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Milliardendeal: Lanxess kommt doch noch zum Zug

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Lanxess schluckt den US-Chemiespezialist Emerald Kalama Chemical.
Lanxess

Nur eine Woche nach einer vom Markt als Rückschlag empfundenen Auktionsniederlage kommt Lanxess in Sachen Übernahme doch noch zum Zug: Die Kölner kaufen der US-Beteiligungsgesellschaft American Securities LLC das US-Spezialchemieunternehmen Emerald Kalama Chemical ab.

Für den Deal legt Lanxess abzüglich der Verbindlichkeiten 1,04 Milliarden US-Dollar (867 Millionen Euro) auf den Tisch. Mit Schulden kommt Emerald auf einen Unternehmenswert von 1,075 Milliarden US-Dollar. Auf Basis des von Emerald 2020 erzielten Ebitda in Höhe von 90 Millionen US-Dollar ergibt sich daraus ein Ebitda-Multiple von rund 12x – ein gängiger Wert für Hersteller konsumentennaher Chemieprodukte, wie Emerald Kalama einer ist. Das Umsatz-Multiple beläuft sich auf 2,5x.

Lanxess, das sich zu Beginn der Coronakrise mit Liquidität vollgesogen hatte und dann doch gut durch die Krise kam, will den Deal „aus vorhandenen liquiden Mitteln finanzieren“. Der Kassenbestand lag zuletzt bei 1,2 Milliarden Euro. Die Transaktion soll voraussichtlich im zweiten Halbjahr vollzogen werden und muss noch von den Behörden genehmigt werden.

Lanxess will Consumer-Protection-Sparte stärken

Mit Emerald Kalama hat Lanxess ein Target gefunden, das gut in die neu geschaffene Sparte Consumer Protection passt, in der die Kölner verbrauchernahe Spezialgeschäfte bündeln, die sich vor allem auf Inhaltsstoffe für Lebensmittel und Tiernahrung beziehen. Dazu gehören etwa Desinfektionsmittel, Entkeimungstechnologie für die Getränkeindustrie, Konservierungsmittel und Inhaltstoffe für Arzneien und Pflanzenschutzmittel. Den Bereich Consumer Protection zu stärken ist Kern der aktuellen Unternehmensstrategie von Lanxess.

Emerald stellt vor allem Chemikalien für Konservierungsstoffe für Lebensmittel, Haushalt und Kosmetik, Aroma- und Duftstoffe sowie Produkte für Tiernahrung her und macht damit 75 Prozent seines Umsatzes. Das übrige Viertel kommt aus dem Geschäft mit Spezialchemikalien für industrielle Anwendungen, unter anderem für die Kunststoff- und Klebstoffindustrie. Von den meisten Emerald-Geschäften erwartet sich Lanxess langfristige Zuwachsraten oberhalb des allgemeinen Wirtschaftswachstums, wenngleich manche Analysten bemängeln, dass das Geschäft des Neuerwerbs austauschbar sei und das Unternehmen nur geringe Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz genieße.

Lanxess erwartet schnelle Integration vom Emerald

Die Ausrichtung des US-Einkaufs lässt auf eine überschaubar komplexe Post Merger Integration schließen: Emerald Kalama unterhält lediglich drei Produktionsstandorte, 45 Prozent des Umsatzes kommen aus Nordamerika. „Emerald Kalama Chemical ist sehr effizient aufgestellt und hat seine Produktionsaktivitäten an nur drei Standorten gebündelt. Daher erwarten wir eine zügige Integration“, hofft Lanxess-Chef Matthias Zachert.

So erwartet Lanxess innerhalb von drei Jahren nach Abschluss der Transaktion durch Synergie-Effekte einen zusätzlichen jährlichen Ebitda-Beitrag von rund 30 Millionen US-Dollar (25 Millionen Euro). Der Preis dafür sind einmalige Integrationskosten von 35 Millionen Euro. Die Synergien mit eingerechnet, sinkt das bezahlte Ebitda-Multiple auf 9,3x. Der Zukauf soll sich bereits im ersten Geschäftsjahr positiv auf das Ergebnis je Aktie auswirken. Analysten von JPMorgan halten die Synergieerwartungen für erreichbar, ein Analyst der Deutschen Bank sprach von einem „guten Zukauf“. Für die Analysten von Stifel ist Lanxess gar „der natürliche Käufer“ von Emerald Kalama.

„Wir stärken unser Segment Consumer Protection weiter und erschließen margenstarke neue Anwendungsfelder, etwa in der Lebensmittelindustrie und der Tiergesundheit. Darüber hinaus vergrößern wir unsere Präsenz in unserer Wachstumsregion Nordamerika. Das alles macht uns noch profitabler und stabiler“, zeigt sich Zachert zuversichtlich.

Wollte Lanxess eigentlich LSI haben?

Kleiner Wermutstropfen: Wegen des recht spitzen Geschäftsfokus des Neuerwerbs wird mit dem M&A-Deal ein wichtiger Bereich der Consumer-Sparte von Lanxess nicht gestärkt – jener mit Pflanzenschutzmitteln. Dieses Ziel hätte Lanxess mit dem Kauf von Lonza Specialty Ingedrients (LSI) erreichen können, einer Sparte des Schweizer Spezialchemiekonzerns Lonza.

Doch bei der Auktion dieses Assets trieben Finanzinvestoren den Preis derart weit in die Höhe, dass Lanxess das Handtuch werfen musste: Vergangene Woche wurde LSI für 4,2 Milliarden Schweizer Franken an die Private-Equity-Investoren Bain Capital und Cinven verkauft. Am Ende wurde LSI mit dem 13,9-fachen Ebitda (des Jahres 2019) bewertet, wesentlich mehr als jetzt Emerald Kamala. In der heutigen Telefonkonferenz bezeichnete Zachert Emerald Kalama als Wunsch-Target Nummer Eins.

Mit 17 Produktionsstandorten und 2.800 Mitarbeitern wäre LSI auch schwerer zu integrieren gewesen. Zudem hätte Lanxess für die Übernahmefinanzierung im großen Stil den Kapitalmarkt anzapfen müssen, wahrscheinlich auch mit Equity.

Lanxess will noch mehr M&A-Deals

Das vergleichsweise geringe Dealvolumen von knapp unter 1 Milliarden Euro bedeutet auch, dass Lanxess trotz der Emerald-Kalama-Übernahme immer noch handlungsfähig am M&A-Markt sein wird. Die UBS schätzt, dass nach Zahlung des Kaufpreises die Nettofinanzverschuldung von Lanxess bis Ende 2021 auf 1,6x Ebitda ansteigen, dann aber im nächsten Jahr auf 1,3x Ebitda zurückgehen wird – auch weil die Cash Conversion von Emerald Kalama Lanxess-Angaben zufolge starke 80 Prozent erreichen soll, was bedeutet, dass das Geschäft viel Geld für eine schnelle Rückführung der Schulden abwerfen dürfte.

Die Lanxess-Bilanz ließe also durchaus noch Raum für weitere M&A-Manöver, und das globale M&A-Geschehen in der Chemiebranche läuft gerade auf Hochtouren, insbesondere im Midcap-Bereich. Weltweit machen Investoren Druck auf die Chemiemanager, die Portfolios ihrer Unternehmen auf einen Kernbereich zu konzentrieren und alle anderen Geschäfte abzustoßen. Diesen Weg hat auch der Essener Chemiekonzern Evonik eingeschlagen. Er verkaufte sein Plexiglasgeschäft für 3 Milliarden Euro an den PE-Investor Advent und schluckte im Gegenzug mehrere Spezialchemieanbieter in den USA, darunter den Hersteller von Wasserstoffperoxid Peroxychem.

FINANCE-Köpfe

Michael Pontzen, Lanxess AG

Nach dem Studium der Betriebswirtschaft beginnt Michael Pontzen 1997 seine Karriere beim Industrieleistungsunternehmen Ferrostaal in Essen, wo er zwei Jahre lang als Vorstandsassistent tätig ist. 1999 wechselt er als Manager in die Investor Relations Abteilung bei MAN. 2001 verlässt er das Unternehmen und wird Teamleiter Investor Relations bei EADS (heute: Airbus) in München.

Im November 2004 wechselt er schließlich zum Spezialchemiekonzern Lanxess und ist zunächst als Leiter der Group Function Investor Relations tätig. Vier Jahre später übernimmt er die Leitung des Bereichs Corporate Finance innerhalb der Group Function Treasury. 2009 ist er zusätzlich für Risk und Cash Management verantwortlich. Im Januar 2012 erhält er die Leitung des Corporate Controlling. Im April 2015 wird Pontzen schließlich zum CFO des Konzerns ernannt und folgt damit auf Bernhard Düttmann, der seit 2011 Lanxess-CFO war.

zum Profil

„Wir sehen in der Chemiebranche eine hohe M&A-Dynamik und wollen weiter wachsen – organisch und anorganisch. Die jetzige Akquisition war der erste Schritt dazu. Zudem verfügen wir über die nötige Flexibilität, um mögliche Zukäufe zu tätigen“, sagte denn auch ein Lanxess-Sprecher gegenüber FINANCE. Der nächste Deal wird bereits vorbereitet: Die Kölner sollen gerade mit dem französischen Hersteller von Desinfektions- und Hygienelösungen Theseo verhandeln.

Der Vorteil von solchen Zukäufen in attraktiveren Nischen der Spezialchemie ist, dass damit auf Dauer auch ein Re-Rating der Lanxess-Aktie einhergehen könnte. Von dem Emerald-Kalama-Deal versprechen sich die Lanxess-Analysten von Stifel hingegen kein Potential für eine Multiple-Expansion.

sarah.backhaus[at]finance-magazin.de

Info

Mehr über den Lanxess-CFO erfahren Sie auf dem FINANCE-Köpfe-Profil von Michael Pontzen.

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