CFO Alexander Doll steht offenbar kurz vor dem Abgang bei der Deutschen Bahn: Nach Informationen der Nachrichtenagentur „dpa“ soll er heute einen Auflösungsvertrag unterschrieben haben. Das „Manager-Magazin“ hingegen berichtet, dass Doll ein solches Papier lediglich vorliege, er aber noch nicht unterschrieben habe. Die Entscheidung fällt wohl spätestens am Montag, wenn der Aufsichtsrat zu einer Sondersitzung zusammenkommen wird. Danach dürfte Dolls Abgang besiegelt sein.
Dem Vernehmen nach erhielte der Ex-Investmentbanker eine Abfindung in siebenstelliger Höhe. Wer seine CFO-Nachfolge antritt, ist noch nicht bekannt. Als Nachfolgerin wird unter anderem die KfW-Bankerin Ingrid Hengster gehandelt. Auf eine FINANCE-Anfrage zu der Meldung verwies ein Unternehmenssprecher lediglich auf die Aufsichtsratssitzung am kommenden Montag: „Bis dahin kommentiert die Deutsche Bahn die Berichte in keiner Weise.“
Dolls Abgang wäre ein Sieg für Bahnchef Richard Lutz und Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla: Verschiedenen Medienberichten zufolge verfolgen beide gemeinsam mit dem Bund eine Trennung von Doll, der sich vergangene Woche noch erfolgreich gegen seine Abberufung gewehrt hatte. Doll kam im April 2018 zur Bahn, zunächst als Chef der Cargo-Sparte. Im Januar dieses Jahres wurde er dann zusätzlich auch noch Finanzvorstand.
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Arriva-Verkauf wurde zum Machtkampf
Zum Verhängnis wurde Doll offensichtlich der – vermutlich gescheiterte – Verkaufsprozess der Bahn-Tochter Arriva. Eine Veräußerung wäre dringend nötig gewesen angesichts eines Schuldenbergs von 19 Milliarden Euro und hoher Investitionen, die auf die Bahn zukommen. Die Bahn hatte auf einen Erlös von 4 Milliarden Euro gehofft, dem Vernehmen nach sollen die Kaufinteressenten aber nur die Hälfte davon geboten haben.
Während die Kritiker Doll schlechte Arbeit beim Management des M&A-Prozesses und eine intransparente Kommunikationspolitik vorwerfen, gibt es auch eine andere Lesart, der sich der „Spiegel“ heute ausführlich angeschlossen hat. Demnach soll Doll bei der Due Diligence vor dem Start des Verkaufsprozesses große Löcher aufgedeckt haben – etwa im Pensionsbereich –, die sein Vorgänger Lutz nicht offengelegt habe. Das Gleiche gilt für dubiose Beraterverträge mit Ex-Managern der Bahn. Der Streit um die Verantwortung für diese Hiobsbotschaften entwickelte sich zum Machtkampf, der Doll nun voraussichtlich seinen Job kosten wird.
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Mehr über Alexander Doll erfahren Sie auf seinem FINANCE-Köpfe-Profil. Über alle spannenden CFO-Wechsel informiert Sie regelmäßig unsere gleichnamige FINANCE-Themenseite.
Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.