Autozulieferer Allgaier ist insolvent
Mit Allgaier, einem Unternehmen aus dem baden-württembergischen Uhingen, ist der nächste Automobilzulieferer insolvent. Allgaier hatte am 21. Juni Insolvenz angemeldet, als Grund nannte das Unternehmen Liquiditätsschwierigkeiten. Die Insolvenz betrifft sowohl die Holding des Zulieferers mit etwa 100 Beschäftigten als auch die vier Deutschlandtöchter der Gruppe, dort sind rund 1.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angestellt.
Als vorläufiger Insolvenzverwalter ist Fritz Zanker (Pluta) bestellt, dessen Kollege Michael Pluta betreut die Insolvenz der Allgaier Automotive GmbH, der größten Tochter der Gruppe. Das Traditionsunternehmen war erst vor einem Jahr durch den chinesischen Investor Westron Group übernommen worden. Trotz des neu hinzugeflossenen Eigenkapitals hatte auch der Investor das Ruder beim Restrukturierungsfall Allgaier nicht herumreißen können.
Hersteller der Weck-Gläser muss in Insolvenz
Auch die J. Weck Gmbh & Co. KG hat vergangene Woche Insolvenz angemeldet. Grund für die angespannte finanzielle Lage bei dem Hersteller der bekannten Weck-Gläser seien eine niedrigere Nachfrage und die hohen Energiekosten gewesen. Hinzu kam laut der „Wirtschaftswoche“ die defizitäre Performance der Glasfabrik-Tochter des Unternehmens. Schon 2021 seien über einen Ergebnisabführungsvertrag 3,7 Millionen Euro an das Glaswerk gegangen.
Kurios ist, dass das Bekanntwerden der Insolvenz zum einem Auftragsboom bei der J. Weck GmbH führte. Wie der Insolvenzverwalter Thilo Braun (Nehrig, Braun & Sozien) auf Anfrage des „SWR“ mitteilte, seien zwei Tage nach der Insolvenzmeldung dreißigmal so viele Bestellungen eingegangen wie an normalen Tagen.
Auch Modehändler Deerberg meldet Insolvenz an
Ebenfalls in der vergangenen Woche wurde die Insolvenz des Modehändlers Deerberg bekannt. Der vorläufige Insolvenzverwalter Friedrich von Kaltenborn-Stachau (BRL) schreibt zu den Ursachen der finanziellen Notlage: „Die inflationsbedingte generelle Konsumzurückhaltung und die weiteren Folgen des Ukraine-Krieges haben die gesamte Marktlage für Fashion Brands im Multi-Channel-Vertrieb mit Schwerpunkt Distanzhandel erschwert.“ Davon sei auch Deerberg betroffen gewesen.
Der Hersteller von nachhaltiger Damenmode beschäftigt rund 270 Mitarbeiter. Deerberg will nun laut dem Insolvenzverwalter die Suche nach einem Investor fortsetzen, man habe mit dieser bereits vor der Insolvenz begonnen. Es bestehe Kontakt zu verschiedenen potenziellen Geldgebern.
Weitere Insolvenz- und Sanierungsverfahren
Der Küchenhersteller Störmer ist das vierte Unternehmen, das in der vergangenen Woche Insolvenz angemeldet hat. Neben dem eigenen Antrag des Unternehmens beim Amtsgericht Bielefeld hatte es auch einen Fremdantrag gegeben. Als vorläufiger Insolvenzverwalter des Unternehmens, das sich in Besitz des Private-Equity-Investors Niu-Invest befindet, ist Manuel Sack (Brinkmann & Partner) bestellt. Hinsichtlich einer möglichen Fortführung des Unternehmens ist noch nichts bekannt.
Auch das Unternehmen Römertopf Keramik, Hersteller des bekannten Römertopfs, ist insolvent. Seit Russlands Angriff auf die Ukraine habe die Firma einen starken Umsatzrückgang verzeichnet, sagte Geschäftsführer Frank Gentejohann der „Wirtschaftswoche“. Der Produktionsstandort in Ransbach (Rheinland-Pfalz) mit 44 Beschäftigten werde voraussichtlich schließen müssen, so das Unternehmen. Als Insolvenzverwalter ist Marcel Gast (Seibert Rüdesheim) bestellt.
Distressed M&A-Deals
Bei der Investorensuche für den insolventen Callcenter-Betreiber Tricontes360 konnte Insolvenzverwalter Tjark Thies (Reimer Rechtsanwälte) eine Teillösung erzielen. Die Ströer-Gruppe, die bereits Hauptgesellschafter von Tricontes war, übernimmt mit ihrer Marke Avedo acht Standorte des Unternehmens. Damit bleiben 1.300 Arbeitsplätze erhalten, weitere 400 Arbeitsverträge konnten vermittelt werden. Schließen mussten hingegen die Standorte in Gera, Hamburg, Hof und Rügen, 450 Beschäftigte wurden entlassen. Im M&A-Prozess hatte die Beratung Centuros unterstützt.
Weitere Restrukturierungen und Branchen-News
Die Zahl an deutschen Unternehmen, die sich in finanzieller Notlage befinden, ist 2022 gestiegen. Das ist das Ergebnis einer Studie von Alvarez & Marsal (A&M). In dieser hat die Restrukturierungsberatung die finanzielle Stabilität von mehr als 7.000 Unternehmen in Westeuropa und im Nahen Osten analysiert. Laut A&M ist die Zahl deutscher Unternehmen „in Distress“ von 8,3 auf 10,1 Prozent gestiegen. Besonders betroffen war die Branche der Energieversorger.
Das Restrukturierungsgericht Nürnberg hat dem Restrukturierungsplan für den angeschlagenen Autozulieferer Leoni zugestimmt, damit ist die Übernahme Leonis durch den Investor Pierer fix. Die Gläubiger hatten dem Sanierungsplan bereits zugestimmt. Für die übrigen Aktionäre von Leoni bedeutet die Entscheidung in dem Starug-Verfahren hingegen einen Totalverlust. Den will ein Teil der Aktionäre nicht hinnehmen und nun gegen ihren Ausschluss klagen. Als Argument führen die Aktionäre den Ausschluss der Kleinaktionäre vom Bezugsrecht bei der anstehenden Kapitalerhöhung des Zulieferers an.
Der Transformatorenhersteller SGB-SMIT saniert sich als erstes deutsches Unternehmen im Rahmen eines UK Restructuring Plans. Konkret handelt es sich um eine Änderung und Verlängerung der bestehenden Konsortialkredite der Gruppe. Die Restrukturierung sieht eine Eigenkapitalzuführung in Höhe von 70 Millionen Euro vor, zudem wird die Laufzeit der Kreditlinien um drei Jahre und neun Monate verlängert. Die Kanzlei Latham & Watkins beriet das Unternehmen bei der Restrukturierung.
Im Insolvenzverfahren um die Rathaus Galerie Hagen und deren Objektgesellschafter GNO Grundstücksverwaltung gibt es weitere Fortschritte. Laut Insolvenzverwalter Miguel Grosser (Jaffé) kann das Gebäude nun fertig saniert werden. Dazu sei ein Massekredit in Millionenhöhe durch eine finanzierende Bank bereitgestellt worden. Zudem seien die Verhandlungen über die Neuvermietung von Ladenlokalen auf einem guten Weg.
Der angeschlagene Modekonzern Gerry Weber, der sich derzeit über das Starug restrukturiert, will bis Ende September 122 der derzeit 171 eigenen Geschäfte und Outlets in Deutschland schließen. Damit würden 350 Vollzeitarbeitsplätze wegfallen, wie das Unternehmen mitteilte. Gerry Weber hatte im April für seine Retail-Tochter, in der das Filialgeschäft gebündelt ist, Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt. Dieses Insolvenzverfahren wurde nun eröffnet.
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Paul Siethoff ist Redakteur bei Finance und schreibt vorrangig über Transformations-Themen. Er hat Kommunikationswissenschaften und Journalismus in Erfurt und in Mainz studiert. Vor seiner Zeit bei FINANCE schrieb Paul Siethoff frei für die Frankfurter Rundschau für die Ressorts Wirtschaft und Politik.
