbezüglich keine Prüfungshandlung oder Verprobung zu entnehmen.“

Im Frühjahr hatte FINANCE in geheimen Unterlagen schon deutliche Hinweise gefunden, dass in den drei Firmen Al Alam, Senjo und PayEasy die Hintermänner des Milliardenbetrugs zu finden sein dürften, inklusive dem mutmaßlichen Mastermind Jan Marsalek.

Zu wenig Infos im Lagebericht von Wirecard

Auch im nicht-forensischen Bereich enthält der Wambach-Bericht Kritik an EY. So habe es das Big-Four-Haus versäumt, dafür zu sorgen, dass Wirecard im Lagebericht des Konzerns tiefer gehende Erläuterungen zum TPA-Geschäft vornimmt – und das trotz der hohen Bedeutung des TPA-Geschäfts für Wirecard und der immensen Intransparenz rund um die Vorgänge in dem Geschäftsbereich. Hätte Wirecard im Lagebericht mehr Licht auf das TPA-Geschäft werfen müssen, hätten Aufsichtsrat, Banken und externe Finanzexperten schon früh die Chance gehabt, die Geschäftspraxis von Wirecard kritisch zu hinterfragen, glauben die Sonderprüfer.

Summa summarum kommt Wambach zu dem Fazit, dass EY zwar frühzeitig Hinweise auf einen möglichen Betrug identifiziert, diesen dann aber nicht kritisch genug nachgegangen sei.

EY weist Wambachs Vorwürfe gegenüber dem Handelsblatt heute erneut zurück: „Wir möchten betonen, dass die Prüfer von EY ihre Prüfungshandlungen nach bestem Wissen und Gewissen durchgeführt haben. Das Prüfungsteam hat sämtliche Hinweise und Vorwürfe jederzeit ernst genommen und ist diesen jeweils gezielt nachgegangen.“   

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