Am Markt für Mittelstandsanleihen ist es zur nächsten Schieflage eines prominenten Emittenten gekommen: Das Nürnberger Modehaus Wöhrl hat Gläubigerschutz im Rahmen eines Schutzschirmverfahrens beantragt. Damit hat das Familienunternehmen nun drei Monate Zeit, sich zu restrukturieren, neue Geldgeber zu finden und so eine reguläre Insolvenz zu vermeiden. Wöhrl ist nicht die erste Modefirma, die sich Geld über den Mini-Bond-Markt beschafft hat und dann in Schieflage gerät. Auch Firmen wie Strenesse, Rena Lange und Anfang dieses Jahres der Daueremittent Steilmann haben den Investoren schwerste Verluste eingehandelt.
Die Kapitalmarktgläubiger von Wöhrl, denen ebenfalls tiefe Einschnitte ins Haus stehen, ziehen sich zurück: Die 30 Millionen Euro schwere Mittelstandsanleihe, die Wöhrl im Februar 2013 begeben hatte, bricht auf 40 Prozent ihres Nennwerts ein. Das Papier hat eigentlich noch eine Laufzeit bis Februar 2018 und galt lange Zeit als Vorzeigepapier. Der Kupon von 6,5 Prozent ist einer der niedrigsten aller Mini-Bond-Emittenten, die nicht dem Immobiliensektor angehören. Die Ratingagentur Euler Hermes hatte den Wöhrl-Bond zuletzt mit BB- bewertet.
Familie Wöhrl begibt sich auf Investorensuche
Das 1933 gegründete Familienunternehmen steht nun vor dem Verkauf an neue Gesellschafter. Olivier Wöhrl, der Enkel des Unternehmensgründers, gibt seinen CEO-Posten an den bisherigen Aufsichtsratschef Andreas Mach ab und wird Chief Strategic Officer. Mach soll nun neue Investoren suchen. Die Eigentümerfamilie Wöhrl unterstützt die Investorensuche: „Die Familie wird jede Entscheidung mittragen, die im besten Interesse des Unternehmens, seiner Kunden und seiner Mitarbeiter ist“, lässt sich Wöhrl zitieren. Im Rahmen des M&A-Prozesses sind die Wöhrls auch bereit, ihren Mehrheitsanteil abzugeben.
Parallel zur Käufersuche steht Wöhrl eine tiefgehende Sanierung ins Haus. Neu an Bord als Chief Restructuring Officer kommt der Rechtsanwalt Christian Gerloff, der als Insolvenzverwalter unter anderem schon den Verkauf des Modekonzerns Escada an die indische Mittal-Familie begleitet hatte. Auch bei Rena Lange, einem anderen ausgefallenen Mini-.Bond-Emittenten aus dem Fashion-Bereich, war Gerloffs Kanzlei mit der Insolvenzverwaltung betraut.
Im Fokus der Sanierung stehen besonders Filialschließungen. Derzeit betreibt Wöhrl 34 Modehäuser und beschäftigt knapp 2.000 Mitarbeiter. Auch die Hauptverwaltung in Nürnberg soll verkleinert werden.
Noch im Frühjahr hat CEO Olivier Wöhrl abgewiegelt
Die Beantragung des Schutzschirmverfahrens ist das Eingeständnis der bisherigen Führung um Olivier Wöhrl, dass die bisher eingeleitete Restrukturierung zu zaghaft gewesen ist. Obwohl das Familienunternehmen seit Jahren unter Umsatz- und Ertragsrückgängen leidet, wurden bislang noch keine tiefen Einschnitte vorgenommen. Bei der Vorlage des Halbjahresberichts 2015/16 (Stichtag: 31.1.2016) in diesem Frühjahr sprach Wöhrl noch beschwichtigend von einer „Seitwärtsbewegung“, in der sich das Unternehmen befinde. „Im Branchenvergleich konnte sich Wöhrl behaupten“, behauptete der CEO.
Die Bondholder waren zu diesem Zeitpunkt schon reichlich nervös: Um die Jahreswende war die Anleihe, die bis dato deutlich über ihrem Nennwert notiert hatte, auf 75 Prozent abgestürzt. In Folge der Beruhigungsversuche aus Nürnberg kämpfte sich das Papier bis Anfang Juni wieder an seinen Nennwert heran, doch dann kam der nächste Absturz: In nur eineinhalb Monaten ging es bis Mitte Juli auf unter 50 Prozent bergab. Das Management konterte mit Aussagen, die im Lichte der heutigen Entwicklung bemerkenswert erscheinen: Der Kursverfall sei auf das schwache Marktumfeld am Mini-Bond-Markt zurückzuführen, ließ die Wöhrl-Führung gegenüber dem Marktportal „Anleihen-Finder“ ausrichten. Eine Existenzgefährdung gebe es nicht.
Möglicherweise hatten Personen aus dem Umfeld des Unternehmens zu dem Zeitpunkt, als diese Aussagen fielen, aber schon den Eindruck gewonnen, dass es um Wöhrl schlechter steht als vom Vorstand kommuniziert. Diejenigen hingegen, die nach den Managementaussagen mit ihren Käufen auf einen Turnaround setzten und den Bondkurs wieder ansteigen ließen, sitzen jetzt auf hohen Kursverlusten.
Wöhrl-Schulden hauptsächlich vom Bondmarkt
Hoffnungslos ist die Lage bei Wöhrl gleichwohl nicht. Im Gegensatz zu anderen pleitegegangenen Mini-Bond-Emittenten wie zum Beispiel German Pellets und KTG Agrar hat die Modekette keinen riesigen Schuldenberg angehäuft. Die Finanzverbindlichkeiten beliefen sich zuletzt nach Angaben des Unternehmens auf 42,7 Millionen Euro. Die Anleihe macht mit 30 Millionen Euro den Hauptteil aus, der Rest entfällt auf Bankkredite, Gesellschafterdarlehen und Mezzanine. Die Cash-Position bezifferte Wöhrl per Ende Januar auf 7,6 Millionen Euro.
Auch die Ertragskennzahlen sind zwar schwach, aber nicht katastrophal. Im ersten Halbjahr 2015/16 ging der Nettoumsatz um 2 Prozent auf 133,4 Millionen Euro zurück. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) fiel von 5,9 auf 4,0 Millionen Euro, unterm Strich stand ein Fehlbetrag von minus 0,7 Millionen Euro nach einem Mini-Gewinn von 0,9 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum.
Damit konnte Wöhrl den Niedergang zumindest etwas bremsen: Im abgelaufenen Geschäftsjahr waren der Umsatz noch um 6 Prozent und das Ebitda um mehr als ein Drittel auf 6,6 Millionen Euro zurückgegangen. Bei einer Nettoverschuldung von zuletzt 35 Millionen Euro und einem weiter rückläufigen Ebitda dürfte der Net Leverage zuletzt bei mindestens 6x bis 7x Ebitda gelegen haben. Nach Berechnungen von Euler Hermes reichte das Ebitda aber schon im Geschäftsjahr 2014/15 nicht mehr aus, um die Zinszahlungen zu decken. Das lässt vermuten: Eine Bilanzrestrukturierung erscheint bei Wöhrl unausweichlich.
Info
Wöhrl ist nicht der erste Mini-Bond-Emittent, der in Schieflage gerät. Die Liste der Pleitefälle und Krisenherde ist lang: Wer alles kämpft, lesen Sie auf unserer FINANCE-Themenseite zu Mittelstandsanleihen.