Es sind prominente Unternehmen, die in den vergangenen Monaten am Greentech-M&A-Markt aktiv geworden sind: BASF hat Ende Mai Horta gekauft, einen italienischen Anbieter von digitalen Lösungen für die Landwirtschaft. Im Juni übernahm Katjesgreenfood, das auf Nachhaltigkeitsthemen spezialisierte Investment-Vehikel des Süßwarenherstellers Katjes, Genius Food. Das britische Unternehmen stellt glutenfreies Brot her.
Ebenfalls im Juni schnappte sich Porsche den E-Bike-Hersteller Fazua – und das sind nur einige Beispiele für M&A-Deals in dem Markt für grüne Technologien. Das M&A-Geschäft im Greentech-Sektor boomt derzeit, und nicht nur wegen der durch den Ukraine-Krieg losgetretenen Energiekrise. Doch wer sind die relevanten Spieler in dem Markt – und sind Greentech-Unternehmen überhaupt schon reif genug für großangelegtes M&A?
Was sind eigentlich Greentech-Unternehmen?
Traditionell gehören Unternehmen aus der Branche Erneuerbare Energien in den Greentech-Sektor. Doch heute umfasst der Bereich deutlich mehr Subbranchen. Für Alex Stein, Managing Director bei Nomura Greentech, zählen zum Beispiel Unternehmen aus den Bereichen „Energy Transition“, Elektrifizierung, Transport, Landwirtschaftstechnologien oder Heizungs- und Klimatechnologien zum Greentech-Sektor.
„Wir fassen aber auch Unternehmen, die andere dabei unterstützen, selbst nachhaltigere Produkte und Services anzubieten, unter dem Label ‚Greentech‘ zusammen“, erläutert Stein. Letzteren Bereich nennt der M&A-Berater „Enabling Tech“. Als Beispiel führt er Unternehmen an, die Softwares für das Flottenmanagement von Logistikern anbieten, um die Logistikdienstleistung effektiver und damit auch nachhaltiger zu gestalten. Auch Unternehmen, die andere Konzerne bei der Erstellung von ESG-Reportings unterstützen, können Stein zufolge in den Greentech-Sektor zählen.
Marc Romano, Managing Director bei dem Finanzinvestor Mirova, fasst unter der Bezeichnung Greentech Unternehmen zusammen, die mit ihren Innovationen „einen positiven Einfluss auf die Umwelt haben“. Den positiven Einfluss misst Mirova, die auf nachhaltige Anlagen spezialisierte Tochter des Vermögensverwalters Natixis, an den von der UN ausgerufenen „Sustainable Development Goals“, kurz SGDs. So können dem Investor zufolge etwa auch Recycling-Unternehmen oder Firmen, die ein besseres Management von Ressourcen ermöglichen, dem Greentech-Sektor zugerechnet werden.
Corporates kaufen sich Greentech-Expertise ein
Klar ist: Der Markt für grüne Technologien boomt – und das wiederum befeuert das M&A-Treiben in der Branche. Es ist ein struktureller Trend: Unternehmen versuchen schon seit Jahren, energieeffizienter und nachhaltiger zu werden. Gestiegene Energiepreise sowie die Unsicherheit um die künftige Ausgestaltung der Energieversorgung tun ihr Übriges. Alle diese Faktoren sind mögliche M&A-Treiber: „Um sich nachhaltiger aufzustellen und weniger abhängig von externen Versorgern zu sein, übernehmen Konzerne zum Beispiel regionale Energieversorger“, sagt Nomura-Berater Stein.
Ein anderes Beispiel: Die Schwarz-Gruppe hatte im Herbst 2020 die Recycling-Sparte des französischen Suez-Konzerns für 1,1 Milliarden Euro übernommen. Durch die Transaktion holte der Mutterkonzern von Kaufland und Lidl das Thema Recycling ins eigene Haus – mit dem Ziel, Produkte, die das Unternehmen selbst in Umlauf bringt, auf nachhaltige Weise zu entsorgen.
Grüne Transformation treibt M&A-Aktivität an
Neben Themen wie Recycling oder der sogenannten Energieautarkie befeuert auch die Umstellung auf nachhaltige Energiequellen das M&A-Geschehen. Dabei muss es nicht immer eine Komplettübernahme sein: So hat der Autozulieferer Schaeffler mit Symbio, einem Gemeinschaftsunternehmen von Faurecia und Michelin, das Joint Venture Innoplate gegründet. Ziel der Kooperation ist es, das Engagement im Bereich Wasserstoffantriebe zu verstärken.
Darüber hinaus gibt es Unternehmen, die über Beteiligungen an jungen Unternehmen ihre Forschungsaktivitäten im Greentech-Bereich „auslagern“ – um dann von den Entwicklungsfortschritten zu profitieren, so Investor Romano. Diese Vorgehensweise sei vor allem bei Konzernen zu beobachten, die über eine eigene Venture-Capital-Einheit verfügen, wie etwa der Chemiekonzern Evonik. Die Essener haben zum Beispiel in das Start-up Ovo investiert, das eine Technologie entwickelt hat, mit der man das Geschlecht eines Kükens noch im ungeschlüpften Ei ermitteln kann. Mit dem Einsatz der Technologie werden weniger männliche Küken getötet.
Private Equity schielt schon auf Greentech-Unternehmen
Es sind aber nicht nur Strategen, die am Greentech-M&A-Markt zukaufen. „Es wird in fast allen Branchen massives Kapital benötigt, um die grüne Transformation zu stemmen“, so M&A-Berater Stein – Kapital, das auch von Finanzinvestoren stammt. „Growth-Fonds, Infrastruktur-Fonds sowie Largecap-Private-Equity-Häuser mit mehr Risikoappetit als Midcap-Investoren positionieren sich in dem Sektor als potentiell interessierte Käufer“, beobachtet Stein.
„Growth-Fonds, Infrastruktur-Fonds sowie Largecap-Private-Equity-Häuser mit mehr Risikoappetit positionieren sich in dem Sektor als potentielle Käufer.“
Alex Stein, Managing Director bei Nomura Greentech
Dem pflichtet Finanzinvestor Romano bei: „Early-Growth-Unternehmen verlassen allmählich den klassischen Venture-Capital-Bereich und werden für Private Equity interessant.“ Dominik Degen, Senior Expert & Director bei BCG, betrachtet die Entwicklung etwas differenzierter. „Es gibt bestimmte Greentech-Bereiche, in die Private Equity bereits investiert ist. Einige Subsektoren sind hingegen noch nicht reif genug für Private-Equity-Investments“, sagt der M&A-Experte.
Bereits für Private Equity interessant sind unter anderem Solarenergieunternehmen. Ende 2020 hat sich zum Beispiel Auctus an dem Photovoltaikunternehmen Energiekonzepte Mitteldeutschland beteiligt. Auch der Bereich alternative Energien ist für Private Equity spannend, Aurelius hat mit Convertertec in dem Bereich zugekauft. „Und es erreichen ständig neue Greentech-Subsegmente einen Reifegrad, ab dem sie auch für Private Equity spannend sind“, erwartet Degen.
Im Greentech-Sektor warten hohe Renditen
Das steigende Interesse von Private Equity an Greentech-Unternehmen ist ein Indikator für die Wachstumsperspektiven in dem Sektor. „Wir beobachten ein generelles positives Sentiment in der Greentech-Branche – trotz oder gerade wegen der Unsicherheit darüber, wie der Winter werden wird“, findet auch Nomura-Berater Stein.
Die positiven Aussichten schlagen sich auch im Bewertungsniveau nieder. „Die Kaufpreise in dem Sektor sind teils schon erstaunlich hoch“, sagt Stein. Neben dem Reifegrad des Unternehmens sowie der Position in der Wertschöpfungskette bestimmen vor allem staatliche Subventionen die Attraktivität des Unternehmens und in der Folge den Preis.
Dafür könnten sich die Renditen für Investoren aber sehen lassen. „Es besteht zwar ein höheres Investment-Risiko – und man muss natürlich auch die gestiegenen Finanzierungskosten gegenhalten. Aber Renditen im mittleren Zehnerbereich sind durchaus möglich“, berichtet der M&A-Berater. Das Risiko besteht dabei unter anderem darin, echte grüne Unternehmen von solchen zu unterscheiden, die nur vermeintlich grün sind. Das gelingt unter anderem mit einer ESG Due Diligence, wobei es auch für diese Prüfung noch keine einheitlichen Standards gibt.
Ob es bei dem hohen Bewertungsniveau bleibt, hängt vor allem vom Interesse der potentiellen Käufer ab. Im Moment sehen Marktexperten aber keinen Abbruch der Deal-Dynamik. Finanzinvestor Romano: „Bis mindestens Mitte nächsten Jahres sehen wir im Greentech-Sektor einen sehr guten Dealflow.“
Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE sowie Chefin vom Dienst bei FINANCE-Online und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.
