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Fallen-Angels-Welle erreicht Deutschland

Wenn der Staat im Zuge der Coronakrise als Kapitalgeber oder Anteilseigner einsteigen soll, gibt es für CFOs einige Dinge zu beachten. Und längst nicht jedem steht dieser Weg überhaupt offen.
Ratana21/iStock/Getty Images

Die Coronakrise setzt die Ratings zahlloser deutscher Unternehmen unter Druck – in den vergangenen Wochen mussten bereits die Lufthansa und ZF Friedrichshafen ihre Investmentgrade-Ratings abgeben. Auch jenseits der deutschen Grenzen hat es bekannte Namen wie den Lebensmittelhersteller Kraft-Heinz oder den Stahlkonzern Arcelor Mittal getroffen.

So viele „Fallen Angels“ wie in diesem Jahr hat es am High-Yield-Markt noch nicht gegeben – und das Jahresende ist noch lange nicht in Sicht. Wie sich die Schwämme an „Fallen Angels“ in diesem Jahr weiter entwickeln könnte, hat das Bankhaus Metzler zusammengefasst – und analysiert, für welche deutschen Unternehmen es schon bald eng werden könnte.

Glyphosat könnten Bayers Hybride zu Junk machen

Als erstes auf der Liste hat Metzler den Chemiekonzern Bayer. Die Hybridanleihen der Leverkusener werden derzeit sowohl von Moody’s als auch von Fitch mit dem niedrigsten Investmentgrade-Rating bewertet. Beide Agenturen haben den Ausblick für Bayer zudem auf negativ gesetzt. Die Begründung der Ratingagenturen: Im schlimmsten Fall könnten auf Bayer Glyphosat-Kompensationszahlungen von bis zu 20 Milliarden Euro zukommen.

Der Plan des Bayer-Managements, über eine Nettofinanzverschuldung von maximal 26 bis 28 Milliarden Euro im Jahr 2022 (7 bis 9 Milliarden weniger als aktuell) das Investmentgrade-Rating der Hybridanleihen bis zum Jahr 2022 abzusichern, wäre in diesem Fall ein Ding der Unmöglichkeit. Selbst ein Vergleich mit den Monsanto-Klägern über 10 Milliarden Dollar, wie er derzeit kolportiert wird, könnte zu einem Downgrade führen – und damit dazu, dass viele Investoren ihre Bayer-Hybridanleihen nicht mehr länger im Depot behalten dürfen.

Das Investmentgrade-Rating der Hybridanleihen bis zum Jahr 2022 abzusichern, wäre für Bayer im schlimmsten Fall ein Ding der Unmöglichkeit.

Werbekrise belastet Bertelsmann

Beim Medienkonzern Bertelsmann wackelt auch das Investmentgrade-Rating des Hybridkapitals, und zwar bedenklich. Während S&P Bertelsmann derzeit noch mit BBB- und einem negativen Ausblick bewertet, hat Moody’s das Familienunternehmen bereits Anfang Mai in den High-Yield-Bereich herabgestuft.

Der Grund dafür sind die rückläufigen Werbeeinnahmen, und von diesen hängt insbesondere die Bertelsmann-Tochter RTL stark ab. Die TV-Sendergruppe erzielte im vergangenen Jahr mehr als die Hälfte ihrer Einnahmen mit Werbung.

Leverage von Metro und Heidelcement zu hoch

Auch der Handelsriese Metro – der rund die Hälfte seiner Umsätze mit dem Hotel- und Gastronomiegewerbe erwirtschaftet – ist von dem Coronavirus schwer getroffen. Moody’s hatte das Rating der Düsseldorfer bereits im April unter Beobachtung für ein Downgrade gestellt – S&P zog Mitte Mai nach und senkte den Ausblick des Ratings auf negativ. Die Agenturen gehen davon aus, dass der Leverage von Metro coronabedingt auf über 3,5x Ebitda ansteigen könnte – und rechnen im Gegenzug nicht damit, dass die getroffenen Gegenmaßnahmen den Rückgang bei Cashflow und Gewinn in ausreichendem Maße bremsen können. Somit droht der eigentlich erhoffte positive Effekt aus dem Verkauf des China-Geschäfts zu verpuffen.

Die hohe Schuldenlast bringt auch den Baustoffkonzern Heidelcement in Bedrängnis. Dessen Rating hat Fitch im vergangenen Monat auf negativ gestellt – weil der Dax-Konzern nach dem Dafürhalten der Bonitätswächter nicht schnell genug mit dem Schuldenabbau vorankommt. Zudem leidet die vor einigen Jahren in einem Milliardendeal zugekaufte Tochter Italcementi unter dem monatelangen Shutdown der italienischen Wirtschaft. S&P und Moody’s sehen aber zumindest keinen dringenden Handlungsbedarf bei Heidelcement. Mit einem kurzfristigen Downgrade in den Junk-Bereich rechnen die Kapitalmarktexperten von Metzler nicht.

Automotive-Ratings ebenfalls unter Druck

Noch schlechter als der Medien- und der Baustoffindustrie geht es der Automobilbranche. Dort richten sich die Augen der Anleiheinvestoren besonders auf Schaeffler, weil das Familienunternehmen gleich von allen drei Ratingagenturen mit dem niedrigsten Investmentgrade-Rating eingestuft wird. S&P und Moody’s halten ein kurzfristiges Downgrade für möglich und haben den Zulieferer deshalb unter Beobachtung gestellt.

Schaefflers Leverage lag bereits zum Ende des vergangenen Jahres nach Berechnungen von Moody’s bei 3,5x Ebitda. Metzler hält es für „relativ wahrscheinlich“, dass mindestens zwei der drei Ratingagenturen den Autozulieferer in den kommenden Monaten herabstufen.

Ebenfalls unter Druck stehen die Hybridanleihen von Volkswagen: Diese haben bei Fitch und S&P das niedrigste Investmentgrade-Rating, bei Moody’s liegen sie immerhin noch zwei Notches über Junk. Einen negativen Ausblick haben S&P und Moody’s.

Dass Schaeffler in den kommenden Monaten von mindestens zwei der drei Ratingagenturen herabgestuft wird, hält Metzler für relativ wahrscheinlich.

Ganz so gefährdet wie Schaeffler ist das Hybridkapital von VW aber nicht: Moody’s rechnet damit, dass VW seine Finanzkennzahlen bis 2022 verbessern wird und hat deshalb sein „Review for Downgrade“ entfernt. Sollte der Leverage von VW allerdings doch über 2,0x Ebitda steigen, käme eine Herabstufung wieder in Frage. Zum Ende des Jahres lag er bei 0,9x, im Laufe dieses Jahres rechnen die Ratingagenturen mit einem Anstieg auf mindestens 1,8x.

Fallen-Angels-Welle kein deutsches Phänomen

Einen etwas anderen Fall skizziert Metzler bei dem Zuckerproduzenten Südzucker, dessen Rating bei Moody’s und S&P auch kurz vor dem Junk-Bereich steht. Eigentlich glaubte Südzucker-CFO Thomas Kölbl im Frühjahr, die größte Gefahr, das Investmentgrade-Rating zu verlieren, bereits hinter sich zu haben. Doch seit Februar befindet sich der für Südzucker zentrale Zuckerpreis wieder auf dem Rückzug. Doch in den anderen Geschäftsfeldern läuft es besser, und Kölbl hält das Geld fest zusammen. Um dauerhaft die Gefahr eines Downgrades abzuwenden, genügt das Moody’s aber nicht. Die Ratingagentur verlangt sichtbare Fortschritte beim Schuldenabbau.

Auch wenn diese Vielzahl an Beispielen es nahelegen könnte, so ist die die anrollende Welle an „Fallen Angels“ kein rein deutsches Phänomen. Auch ausländische Industrieflaggschiffe wie etwa die dänische Containerreederei AP Moeller-Maersk, die Fluggesellschaft International Airlines Group („British Airways“, „Iberia“) oder der Triebwerksproduzent Rolls-Royce stehen unmittelbar an der Schwelle.

Was die Lage so prekär macht: Je mehr große Emittenten Junk werden, desto stärker wächst das Angebot im High-Yield-Markt. Tendenziell verteuert dies die Finanzierungskosten aller dort agierenden Emittenten. Meist geraten die Anleihekurse auch schon im Vorfeld eines absehbaren Rating-Downgrades in den Junk-Bereich deutlich unter Druck. Und der Trend scheint unaufhaltsam, wie vor einer Woche der S&P-Stratege Tobias Mock im FINANCE-Interview warnte: Die zweite Downgrade-Welle stehe schon vor der Tür, und deren Höhepunkt könnte weit im nächsten Jahr liegen.

olivia.harder[at]finance-magazin.de

Info

Wie die Coronakrise die Corporate-Finance-Welt trifft, lesen Sie auf unserer Themenseite zum Coronavirus.

Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.