Autozulieferer in der Krise: Letzte Ausfahrt Private Equity?

Wie tief die deutsche Automobilindustrie in der Krise steckt, muss man inzwischen nicht mehr ausführen, so bekannt sind die Herausforderungen und der Transformationsdruck, vor denen der Sektor steht. Die Probleme erschweren unter anderem die Finanzierungsgespräche mit Bankpartnern: Die Geldhäuser fahren ihre Kredit-Exposures zum Teil drastisch herunter und lassen sich, wenn überhaupt, nur noch auf kreditgeberfreundlichere Amend-&-Extend-Transaktionen ein. Schnell richtet sich der Blick daher auf alternative Finanzierungspartner wie Private-Equity-Investoren oder Private-Debt-Fonds, speziell mit Distressed-Fokus. Die erhofften Heilsbringer sind die Finanzinvestoren allerdings nicht. Info Unsere Serie „Automotive in der Krise“ beleuchtet die drängendsten Fragen der Branche: Welche Zulieferer stehen besonders unter Druck? Welche Finanzierer unterstützen die angeschlagenen Unternehmen noch, und welche Rolle nimmt dabei Private Equity ein? Außerdem im Fokus: die CFOs der Branche – wer meistert die Herausforderungen und führt seine Unternehmen erfolgreich durch die Krise? Alle Serienteile finden Sie hier. Automotive ist für Private Equity nicht sexy genug Die erste bittere Pille, die Autozulieferer schlucken müssen: Es gibt nur noch wenige klassische Private-Equity-Investoren, die in die Automobilindustrie investieren. Branchenkenner bringen Häuser wie Hannover Finanz oder auch H.I.G. Capital ins Spiel, die dem Sektor noch offen gegenüberstehen. „Aber auch diese Finanzinvestoren wenden sich tendenziell von der Automobilbranche ab und richten sich immer stärker auf Zukunftssektoren wie Software oder Business Services aus“, berichtet Steffen Leckert. Wobei der Automotive- und Industrials-Experte der Corporate-Finance-Beratung Carlsquare dafür plädiert, nicht alle Automobilunternehmen über einen Kamm zu scheren und zwischen zukunftssicheren Geschäftsmodellen und solchen ohne Zukunftsaussichten klar zu differenzieren. Letztere haben für traditionelle Private-Equity-Investoren schlichtweg ein zu schlechtes Risiko-Rendite-Profil. Entsprechend schwierig ist es, potentielle Automotive-Deals vor dem Investment Committee und schlussendlich vor den eigenen Investoren zu rechtfertigen. Finanzinvestoren lassen deshalb lieber gänzlich die Finger von dem Sektor, als sich diese an ihm zu verbrennen. Den Rückzug von Private Equity aus der Automobilindustrie verdeutlichen auch die Midmarket-Buy-outs, für die FINANCE jedes Jahr Private-Equity-Übernahmen mit einem Unternehmenswert zwischen 50 und 250 Millionen Euro analysiert. Seit 2004 ist der Anteil an Automotive-Deals stetig geschrumpft, aktuell liegt er bei gerade einmal 9,8 Prozent (Durchschnittswert der vergangenen 20 Jahre). Im vergangenen Jahr hatte von 44 Transaktionen sogar nur eine einzige einen Automotive-Bezug, und das war die Übernahme des verlustschreibenden Webasto-Ladegeschäfts durch den US-Distressed-Investor Transom Capital. Mehr zum Thema Autozulieferer Webasto präsentiert Käufer für sein Ladegeschäft Die Private-Equity-Gesellschaft Transom Capital Group wird die Mehrheit an der defizitären Ladelösungssparte von Webasto übernehmen. Der Autozulieferer bleibt Minderheitsgesellschafter. Mehr lesen Distressed-Investoren setzen auf Dividendenmodelle Dieser Distressed-Deal ist ein Beispiel für eine M&A-Option, die kriselnde Autozulieferer derzeit noch haben: den Verkauf an einen Distressed-Private-Equity-Investor. In Frage kommen hier Häuser wie Mutares, Aurelius oder Aequita. Diese sind allerdings nicht immer an einer nachhaltigen Transformation des Geschäftsmodells interessiert, die auf ein perspektivisches Bestehenbleiben des Unternehmens abzielt. „Eine Special-Situations-Anlagestrategie ist auch der ‚run down‘ einer Gesellschaft bis zur Abwicklung“, sagt Daniel Gebler, Finanzierungsberater bei Carlsquare. In der Run-down-Periode könne auch noch aktive Konsolidierung betrieben werden, der Return werde dabei über auskömmliche Renditen erzielt. Gepaart mit einem niedrigen oder nichtexistenten Kaufpreis finanziert sich so das Investitionsmodell vieler Distressed-Investoren. Besonders Autozulieferer mit einem guten Aftermarket-Geschäft können sich auf diese Weise noch ein paar Jahre Zeit erkaufen. Denn die Nachfrage nach Ersatzteilen wird voraussichtlich noch einige Jahre länger bestehen als die nach der Erstausstattung. Mehr zum Thema Warum Private Equity (wieder) in Automotive investieren sollte Viele Autozulieferer werden gerade zum Distressed-Fall, die ganze Branche ist für Private Equity offenbar verbrannt. Für mutige PE-Häuser könnte aber genau das eine große Chance sein, attraktive Investments zu machen. Die ersten PE-Häuser sondieren schon. Mehr lesen Private Debt sucht nach Automotive-Wachstumsgeschichten Was aber ist mit Private Debt? Sind die Kreditfonds eine veritable Finanzierungsoption für strauchelnde Autozulieferer? Schließlich eilt ihnen der Ruf voraus, sie seien bereit, sich komplexere Finanzierungen anzuschauen als etwa Banken oder Private-Equity-Investoren – und für das größere Investitionsrisiko schlichtweg höhere Kreditmargen zu verlangen. Das ist zwar richtig, aber auch nur ein Teil der Wahrheit. Private-Debt-Investoren scheuen kompliziertere Finanzierungsanlässe grundsätzlich nicht, was unter anderem daran liegt, dass sie nicht von einer strengen Regulatorik abhängig sind (wie Banken, die bestimmte Eigenkapitalanforderungen erfüllen müssen). Auch Finanzierungsberater Gebler erachtet die Debt-Fonds als grundsätzlich offen für Automotive. „Wir schließen Automotive nicht kategorisch aus, aber wir haben länger keine Finanzierung mehr in dem Sektor eingefädelt.“ Ein anonymer Private-Debt-Investor Allerdings sind die Kreditfonds – wie Private Equity – ihren Geldgebern Rechenschaft schuldig. Sie müssen Automotive-Deals also ebenso kritisch prüfen wie ihre Equity-Pendants. Hinzu kommt, dass Private Debt qua Geschäftsmodell keine Möglichkeit hat, operative Value Creation zu betreiben. Deshalb sind Kreditfonds auch an „natürlichen“ Wachstumsfinanzierungen interessiert, bei denen sie erst gar in die Position kommen, nachhelfen zu müssen. Ein Midcap-Private-Debt-Investor, der anonym bleiben möchte, um offen sprechen zu können, bestätigt diesen Eindruck: „Wir schließen Automotive nicht kategorisch aus, aber wir haben auch schon länger keine Finanzierung mehr in dem Sektor eingefädelt.“ Spannend werde es seiner Ansicht nach, wenn das Unternehmen nicht nur in einem wachsenden Subsegment tätig ist, sondern zudem an weiteren Zukäufen arbeitet: „Hierfür stellen wir gern Kapital bereit.“ Problematisch seien dafür „ein hoher Capex, niedrige Cashflows, veraltete Finanzierungsstrukturen und hohe Abhängigkeiten von OEMs“. Was ist aus Ansätzen wie der Best Owner Group geworden? Große Hoffnung steckte die Autozulieferindustrie daher in neue Ansätze, wie sie etwa die IG Metall ins Leben gerufen hatte. 2020 lancierte die Arbeitnehmervertretung die Best Owner Group (BOG), um sich an Zulieferern zu beteiligen, deren Geschäftsmodell auf den Verbrennermotor ausgerichtet ist und denen damit ein absehbares Ende bevorsteht. BOG wollte eine halbe Milliarde Euro bei institutionellen Investoren einsammeln, um die Zulieferer „bis zum Auslaufen der Produktion professionell zu begleiten“. Die Idee dahinter: Viele Betriebe seien (noch) gewinnbringend, weil keine Entwicklungskosten oder Neuinvestitionen anfallen. Diese Unternehmen, und vor allem die Mitarbeiter, sollten bis zur Abwicklung begleitet werden. Auch Umschulungen wären Teil des Programms gewesen. Zudem hätten OEMs die Möglichkeit gehabt, sich finanziell zu beteiligen. Mehr zum Thema Neuer Beteiligungsfonds für strauchelnde Autozulieferer Ein neuer Beteiligungsfonds will Autozulieferer kaufen, die bei der Transformation zur Elektromobilität auf der Strecke bleiben. Mit dabei ist ein prominenter Manager. Das steckt hinter dem Projekt. Mehr lesen Die Initiative ist allerdings schon länger Geschichte. Im Sommer 2022 wurde das Projekt beendet und BOG abgewickelt, teilte ein Sprecher auf Nachfrage von FINANCE mit. „Obwohl das Konzept von nahezu allen Stakeholdern begrüßt wurde, war es nicht gelungen, das nötige Eigenkapital für den BOG-Fonds zu akquirieren, sodass das Projekt eingestellt werden musste“, so der IG-Metall-Sprecher weiter. Auch der US-Distressed-Investor KPS versuchte sein Glück mit einem dedizierten Automotive-Transition-Fonds. Konkrete Investitionen blieben jedoch aus. KPS teilte auf FINANCE-Nachfrage mit, aus den aktuellen Fonds auch Automotive-Investments tätigen zu können. Wenn Banken, Kreditfonds und Private Equity sich von dem Sektor fernhalten, bleibt den strauchelnden Autozulieferern in letzter Instanz also nur die Zusammenarbeit mit Distressed-Fonds. Aber auch hier drängt die Zeit, denn die Special-Situations-Häuser investieren ebenfalls nur, solange sie einen Investment Case für sich sehen. Ohne diesen wird die Luft schnell dünn.

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