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Können die Next Six den Dax prüfen?

BDO wird neuer Prüfer des Dax-Konzerns SAP. Entern die Next Six jetzt den Dax?
BDO wird neuer Prüfer des Dax-Konzerns SAP. Entern die Next Six jetzt den Dax? Foto: BDO

Diese Nachricht sorgte vor einiger Zeit für große Überraschung: SAP hat bald einen neuen Abschlussprüfer – und es ist keiner der vier Großen KPMG, PwC, Deloitte oder EY, sondern die deutlich kleinere BDO. Das mittelständische Prüfungs- und Beratungshaus mit 2.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 285 Millionen Euro prüft also künftig den Dax-Riesen SAP. Zum Vergleich: Der bisherige Prüfer KPMG setzt mit 12.500 Mitarbeitern knapp 2 Milliarden Euro in Deutschland um.

Der Dax ist seit etlichen Jahren komplett in der Hand der Big Four. Kein Wunder: Die Dax-Konzerne sind große, international tätige und komplexe Unternehmen mit einer anspruchsvollen Bilanzierung. Sie brauchen daher große Wirtschaftsprüfer mit der entsprechenden Manpower und dem speziellen Know-how – so war zumindest bisher die einhellige Meinung. Trotzdem hat es mit BDO nun eine Gesellschaft aus dem Big-Four-Verfolgerfeld der „Next Six“ geschafft, das Oligopol zu durchbrechen. Ist das nur ein einmaliger Zufall oder eine veritable Trendwende? Und sind die mittelständischen WP-Häuser überhaupt in der Lage, Konzerne dieser Größe zu prüfen?

Big Four wollten SAP nicht prüfen

Für eine einmalige Sache könnte die besondere Konstellation bei der Ausschreibung von SAP sprechen. „BDO hat da ein wenig die Gunst der Stunde genutzt“, meint Hellmuth Wolf, Headhunter bei der Personalberatung Signium. Denn keiner der Big Four hatte sich um das Mandat beworben: KPMG durfte sich als alter Prüfer nicht erneut an der Ausschreibung beteiligen. PwC, EY und Deloitte wollten lieber weiterhin als Berater für SAP tätig sein. Damit standen die Chancen für BDO durchaus gut. Um das Mandat konkurrierte BDO noch mit Mazars und Warth & Klein Grant Thornton, beide Gesellschaften sind aber nochmals deutlich kleiner als BDO und dürften damit klar die schlechteren Karten gehabt haben.

Auch Jens Freiberg, Partner bei BDO, macht aus der besonderen Konstellation kein Geheimnis. Er sieht den Grund für den Erfolg aber keineswegs nur darin. „BDO hat schon Dax-Unternehmen geprüft und diese daher stets im Blick gehabt. Wir haben kontinuierlich und stark in Mitarbeiter und Prozesse investiert und konnten mit unserem internationalen Netzwerk und einheitlichen, digitalen Prüfungstools überzeugen.“

SAP hat kein komplexes Geschäftsmodell

Noch ein weiterer Punkt macht den Fall SAP besonders: „SAP ist zwar ein Dax-Konzern, als IT-Unternehmen aber nicht so komplex strukturiert wie beispielsweise ein großer Autokonzern“, meint Headhunter Hellmuth Wolf. Je einfacher das Geschäftsmodell, desto eher kämen einige Next-Six-Häuser als Prüfer infrage. „Viele haben ja schon Erfahrung mit großen Mittelständlern oder Familienunternehmen.“

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So hat BDO auch damit gepunktet, dass die Gesellschaft seit vielen Jahren die Abschlussprüfung beim MDax-Konzern Software AG verantwortet. „Dadurch hatten wir die Expertise zum Geschäftsmodell schon teilweise an Bord, haben aber auch unser Kernteam für die Prüfung von Softwareunternehmen bewusst noch weiter ausgebaut, um das Mandat bei SAP zu gewinnen“, berichtet Jens Freiberg.

Für das SAP-Mandat sieht sich BDO nun personell ausreichend aufgestellt. Doch der Wirtschaftsprüfer hat bereits angekündigt, sich um weitere Mandate im höchsten Börsenindex zu bewerben. Und dafür, sowie für weiteres Wachstum, werde man in den kommenden Jahren noch einiges an Personal rekrutieren müssen, so Freiberg.

Vor solchen personellen Herausforderungen würde jedes Next-Six-Haus stehen, das sich um ein Dax-Mandat bewirbt – was die Frage aufwirft, ob die Prüfer das wirklich wollen und ob sie sich den Aufwand überhaupt leisten können. Gute Mitarbeiter sind in der WP-Branche ohnehin schon sehr hart umkämpft. Jens Freiberg zeigt sich aber optimistisch: „Unsere aktuellen Mandatsgewinne, insbesondere auch SAP, und unsere Reputation geben uns schon jetzt spürbaren Rückenwind auf der Personalseite. Wir sind als Arbeitgeber attraktiv.“

BDO und Mazars bewerben sich um Dax-Mandate

Nicht nur BDO würde um weitere Dax-Mandate buhlen – auch Mazars, die sich ebenfalls um SAP beworben hatte, rechnet sich Chancen in dem Index aus. „Das SAP-Mandat ist ein Beleg dafür, dass sich das Verfolgerfeld der Big Four grundsätzlich für die Prüfung von Dax-Konzernen geeignet sieht. Aber es braucht auch Übergangszeiten, damit die mittelständischen Gesellschaften in ihre Aufgabe hineinwachsen können“, meint Christoph Regierer, Partner bei Mazars. Man werde im Vorfeld zudem genau analysieren, wo es im Dax passe, kündigt er an.

„Von dem Erfolg bei BDO wird eine Signalwirkung ausgehen.“

Hellmuth Wolf, Personalberater, Signium

Nachahmer wird es geben, da ist sich auch Headhunter Hellmuth Wolf sicher: „Von dem Erfolg bei BDO wird eine Signalwirkung ausgehen.“ Neben BDO und Mazars spricht er auch noch Warth & Klein Grant Thornton und Baker Tilly Chancen zu. „Zentral ist ein internationales Netzwerk. Zwar sind die Netzwerke der Next Six nicht so groß und einheitlich wie die der Big Four – wenn die geographische Abdeckung aber mit den Bedürfnissen der zu prüfenden Mandanten übereinstimmt, kann es durchaus passen.“

Damit die Next Six Dax-Unternehmen prüfen können, muss also einiges zusammenkommen: Das Netzwerk muss die Bedürfnisse des Kunden abdecken, die Expertise für das Geschäftsmodell sollte aus vergangenen Mandaten vorhanden sein, und die Strukturen des Konzerns dürfen nicht allzu komplex sein. „Hochkomplexe Unternehmen wie Allianz, BASF, Daimler, Deutsche Bank, die Deutsche Post oder die Deutsche Telekom werden wohl dauerhaft in Big-Four-Hand bleiben. Bei Unternehmen wie Delivery Hero, Siemens Energy oder Vonovia könnte ich mir aber vorstellen, dass ein mittelständischer Prüfer infrage kommt“, meint der Personalberater.

FISG zwingt Dax-Unternehmen zum Umdenken

Die wohl wichtigste Voraussetzung ist aber, dass sich keine oder nur wenige Big-Four-Unternehmen um das Mandat bemühen – und das könnte in Zukunft tatsächlich noch öfter passieren. Dazu trägt das nach dem Wirecard-Skandal verabschiedete Gesetz „FISG“ bei, das die Prüfung und Beratung bei ein und demselben Unternehmen fast komplett verbietet. „Die große Frage wird sein: Welche Unternehmen will man prüfen und welche hält man sich lieber für die Beratung frei?“, meint Christoph Regierer von Mazars.

Dadurch müssen sich gerade die Big Four, die bei fast jedem Dax-Unternehmen in irgendeiner Form auch als Berater tätig sind, klar dafür entscheiden, ob sie dieses Beratungsmandat für ein Prüfmandat aufgeben wollen. Da die Stundensätze in der Beratung deutlich höher sind, könnte die Wahl öfter auf diesen Bereich fallen. „Einige Dax-Unternehmen müssen sich daher auf Alternativen zu den Big Four einlassen und sie zu Pitches einladen“, glaubt Executive-Search-Berater Wolf.

Und noch eine weitere Neuerung aus dem FISG könnte den Next Six Aufwind verleihen. Die Dax-Konzerne müssen künftig ihre Prüfer schon nach zehn statt erst nach 20 Jahren austauschen – das bietet den Next Six viel häufiger als bisher die Möglichkeit, sich um die Mandate zu bewerben. „Wer in der aktuellen Ausschreibungsrunde vielleicht noch nicht bereit ist, ist es vielleicht dann schon beim nächsten Mal“, vermutet Hellmuth Wolf.

julia.schmitt[at]finance-magazin.de

Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.