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Wambach-Bericht: Vernichtendes Urteil für EY

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Sonderermittler Martin Wambach wirft in seinem Report den EY-Prüfern nachlässige Arbeit und teils eine Verletzung ihrer Pflichten vor.
EY

Sonderermittler Martin Wambach hat am Samstag den lang ersehnten Bericht zu der Rolle von EY im Wirecard-Skandal vorgelegt – das Urteil dürfte EY massiv unter Druck setzen. Wambach, Geschäftsführender Partner von Rödl & Partner und Vorstandsmitglied beim IDW, wurde vom Bundestags-Untersuchungsausschuss eingesetzt, um zu klären, ob EY seinen Pflichten bei Wirecard tatsächlich ordnungsgemäß nachgegangen ist. Dafür sichtete er Akten des langjährigen Prüfers, der die Bilanzen des Skandal-Konzerns stets uneingeschränkt testierte.

Dem Bericht zufolge habe der Wirtschaftsprüfer seine Pflichten zum Teil verletzt und nachlässig gearbeitet, wie das „Handelsblatt“, dem der Bericht in großen Teilen vorliegt, schreibt. „Es zeigen sich Ansatzpunkte, dass der Abschlussprüfer die Vorgaben der Prüfungsstandards des IDW im Bereich der Prüfungsplanung und -durchführung nicht vollumfänglich umgesetzt hat“, hält Wambach im Bericht fest. Das IDW legt die Regeln für die Abschlussprüfung fest, an die Wirtschaftsprüfer sich bei ihrer Arbeit halten müssen.

EY hat beim TPA-Geschäft wohl geschludert

In dem 90 Seiten langen Report wird insbesondere der Umgang mit dem TPA-Geschäft von Wirecard kritisiert, das aus heutiger Sicht den Kern des Betrugs bildete. TPA steht für Third Party Acquirer, also die Drittpartner, mit denen Wirecard Geschäft in Asien gemacht haben soll – das damit erwirtschaftete Vermögen sollte eigentlich auf Treuhandkonten liegen. Kurz vor der Insolvenz von Wirecard stellte sich allerdings heraus, dass 1,9 Milliarden Euro auf diesen Konten nicht existieren. Dass das Big-Four-Haus EY angeblich nicht gemerkt hat, dass mit diesem Geschäft etwas faul war, soll zum Teil an der schlampigen Arbeit von EY liegen, suggeriert der Bericht der Ermittler.

So heißt es im Bericht etwa, dass der Prüfer sich zwar intensiv mit den Arbeitspapieren des TPA-Geschäftsmodells und dessen Besonderheiten auseinandergesetzt haben soll, zitiert das „Handelsblatt“. Doch das sei nicht genug gewesen, und bei EY hätten eigentlich die Alarmglocken klingeln müssen. „Eine systematische Analyse der Betrugsindikatoren“ gemäß den Vorgaben des Instituts der Wirtschaftsprüfer „hätte unseres Erachtens bezogen auf das TPA-Geschäft zu einer erhöhten kritischen Grundhaltung und weiter gehenden Prüfungshandlungen führen müssen“, so Wambach. Stattdessen seien die erlangten unternehmensinternen Prüfungsnachweise „schwach“.

Wie die schludrige Arbeit im Detail aussah, erklärt Wambach anhand eines Beispiels. Es geht um die Prüfung des Guthabens auf den Treuhandkonten, die laut Wirecard bis Ende 2019 vom Treuhänder Citadelle in Singapur verwaltet wurden. Dabei fiel Wambach und seinem Team auf, dass die E-Mail-Adressen im Schriftverkehr mit Citadelle mehrfach gewechselt wurden. Auch wurden die Datumsbestätigungen vom englischen Format ins deutsche verändert. Zudem: „Die Saldenbestätigungen wiesen im Jahr 2016 mehrere Inkonsistenzen auf“, zitiert das „Handelsblatt“. EY sei dem laut dem Report nicht nachgegangen.

EY soll nicht genug nachgehakt haben

2016 war ein wichtiges Jahr: Ab da führte Wirecard eine Bilanzierungspraxis ein, die vermutlich der Grundstein für den Betrug war. Dadurch gelang es Wirecard, Forderungen gegenüber den Drittpartnern in Cash auf den Treuhandkonten umzuwandeln. Bei der Prüfung dieser Konten verließ sich EY offensichtlich vor allem auf Angaben seitens der Drittpartner, heißt es.

Laut Bericht habe es bei diesen schon früh Auffälligkeiten gegeben, so seien beispielsweise Drittpartner telefonisch nicht erreichbar gewesen, Wirecard habe falsche Adressen angegeben oder es seien keinen geprüften Jahresabschlüsse dieser Partner zur Verfügung gestellt worden. Den Dokumentationen von EY sei aber nicht zu entnehmen, „dass diese schwachen Prüfungsnachweise und Ungereimtheiten um die Rückmeldung von Pay Easy als einzelne und auch kumulative Warnsignale wahrgenommen wurden“, so das Urteil von Wambach.

Zwar habe sich EY selbst 2016 bei Vorstand und Aufsichtsrat über „Prüfhemmnisse“ beschwert und wollte weitere Details von Wirecard – unter anderem zu Informationen von Whistleblowern – haben. Doch dann hätten sich die Prüfer mit mündlichen und schriftlichen Erklärungen des Vorstands begnügt – und testiert. Die Sonderermittler könnten nicht nachvollziehen, warum EY bedeutsame vorliegende Informationen nicht als entscheidungsrelevant einstufte, heißt es weiter.

Zu den konkreten Vorwürfen äußerst sich EY nicht. „EY Deutschland hat keine Kopie des Berichts von Rödl & Partner erhalten und kann sich daher nicht zu dessen Inhalt äußern“, gab die Gesellschaft gegenüber dem „Handelsblatt“ an. Darüber hinaus verwies EY wie schon seit jeher darauf, dass man es hier mit einem komplexen kriminellen Netzwerk zu tun habe, dass darauf angelegt gewesen sei, zahlreiche Akteure zu täuschen.

Politik sieht rot für EY

„Der Wambach-Bericht ist ein vernichtendes Urteil für EY“, kommentiert die SPD-Abgeordnete Cansel Kiziltepe, Mitglied des Wirecard-Untersuchungsausschusses, den Report. „EY war über das TPA-Geschäft im Bilde, eine kritische Grundhaltung fehlte, banalste Rechnungslegungs- sowie Qualitätsstandards wurden vernachlässigt, und Warnsignale wurden geflissentlich übersehen“, heißt es weiter.

Kollege Jens Zimmermann, ebenfalls tätig im Wirecard-Ausschuss, geht noch weiter: „Die Auswertung der von EY übermittelten und erst durch Gerichtsurteil freigegebenen Daten bestätigt unseren Verdacht eines absichtlich nicht prüfenden Wirtschaftsprüfers.“

sarah.backhaus[at]finance-magazin.de

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