Nachdem der angeschlagene Schrottrecycler Scholz monatelang Vermutungen über einen notwendigen Schuldenschnitt einzudämmen versucht hat, muss das Familienunternehmen nun doch seine Passivseite restrukturieren. „Scholz strebt die umfassende Restrukturierung der Finanzverbindlichkeiten im Einvernehmen mit den Fremdkapitalgebern an“, gab das Unternehmen heute Morgen bekannt.
Um den größten Teil seines Schuldenbergs zu verringern – die 700 Millionen Euro, mit denen Scholz bei den Banken in der Kreide steht – verlegt das süddeutsche Familienunternehmen seinen Firmensitz von Essingen nach London. Das Kalkül ist klar: Unter dem britischen „Scheme of Arrangement“ können Schuldner ihre Verbindlichkeiten leichter und schneller restrukturieren als im deutschen Rechtsraum. Im Konfliktfall kann das Londoner Gericht sogar einen Zwangsvergleich unter den Gläubigern herbeiführen. Einer der ersten deutschen Mittelständler, der über den Umweg London einen Haircut erreicht hat, war der Autozulieferer Schefenacker. Im Jahr 2014 restrukturierte der Parkhausbetreiber Apcoa auf die gleiche Weise seine Schulden, wenngleich unter Störmanövern einzelner Gläubiger.
Chef der neuen Londoner Gesellschaft wird der bisherige Scholz-Chef, Firmenerbe Oliver Scholz. Ihm zur Seite stehen dort die beiden britischen Manager Michael Thomas und Nel Robson. Beide sind Partner der Restrukturierungsberatung Talbot Hughes McKillop. Sie sind Finanzspezialisten, keine operativen Sanierer. Scholz-CFO Parag-Johannes Bhatt bleibt in Essingen und kümmert sich dort zusammen mit COO Kay Oppat um das operative Geschäft, das nach wie vor schwer unter den fallenden Rohstoff- und Stahlpreisen leiden dürfte.
Ein Wiener Kurator soll die Scholz-Anleihe restrukturieren
Scholz hofft, die Finanzrestrukturierung noch im ersten Halbjahr dieses Jahres durchziehen zu können. Das wirkt ziemlich optimistisch, denn die Lage ist komplex, allein schon im Lager der Hauptgläubiger selbst. Dort haben sich FINANCE-Informationen zufolge inzwischen Hedgefonds eingekauft, die dem Vernehmen nach auch einen nennenswerten Teil des Brückenkredits von bis zu 50 Millionen Euro stellen, den Scholz im Dezember erhalten hat.
Noch weiter erschwert wird das Vorhaben dadurch, dass Scholz parallel noch einen zweiten Restrukturierungsprozess in Österreich anstoßen muss, da das Unternehmen 2012 eine 182,5 Millionen Euro schwere Mittelstandsanleihe nach österreichischem Recht begeben hat. Als gemeinsamen Vertreter der Anleihegläubiger hat ein Wiener Gericht gestern einen so genannten Kurator bestellt, der die Interessen der Bondholder vertreten soll.
Doch im Gegensatz zum Londoner Scheme of Arrangement ist das österreichische kein breit erprobtes, international eingeschwungenes Restrukturierungsverfahren. In Österreich gibt es nur alle paar Jahre größere Bondrestrukturierungen unter Einsatz eines Kurators. Entsprechend unsicher sind die Aussichten, wie gut die beiden parallel laufenden Verhandlungen in London und Wien ineinandergreifen werden. Aus den wenigen bisherigen Fällen ist bekannt, dass ein österreichischer Kurator ein vergleichsweise starkes Verhandlungsmandat hat.
Dies könnte dem Familienunternehmen helfen, dem wegen der näher rückenden Fälligkeit des Bonds (März 2017) und eines Großteils der Bankverbindlichkeiten (Anfang 2017) die Zeit davonzulaufen droht. Es könnte die Restrukturierung andererseits aber auch schwer belasten, wenn sich die beiden Parallelprozesse unterschiedlich dynamisch entwickeln, aber keine der beiden Gläubigergruppen vor einer Zustimmung der anderen einen Haircut akzeptieren will.
Neu-Investoren verlangen Schuldenschnitt, Bond bricht ein
Dies alles findet vor dem Hintergrund eines Investorenprozesses statt, der nun schon seit dem Sommer läuft und immer noch nicht in der Endphase ist. Scholz lässt durchblicken, dass der geplante Schuldenschnitt auf die Initiative der Kaufinteressenten zurückgeht, deren Finanzspritze Scholz dringend braucht, um seine Verbindlichkeiten bedienen zu können: „Die Interessenten machten deutlich, dass eine Eigenkapitalzufuhr die umfassende Restrukturierung der derzeitigen Kapital- und Schuldenstruktur erfordert“, schreibt Scholz.
Das Problem liegt auf der Hand: Offenbar übersteigt der Wert der Schulden – netto rund 900 Millionen Euro – den gesamten Unternehmenswert der Firmengruppe. Im abgelaufenen Geschäftsjahr dürfte Scholz einen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von nicht viel mehr als 100 Millionen Euro erwirtschaftet haben. Ohne eine deutliche Senkung der Schuldenlast können neue Investoren kein Geld ins Unternehmen stecken, ohne Vabanque zu spielen.
Diesen Fehler haben in der jüngeren Vergangenheit schon die Japaner gemacht: Im April 2014 stieg das Familienunternehmen Toyota Tsuho im Zuge einer Finanzspritze mit knapp 40 Prozent bei Scholz ein. Das Investment dürfte inzwischen nicht mehr viel wert sein. Die Japaner haben schnell Konsequenzen gezogen und schon wenige Wochen nach dem Start des jetzt laufenden Investorenprozesses deutlich gemacht, dass sie sich an einer neuerlichen Finanzspritze für Scholz nicht mehr beteiligen werden. Wenn nun ein Teil der Schulden in Eigenkapital getauscht und dann anschließend noch eine weitere Kapitalerhöhung gegen Cash durchgeführt wird, droht den Japanern die weitgehende Verwässerung ihrer Beteiligung – und nicht nur ihnen, sondern auch der Inhaberfamilie Scholz.
Die Bondgläubiger halten ihre Position offenbar für aussichtslos. Der Kurs der Anleihe, die erst Ende November einen schwarzen Montag erlebt hatte, bricht noch einmal um über 50 Prozent ein und notiert nun bei Kursen unter 20 Prozent.
Info
Alles zur schweren Krise bei dem Essinger Familienunternehmen zum Nachlesen – auf unserer FINANCE-Themenseite zu Scholz.