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Ekosem-CFO Bläsi: „Sehe überhaupt keine Gefahr“

Eine Equity Story mit Ecken und Kanten, aber CFO Wolfgang Bläsi verteidigt die Wachstums- und Finanzierungsstrategie von Ekosem Agrar vehement.
Ekosem Agrar

Herr Bläsi, zunächst eine persönliche Frage: Warum sind Sie vor wenigen Wochen wieder zurück zu Ekosem-Agrar gekommen, nachdem Sie dort den CFO-Posten 2016 niedergelegt hatten?  
Ekosem-Agrar ist mit seinen erfolgreichen Aktivitäten in Russland ein sehr attraktives Unternehmen mit einem extrem engagierten Managementteam. Insofern ist es eine Freude und ein Privileg, dort zu arbeiten. Ich habe vor zwei Jahren nach einer anstrengenden Zeit eine für mich richtige Entscheidung getroffen. Die aktuelle Entwicklung und die Möglichkeiten, die das für das Unternehmen und den CFO bietet, haben mich überzeugt, hier wieder anzugreifen.

Offiziell steht Ihre Rückkehr im Zusammenhang mit den Börsenplänen, die Ekosem Anfang August öffentlich gemacht hatte. Aber vor dem Hintergrund, dass das Unternehmen mit rund 8x Ebitda verschuldet ist – ist das nicht eher eine Rettungsmission, weil Ihren Nachfolgern die Finanzen aus dem Ruder gelaufen sind?
Wer sich das Geschäftsmodell der Gruppe anschaut, wird schnell zum Ergebnis kommen, dass die Produktion von Rohmilch in diesem Umfang wohl zu den kapitalintensivsten Aktivitäten in der Agrarbranche gehört. Der profitable Wachstumskurs, den die Gruppe seit Jahren verfolgt, führt dazu, dass die Verschuldung steigt. 

Gleichzeitig ist die weitere Entwicklung in der Rohmilchproduktion gut planbar. Wir wissen heute bereits recht präzise, wie viele Milchkühe Ende nächsten Jahres im Stall stehen werden und wie viel Milch wir auf dieser Basis im Jahr 2020 produzieren können. Und durch die Zinsförderung der russischen Regierung haben wir aktuell über das gesamte Kreditportfolio in Rubel einen durchschnittlichen effektiven Zinssatz von rund 5,8 Prozent. Damit sehen wir uns sehr gut aufgestellt. Mit der Arbeit meiner Nachfolger bin ich sehr zufrieden.

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Wolfgang Bläsi, Ekosem-Agrar AG

1997 startet Bläsi seine berufliche Laufbahn als Trainee in der internen Revision des Burda-Verlags. Danach wechselt er 1999 als Assistent der Geschäftsleitung zum SAP-Beratungshaus Novasoft und bereitet dessen IPO am Neuen Markt vor. Ab 2001 leitet er  das Rechnungswesen und die Kommunikation. Bis 2007 ist er auch Finanzvorstand des inzwischen vom US-Unternehmen Ciber übernommenen Konzerns.

Im Anschluss startet Bläsi eine Unternehmensberatung im Bereich Klimaschutz, wechselt jedoch im April 2008 als Finanzchef zum Landwirtschaftsunternehmen KTG Agrar. Dieses Amt legt er zum 30. September 2009 nieder.

Im März 2010 wird Bläsi Geschäftsführer und CFO von Ekosem Agrar sowie des Landmaschinenherstellers Ekotechnika, ein Schwesterunternehmen Ekosems. Er verantwortet die IFRS-Abschlusserstellung, die Unternehmensfinanzierung sowie das Legal Restructuring.

Im September 2016, nachdem bei beiden Unternehmen die ausstehenden Mittelstandsanleihen restrukturiert wurden, steigt Bläsi bei Ekosem und Ekotechnika aus. Zwischenzeitlich arbeitet er als selbstständiger Finanzierungsberater und agiert unter anderem bei der Restrukturierung der Mittelstandsanleihe des Sanitärausrüsters Sanha. Im August 2018 holt Ekosem Bläsi zurück: Als CFO soll er dabei mithelfen, den russischen Agrarbetrieb mit deutscher Holding an die Börse zu führen.

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Bläsi: Covenant-Bruch wegen neuem Kredit

Ekosem hat im vergangenen Jahr die Covenants wichtiger Kreditverträge gebrochen. Ist dieses Problem inzwischen beseitigt, oder hängt die Finanzierung des Konzerns aktuell daran, dass die Banken ihr Sonderkündigungsrecht nicht wahrnehmen?
Ich kann Ihnen versichern, dass wir mit den drei wesentlichen Kreditgebern eine sehr enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit pflegen und ich deswegen keinerlei praktische Gefahr sehe, dass eine Bank ein Sonderkündigungsrecht auch nur erwägt. Die Covenant-Brüche Ende 2017 resultierten daraus, dass eine dieser drei Banken kurz vor Jahresende nochmals zinssubventionierte Kredite ausreichen konnte. Es war eine wirtschaftlich vernünftige Entscheidung, diese Kredite aufzunehmen – die allerdings dazu geführt hat, dass die mit einer anderen Bank vereinbarte maximale Gesamtverschuldung überschritten wurde.

„Ich sehe keinerlei praktische Gefahr, dass eine Bank ein Sonderkündigungsrecht auch nur erwägt.“

Wir haben bereits Maßnahmen angestoßen, um zukünftig schneller auf solche Dinge reagieren zu können. Dazu zählt, Gespräche mit den Banken zu führen, um die Kreditbedingungen stärker an den Bedürfnissen des Unternehmens auszurichten. Ich bin zuversichtlich, dass wir hier Verbesserungen erreichen können.

Ihre Hauptgeldgeber sind russische Banken. Die USA sind gerade dabei, die Finanzsanktionen gegen Russland noch weiter zu verschärfen. Sind das noch stabile Finanzierungspartner?
Von den in Ihrer Frage genannten handelnden Parteien halte ich die russischen Banken für die deutlich stabileren Partner. Wenn Sie sich die Entwicklung der relevanten Kennzahlen anschauen, stellen Sie fest, dass die russische Wirtschaft sich in den letzten 18 Monaten sehr deutlich stabilisiert hat. Sämtliche Maßnahmen aus den USA sowie die entsprechenden vollmundigen Ankündigungen zielen im Wesentlichen darauf, von den eigenen Problemen abzulenken und mögliche Wettbewerber für die eigene Wirtschaft zu schwächen. Ich teile die Meinung vieler Beobachter, die von einer Entspannung nach den amerikanischen Mid-Term-Elections ausgehen. Wir sehen heute keine Veranlassung, an der Stabilität unserer Kreditgeber zu zweifeln – jedenfalls nicht mehr als an vielen anderen Banken.

Russland-Dürre trifft Ekosem nur zum Teil

Ekosem hat auch noch zwei Mittelstandsanleihen in Deutschland ausstehen, Volumen: 128 Millionen Euro. Deren Laufzeit musste um vier Jahre verlängert werden, weil es mit der Rückzahlung eng wurde. Im Lichte des Covenant-Bruchs und der extrem hohen Verschuldung: Einige Bondholder dürften sich Sorgen machen, dass es mit der Rückzahlung 2021 und 2022 wieder nicht klappt.

Die Laufzeit der Anleihen ist zu einem frühen Zeitpunkt im Dialog mit den Gläubigern einvernehmlich um vier Jahre verlängert worden, um dem Unternehmen Spielraum für die weitere Entwicklung zu gewähren. Das Unternehmen hat alle Zinsverbindlichkeiten pünktlich und vollständig bedient, und die Kurse beider Anleihen bewegen sich um 100 Prozent. Ich glaube, das unterstreicht, dass uns die Investoren ihr Vertrauen schenken.

„Die Kurse unserer Anleihen unterstreichen, dass uns die Investoren ihr Vertrauen schenken.“

Die aktuelle Mega-Dürre in Zentraleuropa zeigt aber, wie anfällig das Geschäftsmodell Landwirtschaft ist. Ekosem verfolgt dennoch einen intensiven Wachstumskurs. Wie schauen Sie als oberster Risikomanager des Konzerns auf diese enorm offensive Gangart?  
Das Phänomen, dass es in manchen Regionen zu viel, in anderen zu wenig regnet, kennen Landwirte seit vielen Generationen. Bester Schutz gegen solche Einflüsse sind Diversifizierung und die Ausweitung der Wertschöpfungskette. Die Ekosem-Gruppe bewirtschaftet Betriebe zwischen der Westgrenze Russlands und Nowosibirsk – die Distanz beträgt 3.700 Kilometer. Schon hier wird klar, dass das Wetter nie an allen Standorten gleich ist. Die Tierhaltung ist eine klassische Ausweitung der Wertschöpfungskette, die ausreichende Bevorratung von Futter eine sinnvolle Absicherung gegen Witterungseinflüsse. Wir sehen in diesem Jahr keine nennenswerte Beeinträchtigung unseres Geschäfts. Sicherlich fällt die Getreideernte generell auch in Russland deutlich niedriger aus als im Vorjahr. Aber damals war sie auf absolutem Rekordniveau. Außerdem wirkt sich die schwächere Ernte deutlich positiv auf die Getreidepreise aus, was die negativen Auswirkungen reduziert.

CFO Wolfgang Bläsi muss Finanzierungs-Mix erneuern

Jetzt will Ihr CEO Stefan Dürr auch noch groß in die Weiterverarbeitung der von Ekosem produzierten Milch investieren. Heißt das: Selbst wenn der IPO gelänge, würde das keine Senkung der hohen Schulden bedeuten, sondern nur die nächste Investitionsoffensive mit unverändert hohem Leverage?

„Beim Finanzierungs-Mix für unsere anstehenden Investitionen haben wir den Leverage der Gruppe im Blick.“

Das heißt zunächst vor allem, dass weitere Volatilität aus dem Geschäftsmodell genommen wird. Während die Preise für Rohmilch mit den globalen Märkten schwanken, entwickeln sich Preise für Lebensmittel deutlich stabiler. Insofern sehen wir eine Erweiterung der Wertschöpfungskette in einem sehr chancenreichen Markt als strategisch sinnvollen Schritt. Dies erfordert weitere Investitionen, und wir sind derzeit dabei, die optimale Finanzierung dieser Investitionen zu strukturieren. Dies geschieht mit Augenmaß, und wir haben bei unserem Finanzierungs-Mix den Leverage der Gruppe im Blick.

Zum Schluss noch eine Frage zu Ihrer Position am Kapitalmarkt: Als Sie sich nach der erfolgreichen Laufzeitverlängerung der Bonds von Ekosem verabschiedet hatten, wanderte die Finanzabteilung fast komplett zur operativen Einheit in Russland. Die deutschen Investoren hatten keinen CFO mehr als Ansprechpartner. Wie wollen Sie die Verbindungen zu den deutschen Investoren wieder stärken, damit Frankfurt als möglicher Börsenplatz Ihres geplanten Listings zu einer reellen Option werden kann?
Ekosem hat in den letzten Jahren regelmäßig aktiv über die Entwicklung des Unternehmens berichtet. Der Dialog mit unseren Investoren ist über die russischen Kollegen in Zusammenarbeit mit unseren Investor-Relations-Beratern weiter gepflegt worden. Bestes Indiz dafür ist die Erholung der Anleihekurse auf annährend 100 Prozent. Insofern sehe ich hier kein Defizit. Die gute Vorarbeit spielt sicher auch eine Rolle bei der Wahl eines Börsenplatzes. Wir werden den Dialog mit Investoren aktiv suchen, um für die Entscheidung über die weitere Finanzierungsstruktur möglichst viel Input zu erhalten und basierend darauf eine gute Entscheidung für das Unternehmen, seine Aktionäre und die Bondholder zu treffen.

Info

Erfahren Sie mehr über die Lage bei Ekosem Agrar und den neuen (alten) CFO im FINANCE-Köpfe-Profil von Wolfgang Bläsi.