Vorstandswechsel bei ProSiebenSat.1 Media: Finanzvorstand Ralf Peter Gierig geht, Martin Mildner übernimmt. Gierig habe gestern im gegenseitigen Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat sein Amt niedergelegt, teilt die Mediengruppe mit.
Gierig war die vergangenen 20 Jahre in unterschiedlichen Finanzführungspositionen für den MDax-Konzern tätig. Im Oktober 2016 wurde er Deputy Group CFO und übernahm interimsmäßig sowohl von April bis Mai 2017 als auch von April bis Juni 2019 die Rolle des Finanzvorstands der ProSiebenSat.1 Media-Gruppe. Seit Januar 2022 war er Finanzvorstand.
Unter anderem habe er die Sendergruppe erfolgreich am Kapitalmarkt positioniert und vor allem die Finanzierung stabil und langfristig aufgestellt, teilt das Unternehmen mit. „Im Namen des Aufsichtsrats danke ich Ralf Peter Gierig für seinen langjährigen Einsatz für den Konzern. Er hat mit seiner Erfahrung und seinem Engagement eine entscheidende Rolle bei der Transformation der ProSiebenSat.1-Gruppe gespielt“, erklärte der Aufsichtsratsvorsitzende Andreas Wiele.
CFO Mildner brachte Ionos an die Börse
Neuzugang Mildner war bis Ende März CFO von United Internet und in dieser Funktion verantwortlich für den Börsengang des Tochterunternehmens Ionos. Der IPO war in einem herausfordernden Umfeld nicht so erfolgreich wie zunächst erhofft. Der Börsenwert lag mit 2,6 Milliarden Euro am unteren Ende der erwarteten Spanne. Kurz darauf hatte der 51-Jährige Mildner seine Tätigkeit „auf eigenen Wunsch beendet“, teilte United Internet damals mit.
Bevor Mildner 2020 zu United Internet kam, war er langjähriger General Counsel und M&A-Chef der Hamburger Otto Group. Bei dieser war er unter anderem für den Aufbau und die Vorbereitung des im Jahr 2021 erfolgten Börsengangs von About You, einem der erfolgreichsten europäischen E-Commerce-Unternehmen, verantwortlich gewesen. Begonnen hatte er seine Karriere als Anwalt und Steuerberater zunächst bei KPMG und später als Partner bei Heuking Kühn Lüer Wojtek, bevor er 2007 auf die Unternehmensseite wechselte.
Mildner hatte als Grund für seine Demission angegeben, sich in seiner „Tätigkeit weiterhin auf die strategische Steuerung von Portfoliounternehmen ausrichten“ zu wollen. Dazu wird Mildner in seiner neuen Rolle ausgiebig Gelegenheit bekommen. Auch ProSieben verfügt über ein breites Portfolio, das weit über das Fernseh- und Werbegeschäft hinausgeht, und das es zu managen gilt. Zudem könnte Mildners IPO-Expertise bei dem Fernsehkonzern gefragt sein: ProSieben hatte den Börsengang der Parship-Gruppe im vergangenen Jahr aufgrund des Ukraine-Kriegs verschoben, könnte diesen aber demnächst wieder anstoßen.
ProSieben mit Umsatz- und Gewinnrückgang
Parallel muss Mildner das rückläufige Geschäft in den Griff bekommen, wie die heute veröffentlichten Jahreszahlen zeigen. Demnach musste ProSiebenSat.1 einen Umsatzrückgang bekanntgeben. Dieser lag mit rund 4,2 Milliarden Euro um knapp 300 Millionen Euro unter dem des Vorjahres. Der adjustierte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) verringerte sich um rund 170 auf 678 Millionen Euro.
Die Aktionäre sollen zudem lediglich 5 Cent Dividende pro Aktie erhalten – im Vorjahr waren es noch 80 Cent gewesen. Darüber hinaus plant der Fernsehkonzern, seine Dividendenpolitik grundsätzlich strikter anzugehen. Künftig will ProSieben 25 bis 50 Prozent des bereinigten Konzernjahresüberschusses als Dividende ausschütten. Bislang waren es 50 Prozent. Die Aktionäre reagierten entsprechend verschnupft, die ProSieben-Aktie rauschte am heutigen Freitagvormittag um zeitweise über 16 Prozent ins Minus.
Für das laufende Geschäftsjahr erwartet ProSiebenSat.1 einen Umsatz von rund 4,1 Milliarden Euro sowie einen Rückgang beim Gewinn. Als Grund für die konservative Prognose führen die Münchener Portfolioveränderungen sowie einen „erwarteten Rückgang hochmargiger TV-Werbeerlöse“ an.
ProSiebens Gutscheingeschäft beschäftigt die Bafin
Um die negative Entwicklung bei ProSieben aufzuhalten, braucht es eine angepasste Unternehmensstrategie. Diese wollte der neue ProsiebenSat.1-CEO Bert Habets ursprünglich Anfang März bei der Vorstellung des Jahresabschlusses seine Unternehmensstrategie vorstellen. Doch die Veröffentlichung der Bilanz musste verschoben werden.
Der Grund: Ein Mitarbeiter hatte darauf hingewiesen, dass das Gutscheingeschäft der Tochtergesellschaft Jochen Schweizer Mydays Gruppe teilweise unter das Zahlungsdienstaufsichtsgesetz (ZAG) fallen könnte. Der Medienkonzern hatte den Hinweis deshalb an seinen Wirtschaftsprüfer EY weitergeben. Eine erste Schnellprüfung des Big-Four-Hauses hatte ergeben, dass das Gutscheingeschäft tatsächlich unter das ZAG fallen könnte.
Jochen Schweizer und Mydays haben daraufhin ihr Produktangebot angepasst, um die aufsichtsrechtlichen Bedenken auszuräumen, teilt der Medienkonzern mit. Wie am heutigen Freitagvormittag außerdem bekannt wurde, will ProSieben weitere Teile von Jochen Schweizer übernehmen – und so auf einen Anteil von knapp 90 Prozent kommen.
Gleichzeitig laufen bei ProSiebenSat.1 weitere behördliche Untersuchungen. Die möglichen finanziellen Belastungen für den Konzern im Zusammenhang mit diesen Prüfungen sind derzeit noch nicht abschätzbar, könnten aber erheblich sein.
Falk Sinß ist Redakteur bei FINANCE. Er hat Soziologie, Politologie und Neuere und Mittlere Geschichte in Frankfurt am Main sowie in Mainz Journalismus studiert, wo er auch einen Lehrauftrag inne hatte. Vor seiner Zeit bei FINANCE war Falk Sinß drei Jahre Redakteur der Zeitschrift Versicherungswirtschaft und zehn Jahre für verschiedene Medien des Universum Verlags tätig.