Am Private-Equity-Markt sorgt das Coronavirus für enorme Verwerfungen. Erst vor wenigen Tagen ergab eine FINANCE-Umfrage unter Private-Equity-Managern, dass bereits 86 Prozent der laufenden M&A-Deals abgebrochen worden seien. Und auch die meisten Add-on-Transaktionen liegen der Umfrage zufolge auf Eis.
Um auch ein qualitatives Bild zu den Folgen für den Private-Equity-Sektor zu bekommen, hat sich FINANCE in den vergangenen Tagen darüber hinaus intensiv mit der Private-Equity-Community ausgetauscht und dieser vor allem fünf Fragen gestellt:
Wie stark brennt es in den bestehenden Portfolios? Wie steht es um die Liquidität und die Finanzierung der Private-Equity-finanzierten Unternehmen? Wie stark bremst Corona laufende Transaktionen und den Dealflow? Wie reagieren die Unternehmensbewertungen? Und welche Herausforderungen bringt die Corona-Krise bei der Investorenkommunikation und dem nächsten Fundraising mit sich? Das ist unsere Einschätzung:
Corona bereinigt den Private-Equity-Markt
Spricht man dieser Tage mit Private-Equity-Investoren, empfängt man die unterschiedlichsten Stimmungsbilder, die von Panik um das eigene Portfolio bis zur euphorischen Goldgräberstimmung reichen. So berichtet ein Private-Equity-Manager aus München, dass es dieses Jahr eigentlich nur noch darum gehe, den Schaden im Bestandsgeschäft so gering wie möglich zu halten.
„Ich höre, dass momentan bei vielen die Hütte brennt“, bestätigt auch Marc Thiery von DPE Deutsche Private Equity, der sich mit Blick auf das eigene Portfolio dagegen relativ entspannt zeigt: „Wir haben in den vergangenen Jahren bewusst Firmen gekauft, die gut durch eine Rezession kommen.“
Eine Krise wie Corona habe man zwar nicht antizipiert, sich dafür aber auf ein rezessives Umfeld gepaart mit Handelskonflikten eingestellt. „Wir haben mit Fischer nur einen Automobilzulieferer, und der ist finanziell gut aufgestellt”, berichtet Thiery. Alle anderen Portfoliounternehmen seien mehr oder weniger Dienstleister.
Auf die Branche sieht Thiery dagegen ein großes Problem zukommen: Es sei zuletzt sehr aggressiv finanziert worden, mit wenig Luft für Rückschläge, schon gar nicht für einen wie jetzt. „Das rächt sich nun“, fürchtet Thiery.
Ein Frankfurter Private-Equity-Kollege findet sogar noch deutlichere Worte: „Ganz ehrlich: Ich bin froh darüber, dass die Corona-Krise den ganzen Schwachsinn aus dem Markt fegen wird, der zuletzt platziert wurde.“ Wenn man einen Deal mit einem Leverage von 7x oder 8x Ebitda auflade, dabei jedoch fast komplett auf Pro-forma-Ebitdas abstelle, sei das „krank“, so der erfahrene Private-Equity-Manger, der auch schon die Finanzkrise miterlebt hat.
Banken und Debt-Fonds halten durch
Im Gegensatz zur Finanzkrise haben die Private-Equity-Firmen heute aber einen entscheidenden Vorteil: Je größer die Transaktion war, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Finanzierung sogenannte Covenant-lite- oder sogar Covenant-loose-Strukturen hat. Dabei wird höchstens noch ein Covenant regelmäßig getestet.
Das ist meistens der Zinsdeckungsgrad (Interest Coverage Ratio), der misst, ob das Unternehmen wenigstens noch genügend Barmittel erwirtschaftet, um die Zinsen zu bezahlen. Doch wenn von einem Tag auf den anderen ein Großteil des Umsatzes wegbricht und das auch noch für mehrere Monate, „hilft auch Covenant-lite nicht mehr weiter“, meint Thiery.
FINANCE-Themenseite
Doch trotz der Schwere des Geschäftseinbruchs scheinen die finanzierenden Banken und Debt-Fonds den Private-Equity-Unternehmen bisher noch die Stange zu halten. Ein Private-Equity-Manager berichtet, dass es für LBO-Kredite auf dem Sekundärmarkt zwar schon Abschläge gebe – ähnlich wie am High-Yield- oder Term-Loan-B-Markt. Doch bisher würde noch kaum ein Geldgeber seine Kredite verkaufen. Das war in der Finanzkrise anders.
Private Debt agiert wie Private Equity
Damals war die Ausgangssituation aber auch eine andere: LBOs wurden ausschließlich über große Banken-Clubs finanziert, und die Lehman-Pleite brachte die Banken selbst massiv unter Druck. Heute ist die Krise dagegen (noch) keine Banken-, sondern eine Nachfragekrise. Zudem sind die Bankensyndikate aufgrund des Vormarschs der Debt-Fonds inzwischen deutlich kleiner. Häufig stellen Debt-Fonds die Finanzierung sogar komplett alleine, und die Bank gibt nur noch die Betriebsmittellinie.
„Private Debt ist in dieser Situation gut für Private Equity“, meint ein PE-Manager – vorausgesetzt, die Kreditfonds nutzen die angespannte Situation nicht, um ins Eigenkapital zu drängen. Ob alle auf der Debt-Seite bleiben werden, gehört zu den am heißesten diskutierten Fragen in der Private-Equity-Szene. „Es wird interessant sein zu beobachten, welcher Debt-Fonds in welches Lager fallen wird“, sagt Thiery.
„Ich höre, dass momentan bei vielen die Hütte brennt.“
Ein anderer Private-Equity-Manager beschwichtigt: „Selbst wenn ein Debt-Fonds dies wollte, ist es für ihn durch die Covenant-lite-Strukturen schwierig, gegen den Private-Equity-Investor einen Hebel in die Hand zu bekommen.“ Sollte ein Unternehmen den Zins-Covenant zu brechen drohen, könnte ein Private-Equity-Investor das Zinszahlungsproblem beispielsweise leicht durch ein Gesellschafterdarlehen lösen.
Zudem kommen die staatlichen Hilfsmaßnahmen auch Private-Equity-finanzierten Unternehmen zugute. So hat die Bundesregierung das Insolvenzrecht vorübergehend gelockert. Wer wegen der Corona-Folgen in Liquiditätsnöte gerät, muss vorrübergehend keinen Insolvenzantrag stellen. „Das gibt den Geschäftsführern der Portfoliogesellschaften mehr Raum“, freut sich Thiery.
Kontroverser diskutiert werden dagegen die Hilfskredite über die KfW. Die gängige Meinung im Private-Equity-Lager scheint zu sein, dass die Bewilligung zu lange dauert, so lange die Banken einen Teil des Risikos selbst tragen müssen. Diese Zeit haben viele Unternehmen nicht, wie die Insolvenz von Vapiano zeigt – schon gar keine hoch verschuldeten Private-Equity-Unternehmen.
Viele Private-Equity-Deals liegen auf Eis
Die Flut an (Not-) Kreditanträgen setze die Banken derart unter Wasser, dass an die Finanzierung neuer Deals nicht zu denken sei. Hinzu komme die eingeschränkte Erreichbarkeit durch das Home Office. „Da ist es schwierig, Aufmerksamkeit für neue Sachen zu bekommen“, berichtet Thiery. Deshalb sind praktisch alle laufenden Deals auch um mehrere Wochen, teils sogar Monate, geschoben worden.
Bezüglich des Neugeschäfts kursieren im Markt derzeit vor allem fünf Einschätzungen: Private Equity ist zu stark mit sich selbst beschäftigt, Finanzierungszusagen sind kaum noch zu bekommen, die Investment-Komitees schauen kritischer hin, und die Bewertungsverwerfungen an den Börsen machen Deals für Verkäufer so unattraktiv, weshalb derzeit niemand verkauft, der nicht muss.
Das mag stimmen, doch die Corona-Krise bringt möglicherweise auch Unternehmen an den Markt, an die Private-Equity-Investoren noch vor wenigen Wochen wohl nicht herangekommen wären und für die sich trotz ihrer temporären Krisensituation auch eine Finanzierung finden ließe. „Ich sehe derzeit viele Private-Equity-Häuser, die sich die Hände reiben“, beobachtet Jan Pörschmann von der M&A-Beratung Proventis.
Zwar gebe es wegen Corona mit dem Tourismus und Automotive einige „tote“ Branchen. Im Medizingroßhandel dagegen ergäben sich nun große Chancen, so der M&A-Berater. „Auch im Konsumgüterbereich würde ich als Finanzinvestor derzeit genau hinschauen und Opportunitäten nutzen“, rät Pörschmann.
FINANCE-Themenseite
Ähnlich sieht das auch DPE. „Unser Investmentteam ist voll beschäftigt“, behauptet Thiery. Schließlich seien einige Branchen von der Corona-Kriso so gut wie gar nicht betroffen, weshalb DPE die Buy-and-Build-Strategien auch in Corona-Zeiten weiterführe und Add-on-Akquisitionen tätige.
Dabei kommt es vor allem auf Deal-Sourcer wie Mathias Weidner an: „Ich bekomme viele Anfragen, ob wir noch im Investment-Modus sind“, berichtet der Deal-Sucher von DPE. Er rechnet schon in wenigen Wochen mit einem Ende der Schockstarre: „Wenn die emotionale Entspannung einsetzt, werden auch die Deals zurückkommen“, ist sich Weidner sicher.
Für 2019er-Deals wird es schwierig
Zurück auf ein gesundes Niveau werden auch die Multiples kommen, hoffen zumindest jene Private-Equity-Investoren, die sich auf der Investitionsseite noch für handlungsfähig halten. M&A-Berater Pörschmann hält die Reaktion der Börsen auf Corona für völlig überzogen. Der Bewertungsrückgang bei Private Equity werde nicht so stark ausfallen.
Private-Equity-Investor Thiery ist sich da nicht so sicher: „Wenn Banken und Debt-Fonds weniger Fremdkapital geben, muss der Enterprise Value zwangsläufig sinken, sofern die Private-Equity-Investoren ihren Eigenkapitalanteil bei Transaktionen nicht erhöhen wollen.“ Hinzu käme die große Unsicherheit in den Businessplänen.
„Wenn die emotionale Entspannung einsetzt, werden auch die Deals zurückkommen.“
Und dann wären da noch die institutionellen Investoren, die die Geldtöpfe der Private-Equity-Investoren speisen. „Will ich meinen Investoren in dieser Situation wirklich einen Deal mit einem 14er-Multiple präsentieren?“, fragt der DPE-Partner. In welcher Form man jetzt aktuell bei den Investoren Gelder abrufe, „werden die Investment-Komitees der Private-Equity-Häuser jetzt sehr stark berücksichtigen“, ist sich Thiery sicher. Doch auch er hält diese Phase für endlich: „Wenn das Krisenende absehbar ist, werden auch die Preise wieder steigen, weil einfach zu viel Geld im Markt ist.“
Ein Private-Equity-Manager aus Frankfurt hofft, dass im Zuge dessen auch wieder mehr Ehrlichkeit und Realismus in das Geschäft einkehrt. „Wenn wir mit einem Investment 2x Geld verdienen, ist das ein ordentlicher Deal. Der Einsatz muss sich nicht immer verdreifachen.“
Würde durch Corona das Bewertungsniveau tatsächlich dauerhaft sinken, drohen vor allem viele 2019 abgeschlossene Deals zu Flops zu werden, dürften deren Einstiegs-Multiples doch deutlich über den Ausstiegs-Multiples liegen.
First-Time-Funds haben auf absehbare Zeit keine Chance
Langfristige Auswirkungen wird das Coronavirus auch auf das Fundraising der Private-Equity-Investoren haben. „In solchen Marktphasen setzen Investoren immer auf die Top-Adressen mit langem und erfolgreichen Track Record“, sagt Thiery. Fonds, die nicht zu dieser Kategorie zählen, hätten derzeit keine Chance, einen neuen Fonds aufzulegen, ist sich der PE-Manager sicher. Dies dürfte in erster Line so genannte First-Time-Funds und kleinere Fonds betreffen.
Schädlich ist in dieser Hinsicht auch der Börsen-Crash: Sinken die Aktienkurse, schrumpf auch der Wert der Aktienportfolios der institutionellen Investoren. Dadurch erhöht sich der relative Gesamtportfolio-Anteil von Private-Equity im Vergleich zu Aktien. Konservativere Investoren wie Versicherungen oder Pensionskassen mit strengen Verteilquoten müssen in solchen Phasen dann zwangsweise Gelder aus dem Private-Equity-Sektor abziehen. Wer da gerade erst einen frischen Fonds aufgelegt hat, wie zum Beispiel ICG oder DBAG Ende 2019 oder Patrimonium vor wenigen Tagen, kann sich glücklich schätzen.
Doch auch ohne Fundraising verlangen institutionelle Investoren den Private-Equity-Managern derzeit eine Menge ab. „Alle Investoren fragen, wie es um das Portfolio steht und welchem Corona-Einfluss es unterliegt“, berichtet Thiery. Die entscheidenden Fragen seien dabei: Wie groß ist der Flächenbrand, und was kommt an Abschreibungen auf den Private-Equity-Investor zu? Thiery: „Wir müssen für jede Firma einen Statusbericht abgeben. Es besteht ein extrem hoher Informationsbedarf.“
„Ich sehe derzeit viele Private-Equity-Häuser, die sich die Hände reiben.“
Ihm ist zu Ohren gekommen, dass es auch schon zu den ersten Secondary-Sales gekommen sei, sich also Investoren am Sekundärmarkt zu hohen Abschlägen von Fonds-Commitments getrennt haben. Noch nicht im gleichen Maße wie in der Finanzkrise, aber die Folgewirkungen der Coronakrise werden sich auch im Private-Equity-Markt erst in einigen Quartalen in vollem Ausmaß zeigen.
Info
Noch mehr Hintergrundgeschichten zu Finanzinvestoren finden Sie auf der FINANCE-Themenseite Private Equity. Die Themenseite Coronavirus versorgt Sie mit allen wichtigen Infos und Tipps rund um die Corporate-Finance-Welt.