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So plant Private Equity den Re-Start

Der Lockdown wird gelockert – Private-Equity-Investoren machen ihre Portfoliounternehmen fit für den Re-Start.
XiXinXing/iStock/Getty Images

Der tiefe Fall in der allgemeinen Wirtschaftstätigkeit trifft auch die Portfolio-Unternehmen der Finanzinvestoren hart. Doch glaubt man der Selbstwahrnehmung der meisten Private-Equity-Investoren, sollten die PE-finanzierten Unternehmen eigentlich überdurchschnittlich gut für die Rückkehr aus dem Krisenmodus gerüstet sein. Schließlich arbeiten bei Private Equity erstklassige Managementteams mit zielstrebig handelnden Gesellschaftern zusammen, so das Credo der PE-Branche. Daran glauben sie auch jetzt in der Coronakrise, wie erst kürzlich eine Private-Equity-Umfrage von FINANCE gezeigt hat.

Bei dem Mittelstandsinvestor Acorda Unternehmerkapital richtet sich der Blick tatsächlich bereits auf die Zeit nach dem Coronavirus, erzählt Partner Jochen Brellochs: „Schon seit März sprechen wir mit unseren Managementteams intensiv über die Zeit nach Corona. Und wir machen alle zusammen unsere Hausaufgaben: Sind wir richtig am Markt aufgestellt, haben wir die passenden Produkte und Dienstleistungen? Die aktuelle Situation ist ein strategischer Stresstest für nahezu jedes Unternehmen.“ 

Corona entschärft den War for Talents

Brellochs berichtet, dass manche der Portfolio-Unternehmen Kunden in Notlagen vorübergehende Stundungen gewährt haben. „Das hilft den Kunden, über Wasser zu bleiben – aber am Ende auch der langfristigen Kundenbeziehung.“

Zudem macht er seine Manager auf Möglichkeiten aufmerksam, jetzt in neue Kundenbeziehungen hineinzukommen, die bis vor kurzem noch verschlossen waren: „Die Einkäufer vieler Firmen sind zeitlich verfügbarer geworden und arbeiten jetzt vermehrt strategische Themen ab. Dadurch bieten sich gerade gute Chancen für langfristiges Neugeschäft.“

„Es bieten sich gerade gute Chancen für langfristiges Neugeschäft.“

Jochen Brellochs, Partner, Acorda

Zur Stärkung seiner Unternehmen während der Corona-Flaute zählt Brellochs aber auch gezielte Investitionen in Personal. „Zunehmend kommen Fachkräfte für Vertrieb und Geschäftsentwicklung auf den Arbeitsmarkt, gerade in den Ballungszentren. Für wachstumsorientierte Unternehmen sind das die wichtigsten Stellenprofile. Manche unserer Unternehmen beginnen nun, solche Leute einzustellen.“

Ragnar Geerdts, Mitglied der Geschäftsleitung bei der Deutschen Beteiligungs AG (DBAG), pflichtet ihm bei: „Der Kampf um Mitarbeiter relativiert sich. Gut aufgestellte Unternehmen werden jetzt als sicherer Arbeitgeber angesehen.“ 

Goldene Gelegenheiten für Add-on-Deals?

Vor allem aber das anorganische Wachstum – die Spezialität vieler Finanzinvestoren im deutschen Mittelstand – wird für Investmentprofis wie Brellochs und Geerdts durch Corona noch interessanter. „Für Partnerschaften und Allianzen ergibt sich in einzelnen Industrien ein gutes Zeitfenster, die Gesprächsbereitschaft nimmt wieder deutlich zu“, erzählt Geerdts. Er arbeitet gerade an mehreren Add-on-Akquisitionen für die Unternehmen, die er bei der DBAG betreut. „Jetzt müssen die Weichen gestellt werden für die Transaktionen der nächsten Monate“, ist er sich sicher.

Bei Acorda sieht sich das Team in der Rolle der Unterstützer, was M&A-Deals angeht: „Anorganisches Wachstum wird gegenüber organischem Wachstum nun wichtiger, weil ein Window of Opportunity aufgegangen ist. Das versuchen wir zu nutzen“, sagt Brellochs. „Während die Geschäftsführer sich auf den operativen Betrieb konzentrieren können, treiben wir M&A verstärkt aus dem Beirat heraus voran.“ Diese Rollenverteilung ist ein Vorteil, den die meisten nicht-Private-Equity-finanzierten Unternehmen derzeit nicht haben dürften.

„Jetzt müssen die Weichen gestellt werden für die Transaktionen der nächsten Monate.“

Ragnar Geerdts, Mitglied der Geschäftsleitung, DBAG

Brellochs warnt vor schlechter Due Diligence

Auch in Krisenjahren den Mut zu Add-on- oder gar neuen Plattform-Deals aufzubringen, hat in der Vergangenheit häufig dazu geführt, dass sich diese Perioden später rückblickend als die erfolgreichsten „Vintage Years“ der Private-Equity-Industrie herausgestellt haben. Im Coronajahr 2020 könnte dieses Phänomen besonders stark ausgeprägt sein, denn jetzt bieten sich zahlungskräftigen Finanzinvestoren sogar die außergewöhnlich raren liquiditätsgetriebenen M&A-Gelegenheiten.

Zwar hört man am Markt von einzelnen Private-Equity-Häusern, die sich wegen großer Probleme in ihren Bestandsportfolios für das gesamte Jahr eine Zukaufsperre auferlegt haben. Aber Acorda gehört offenbar nicht dazu: Brellochs sieht gerade ganz konkret „M&A-Gelegenheiten bei Wettbewerbern unserer Portfoliofirmen, die operativ eigentlich gesund sind, nun aber unverschuldet ein Liquiditätsproblem haben“. Dort kann eine Finanzierung helfen, eine aktuelle Krisensituation zu überwinden. Binnen weniger Quartale könnte – wenn es gut läuft – wieder eine normale Ertragsstärke erreicht werden. „Die jetzige Krise ist aber einschneidend, so dass man bei der Due Diligence gut aufpassen muss“, relativiert Brellochs. Man müsse zum Beispiel genau prüfen, ob der Nachfrageeinbruch tatsächlich durch Corona verursacht worden sei.

Geerdts sieht Gefahren in einer für riskante Zukäufe nicht passenden Aufstellung: „Ein Mittelständler, der jetzt zukauft, muss genügend Liquidität und eine sichere Finanzierung mit genug Covenant-Headroom haben, außerdem die operative Kapazität, um an der Integration des Zielunternehmens arbeiten zu können. Unternehmen, die schon vor Covid-19 personell und finanziell auf Zukäufe vorbereitet waren, werden jetzt überproportional profitieren.“

M&A-Chancen folgen der Infektionskurve

Auf die Private-Equity-Häuser selbst trifft das zweifellos zu. Aber Ragnar Geerdts versucht, auch hier die Gefahren nicht aus dem Blick zu verlieren: „In Branchen, die von Covid-19 betroffen sind, gibt es ein hohes Risiko, zu früh zu kaufen und sich damit Schwierigkeiten ins Haus zu holen.“ 

In vielen Industrien neigt er eher (noch) zum Abwarten: „Covid-19 wird den M&A-Markt nachhaltig prägen, mindestens solange es kein Gegenmittel gibt. Bis dahin herrscht Unsicherheit in der Wirtschaft. Und wenn sich die Zahl der Neuinfizierten in Wellen bewegt, können sich die Fenster für Übernahmechancen in den nächsten Monaten immer wieder öffnen und schließen.“

Acorda setzt auf Logistiker und Digitalisierer

Brellochs sieht aktuell die attraktivsten Beteiligungschancen in der Logistikbranche und bei Unternehmen, die mit der Digitalisierung ihr Geld verdienen. „Die Digitalisierung hat durch den Lockdown einen Schub erfahren: Viele CTOs und Firmen haben Nachholbedarf erkannt und holen wegen Corona in kürzester Zeit auf. Beispielsweise hilft unsere Beteiligung PLT Software mit ihren Lösungen zur Digitalisierung von Logistikprozessen verstärkt kritischen Branchen wie Lieferdiensten. “

Logistiker hält er auch deshalb für aussichtsreich, „weil viele Unternehmen ihre Supply Chains umbauen werden. ‚Near Shoring‘ wird ein größeres Thema werden, das Zurückholen von kritischer Fertigung nach Zentraleuropa. Und da sind andere Lieferanten und Transporteure gefragt als bei Warenlieferungen aus Asien.“

Bemerkenswert: Sogar regional auf Deutschland oder Mitteleuropa beschränkte Zulieferer sieht der Mittelstandskenner plötzlich in einer aussichtsreichen Lage. Dabei galten diese Firmen doch bis vor kurzem noch als Verlierer der Globalisierung. Corona hat das Blatt teilweise gewendet: „Hier und da werden deutsche Mittelständler Asiaten aus der Lieferkette verdrängen“, ist sich Brellochs sicher. Für Private Equity wären solche Unternehmen ein völlig unerwartetes neues Investitionsfeld.

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