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Insolvenzen: Gehen die Corona-Hilfen zu weit?

Die Zahl der Insolvenzen bleibt niedrig. Ist der Staat bei den Corona-Hilfen zu großzügig?
Die Zahl der Insolvenzen bleibt niedrig. Ist der Staat bei den Corona-Hilfen zu großzügig? (Foto: vegefox.com - stock.adobe.com)

Die Zahl der Großinsolvenzen ist in Deutschland weiterhin auf Talfahrt. Das zeigt der aktuelle FINANCE-Insolvenz-Report, den die Restrukturierungsberatung Falkensteg exklusiv für FINANCE anfertigt und der Großinsolvenzen von Unternehmen mit einer Umsatzgröße von 20 Millionen Euro und mehr analysiert.  

Die Daten zeigen: Zwischen April und Juni dieses Jahres stellten 14 Unternehmen mit einem Umsatz über 20 Millionen Euro einen Insolvenzantrag, im ersten Quartal dieses Jahres waren es 17 Unternehmen. Das entspricht einem Rückgang um 17 Prozent. Gegenüber dem zweiten Quartal des Vorjahres, als Corona mit voller Wucht in Deutschland einschlug, ging die Zahl der Großpleiten sogar um 78 Prozent zurück: Damals beantragten 64 Unternehmen mit mehr als 20 Millionen Euro Umsatz die Insolvenz.

Jetzt als FINANCE-User den FINANCE-Insolvenz-Report als PDF herunterladen:

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Großinsolvenzen weiter im Sinkflug

Die sinkende Zahl der Großinsolvenzen setzt sich damit trotz strenger werdender Regelungen fort: Während der Corona-Pandemie hatte der Gesetzgeber die Insolvenzantragspflicht für Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen vorübergehend ausgesetzt. Diese Aussetzung lief Ende April aus – zu einem Anstieg der Fälle hat dies bislang jedoch nicht geführt.

Staatliche Maßnahmen wie Kurzarbeitergeld und Überbrückungshilfen wirkten dem entgegen, vermutet Falkensteg-Experte Johannes von Neumann-Cosel. Allerdings sieht er die Hilfen auch kritisch: „Der weitere Sinkflug zeigt eindeutig, dass die Maßnahmen weit über das Ziel hinausgeschossen sind“, mahnt er. „Natürlich muss den unverschuldet in die Krise geratenen Firmen geholfen werden, aber das andauernde Gießkannenprinzip hemmt in vielen Branchen den erforderlichen Strukturwandel und hält unrentable Unternehmen am Leben.“

„Der weitere Sinkflug zeigt eindeutig, dass die Maßnahmen weit über das Ziel hinausgeschossen sind.“

Johannes von Neumann-Cosel, Falkensteg

Eine Sorge ist, dass durch die Hilfen sogenannte Zombie-Unternehmen künstlich über Wasser gehalten werden, die allein aufgrund ihres Geschäftsmodells nicht mehr wettbewerbsfähig wären. Dies geschieht etwa, wenn Unternehmen die Hilfsgelder nur dazu nutzen, ihre Finanzlage aufzubessern anstatt in ihre Zukunft zu investieren.

Dem Report zufolge hat der Staat für Kurzarbeit, KfW-Kredite, Bürgschaften, WSF-Mittel und weitere Hilfen bis August 2021 insgesamt rund 153,1 Milliarden Euro bereitgestellt. Die meisten Anträge auf staatliche Corona-Förderungen stellten im vergangenen Jahr Unternehmen aus den Branchen Gastronomie, Maschinenbau und Automotive. Unternehmen aus diesen drei Branchen erhielten jeweils zwischen 1 Milliarde und 1,5 Milliarden Euro aus Bundes-Mitteln.

Krise erreicht den Maschinenbau

Maschinenbauer waren im zweiten Quartal 2021 besonders häufig unter den kriselnden Unternehmen vertreten: Mehr als jede dritte der 14 Großinsolvenzen wurde von einem Unternehmen aus dem Maschinenbau oder dem Hersteller-nahen Bereich gestellt. Allerdings stehen zwei der fünf größten Verfahren des zweiten Quartals bereits wieder vor dem Abschluss: Die Maschinenbauer Saurer Spinning Solutions und Saurer Technologies haben vor wenigen Tagen mit dem Schweizer Wettbewerber Rieter einen neuen Investor gefunden, so dass die Eigenverwaltungs- und Schutzschirmverfahren zurückgenommen werden können.

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Von den 182 Insolvenzverfahren aus dem Jahr 2020 sind inzwischen 84 Prozent abgeschlossen. Die meisten Verfahren endeten mit dem Einstieg eines neuen Investors: 82 Insolvenzen und damit 45 Prozent der Fälle wurden über einen Asset Deal gelöst. In 37 Fällen und damit etwa jedem fünften Insolvenzverfahren stimmten die Gläubiger einem Insolvenzplan zu. Für 17 Prozent der Unternehmen gab es keine zweite Chance, sie wurden inzwischen liquidiert.

Das größte im zweiten Quartal 2021 abgeschlossene Verfahren war die Insolvenz des Autozulieferers Veritas, die ebenfalls über einen Asset Deal gelöst wurde. Allerdings stellten personelle Lücken auf mehreren Managementebenen die Restrukturierer vor große Herausforderungen, berichtet Insolvenzverwalter Jan Markus Plathner (Brinkmann & Partner) in einem Interview für den aktuellen Insolvenz-Report. Den Zuschlag für den Zulieferer, der im April 2020 Insolvenzantrag gestellt hatte, erhielt schließlich das Unternehmen HDT Automotive Solutions.

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