Verschnaufpause am Schuldscheinmarkt: Das Emissionsvolumen ist im ersten Quartal 2018 gegenüber dem Vorjahreszeitraum deutlich zurückgegangen. Es liegt nach den ersten drei Monaten des Jahres bei 3,9 Milliarden Euro und damit fast um die Hälfte unter dem Volumen des ersten Quartals 2017. Das zeigt das aktuelle FINANCE-Schuldschein-Update, das der Datenanbieter Thomson Reuters LPC exklusiv für FINANCE aufbereitet und das MeinFINANCE-Nutzer hier kostenlos herunterladen können.
Ein Grund für das deutlich gesunkene Emissionsvolumen: Derzeit sind kaum Jumbo-Transaktionen am Markt zu sehen. Anfang 2017 hatten gleich fünf Unternehmen mit ihren Transaktionen die 500-Milliarden-Euro-Marke geknackt. 2018 hat sich bisher nur der Handelskonzern Rewe mit einem Jumbo-Schuldschein mit einem Volumen von 1 Milliarde Euro an den Markt gewagt. Der zweit- und drittgrößte Deal fiel bereits deutlich kleiner aus.
Auch ausländische Emittenten mischen unter den Top 10 des noch jungen Jahres mit. Der französische Metallhändler Jacquet Metal Service und das schwedische Landwirtschaftsunternehmen Lantmännen platzierten jeweils einen Schuldschein über 150 Millionen Euro. Die österreichische Möbelhauskette XXX Lutz sammelte rund 140 Millionen Euro über den Markt ein. Ebenfalls in den Top 10 der Liste des Datenanbieters taucht ein Schuldschein des britischen Unternehmens Premier Oil auf. Hierbei handelt es sich nach Angaben von Thomson Reuters LPC allerdings nicht um eine neue Platzierung, sondern um eine Aktualisierung die auf eine Laufzeitverlängerung im Rahmen einer Restrukturierung zurückgeht.
Weniger Schuldschein-Deals im Markt
Zum Jahresauftakt ist nicht nur die Zahl der Jumbo-Transaktionen zurückgegangen, es gab auch insgesamt weniger Transaktionen. Unternehmen haben in den ersten drei Monaten des Jahres 25 Schuldscheine platziert. Gegenüber dem ersten Quartal 2017, in dem 32 Schuldscheine platziert wurden, entspricht das einem Rückgang um rund 20 Prozent.
Der abflauende Boom am Schuldscheinmarkt kommt nicht völlig überraschend: Nachdem das dritte Quartal 2017 sowohl mit Blick auf die Anzahl der Deals als auch beim Volumen einen Rekord verzeichnete, wurde es am Schuldscheinmarkt bereits Ende 2017 ruhiger. Das Volumen sank vom dritten auf das vierte Quartal 2017 von rund 8,8 auf knapp 6 Milliarden Euro, anstelle von 47 wurden lediglich 37 Schuldscheine platziert.
Schuldscheinemittenten müssen Konditionen nachziehen
Nicht nur die rückläufige Aktivität am Schuldscheinmarkt ist bemerkenswert. Spannend ist, dass auch die Stimmung der Investoren umzuschlagen scheint. Statt reihenweise Platzierungen zu Rekordkonditionen mehren sich die Nachrichten über Schuldscheintransaktionen, bei denen die Emittenten bei den Konditionen nachziehen mussten.
Dazu zählte Anfang des Jahres der Telekommunikationskonzern Telefónica Deutschland. Anfang April berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg, der Telekommunikationsausrüster Adva Optical habe bei seinem Schuldschein über 60 Millionen Euro das Pricing deutlich nach oben korrigiert. Zudem wurde eine neue kürzere Tranche hinzugefügt. Auch bei der Vermarktung des Grünen Schuldscheins von VW Immobilien im April lief nicht alles glatt. Das Unternehmen musste ebenfalls eine Tranche mit kürzerer Laufzeit hinzufügen.
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Einige Schuldscheinexperten hatten bereits in den vergangenen Monaten prophezeit, dass die Konditionen ihre Grenze erreicht haben. Zwischen einer deutlich höheren Zahl kleinerer Emittenten und den Warnschüssen durch die Vorfälle bei Carillion und Steinhoff sind Investoren vorsichtiger geworden.
Ob damit auch tatsächlich ein langfristig höheres Preisniveau einhergehen wird, ist allerdings noch offen. Die Meinungen der Experten dazu gehen auseinander, wie die FINANCE-Schwesterpublikation DerTreasurer berichtet.
LBBW behauptet unter den Banken weiterhin Spitzenplatz
Klar ist, dass den begleitenden Banken in dem komplexer werdenden Marktumfeld eine noch wichtigere Rolle zukommen wird. Unter den Emissionsbegleitern kann bisher, wie schon zum Beginn 2017, die LBBW ihre Spitzenposition verteidigen. Sie begleitete sieben Transaktionen und vereinigt damit einen Marktanteil von knapp 27 Prozent auf sich. Auf Platz 2 schafft es die BayernLB, die sich damit im Vergleich zum Beginn 2017 um einen Rang nach vorne schiebt. Sie begleitete sechs Deals mit einem Marktanteil von rund 16,7 Prozent. Auf den dritten Rang schafft es die DZ Bank, die damit im Quartalsvergleich um drei Plätze besser abschneidet (5 Deals, 15,5 Prozent Marktanteil).
Den meisten Boden gut machen kann Anfang 2018 die BNP Paribas. Während die französische Großbank Anfang 2017 in den Top 10 nicht vorkam, schafft sie es diesmal mit lediglich zwei begleiteten Deals auf Rang 5 (Marktanteil 8 Prozent). Abgerutscht ist dagegen die Deutsche Bank, die zum Jahresauftakt 2018 nur einen Schuldschein-Deal begleitet hat und mit einem Marktanteil von 1,4 Prozent um sieben Plätze von Rang 2 auf Platz 9 nach unten wandert. Anfang 2017 hatte sie mit sechs begleiteten Deals noch einen Marktanteil von 11,9 Prozent erreicht.
Schuldschein-Plattformen werden zum neuen Trend
Nachdem die LBBW bereits mit den ersten Blockchain-Schuldscheinen für Daimler und Telefónica Deutschland für Furore sorgte, entwickelt sich der Schuldscheinmarkt immer stärker zur Spielwiese für die Digitalisierung von Prozessen. Der Trend geht dabei zur Abwicklung der Transaktionen über neue, digitale Schuldschein-Plattformen.
Die Helaba platzierte zum Beispiel mithilfe des Fintechs Value Concepts einen grünen Schuldschein über 100 Millionen Euro für den österreichischen Energieversorger Verbund. Die Platzierung erfolgte über die digitale Emissionsplattform VC Trade. Auch die Telekom nutzte ein neues Angebot und begab einen Schuldschein über die bankenunabhängige Emissionsplattform Credx. Weitere Anbieter drängen in den Markt – zum Teil in Kooperation mit Banken, zum Teil als direkte Konkurrenz. Noch ist die Anzahl der Transaktionen zwar überschaubar. Es ist allerdings aus dem Markt zu hören, dass die Marktteilnehmer die Entwicklungen in diesem Bereich derzeit sehr genau beobachten.
Prognosen für den Schuldscheinmarkt im Jahr 2018
Dieses Jahr dürfte die Mehrheit der Schuldscheine nach wie vor auf dem klassischen Weg platziert werden. Und nach Einschätzung von Experten stehen noch eine ganze Reihe an Transaktionen aus. Denn obwohl das Schuldscheinvolumen im ersten Quartal deutlich zurückgegangen ist, sind die Erwartungen an das Gesamtvolumen nach wie vor hoch.
Die Experten der HSBC erwarten beispielsweise 2018 ein Volumen von insgesamt rund 20 Milliarden Euro. Mit den 3,9 Milliarden Euro aus dem ersten Quartal wäre dieses erst zu knapp einem Fünftel erreicht. Die ING ist sogar noch deutlich optimistischer: Die Bank geht davon aus, dass der bisherige Rekord von 29 Milliarden Euro aus dem Vorjahr 2018 bereits wieder fallen und das Volumen die 30 Milliarden-Euro-Marke überschreiten könnte.
antonia.koegler[at]finance-magazin.de
Info
Wichtiger Hinweis: Der Datenanbieter Thomson Reuters LPC hat am 4. Mai eine Aktualisierung seiner für FINANCE aufbereiteten Marktdaten vorgenommen. Der Artikel basiert auf den ursprünglich genannten Zahlen. Das aktualisierte Datenblatt können Sie im Bereich FINANCE-Research nach kurzer Registrierung kostenlos herunterladen.
Antonia Kögler ist Redakteurin bei FINANCE und Chefin vom Dienst bei DerTreasurer. Sie hat einen Magisterabschluss in Amerikanistik, Publizistik und Politik und absolvierte während ihres Studiums Auslandssemester in Madrid und Washington DC. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit Finanzierungsthemen und verfolgt alle Entwicklungen rund um Green Finance und Nachhaltigkeit in der Finanzabteilung.