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Aufspaltung von Fresenius: Das sind die Szenarien

Verkündet Fresenius am Dienstag erste Schritte zur Neujustierung der Unternehmensstruktur? Der Markt wartet gespannt. Foto: Fresenius
Verkündet Fresenius am Dienstag erste Schritte zur Neujustierung der Unternehmensstruktur? Der Markt wartet gespannt. Foto: Fresenius

Am Dienstag der kommenden Woche wird es spannend in Bad Homburg vor den Toren Frankfurts: Bei der Bilanzpressekonferenz werden die Fresenius-Chefs Stephan Sturm (CEO) und Rachel Empey (CFO) nicht nur wie üblich die Zahlen des vergangenen Jahres Revue passieren lassen, sondern auch ein Update zu einer drängenden Frage geben – einer möglichen Aufspaltung des Dax-Konzerns.

Diese drastische Maßnahme steht seit genau einem Jahr im Raum. Bei der Bilanzvorlage 2021 hatte Sturm überraschend verkündet, dass er die Konzernstruktur auf den Prüfstand stellen möchte. Der Grund dafür sei, dass Fresenius „nicht genügend Wertschätzung vom Kapitalmarkt“ erhalte.

Und daran hat sich seitdem nichts geändert. Zwar haben die Aufspaltungsfantasien und eine besser als erwartete Geschäftsentwicklung dafür gesorgt, dass die Fresenius-Aktie zumindest nicht mehr weiter abgesackt ist, aber mehr auch nicht: Seit dem Ausbruch der Coronakrise pendelt der Aktienkurs meist in einem Band zwischen 35 und 45 Euro. Das ist gerade einmal die Hälfte der Höchststände, die das Papier im Jahr 2017 erreicht hatte. Aktuell liegt der Kurs mit 38 Euro wieder im unteren Bereich dieser Spanne. Bitteres Fazit: Die Dax-Rallye ging an den Fresenius-Aktionären komplett vorbei.

Fresenius-Spin-offs: Stephan Sturm fordert „Geduld“

Seit seiner Ankündigung vor einem Jahr hat Sturm die Investoren mehrfach um Geduld gebeten und reklamiert, jegliche Veränderung der Konzernstruktur müsse „sorgfältig und gründlich“ abgewogen werden. Manche Beobachter vermuten dahinter die Hoffnung, dass ein Abflauen der Coronapandemie die Stimmung gegenüber Fresenius am Kapitalmarkt wieder verbessern und den Druck mindern würde, den Konzern tatsächlich aufzuspalten – was Sturm erkennbar nicht will. Der Fresenius-Chef und Ex-Investmentbanker argumentiert, dass die bestehende Struktur logisch und Fresenius mitnichten ein Konglomerat sei.

Als Beleg führt er an, dass Fresenius in genau der gleichen Struktur bis 2017 zu den Lieblingen am Kapitalmarkt zählte und hohe Bewertung-Multiples einfuhr. Außerdem würde die Zugehörigkeit zu einem Großkonzern den Töchtern einen günstigeren Zugang zu Kapital sichern als auf eigenständiger Basis.

Doch die Hoffnung, dass Zeit und Performance den Druck ein Stückweit dämpfen würden, ging nur teilweise auf: Während bei der Krankenhaustochter Helios und dem Projektmanager Vamed die Coronabelastungen tatsächlich nachließen, leidet die börsennotierte Tochter Fresenius Medical Care mehr denn je unter den Folgen der Pandemie: Dort sind die Gewinne auch 2021 wieder zweistellig eingebrochen

„Das Einzige, was das Management aktiv tun könnte, um den Unternehmenswert zu steigern, wären Spin-offs.“

Daniel Grigat, Fresenius-Analyst bei Stifel

Am meisten Potential steckt in Kabi

Im Vorfeld des bevorstehenden Auftritts der Fresenius-Führung hat die Investmentbank Stifel nun ausgerechnet, wie stark verschiedene Einschnitte in die Konzernstruktur die Fresenius-Aktie nach oben treiben könnten. Das Ergebnis ist verblüffend: Würden die drei nicht separat gelisteten Töchter Kabi, Helios und Vamed wie Vergleichsunternehmen bewertet, wäre die Fresenius-Aktie 61 Euro wert, das wären über 50 Prozent mehr als jetzt. Zu fast dem gleichen fairen Wert kommen die Analysten von Berenberg auf Basis einer Discounted-Cashflow-Berechnung. Die Schlussfolgerung des Stifel-Analysten Daniel Grigat aus diesen Zahlen: „Das Einzige, was das Management aktiv tun könnte, um den Unternehmenswert zu steigern, wären Spin-offs.“

Die Investmentbank nennt drei Optionen, die Fresenius hätte. Das größte Wertschöpfungspotential von 16 Euro je Aktie versprächen ein Verkauf oder eine Abspaltung von Kabi. Dennoch hält Stifel einen solchen Schritt für unwahrscheinlich. Der Grund: Die Flüssigarzneitochter sei „der Kern der Marke Fresenius“ und verspreche überdies auch noch das größte Wachstumspotential innerhalb der bestehenden Konzernstruktur.

Kabi steht kurz vor dem Launch einiger Biotech-Generika, die seit vielen Jahren entwickelt werden und ab Mitte des Jahrzehnts bis zu 1 Milliarde Euro Umsatz und 400 Millionen Euro Ebit pro Jahr erwirtschaften könnten. Allein diese Bio-Generika-Pipeline sei mindestens 9 Euro je Fresenius-Aktie wert, kalkuliert Stifel – kein Asset, das man kurz vor dem Durchbruch abverkaufen sollte.

Präsentiert Fresenius-Chef Sturm einen Partner für Helios?

Fast genauso viel Wert aufdecken könnten Sturm und Empey laut Stifel mit dem Verkauf von Helios – aber nur theoretisch. Solange Corona tobt und die für die Betreiber lukrativen „elektiven“ Operationen stark einschränkt, wäre der faire Mehrwert von 15 Euro je Fresenius-Aktie nicht zu realisieren.

Stifel kann sich freilich vorstellen, dass Fresenius die Tochter Helios in eine Partnerschaft mit einer anderen großen privaten Klinikkette einbringt, um an Substanz zu gewinnen und Synergien zu heben. In einem zweiten Schritt könnte dieses Unternehmen dann später an der Börse platziert werden.

Rachel Empey

Fresenius SE & Co KGaA

Die Tücken der Konsolidierung von FMC

Die dritte Option wäre die einfachste – aber auch die mit dem geringsten Potential: der Verkauf des 32-Prozent-Anteils an Fresenius Medical Care (FMC). Aktueller Marktwert: 5,5 Milliarden Euro. Da FMC börsennotiert ist, wären nennenswerte Preisaufschläge unwahrscheinlich, zumal FMC gerade massiv unter den Coronafolgen leidet und die allgemeine Skepsis gegenüber den mittelfristigen Zukunftsperspektiven des Dialyseanbieters groß ist.  

Allerdings hätte es durchaus Charme, wenn Fresenius zumindest so viele FMC-Aktien verkaufen würde, dass der Anteil unter 25 Prozent sinkt. FMC könnte die Aktien theoretisch sogar selbst zurückkaufen, was den Prozess erheblich vereinfachen und beschleunigen würde.

Der Effekt wäre aus Sicht vieler Investoren positiv: Nach einem größeren Anteilsverkauf könnte Fresenius die ebenfalls im Dax notierte Tochter entkonsolidieren, was die Kapitalmarktkommunikation erleichtern würde. Denn dort erschwert den Bad Homburgern nicht nur das komplexe Zahlenwerk die Arbeit, sondern auch die nötige Abstimmung mit der Führung von FMC. Weil FMC selbst prominent börsennotiert ist, verweist Fresenius bei fast allen wichtigen Investorenfragen zu FMC an das dortige Management, was die Investoren zusehends nervt.

Da es bei Sturms Überlegungen aber just darum geht, die Fresenius-Aktie wieder attraktiver zu machen, könnte dieser kleine und simple Schritt zumindest der erste sein, den er gehen wird. Er würde ihm Zeit verschaffen und Fresenius gut 1 Milliarde Euro an frischem Cash. Mitte nächster Woche wird der Markt vermutlich mehr wissen.