Traton hat genug von der Hängepartie um die geplante Übernahme des US-Wettbewerbers Navistar: Die VW-Tochter gibt den US-Amerikanern nur noch bis morgen um 18 Uhr Zeit, die Offerte anzunehmen und den Preis als Voraussetzung für die weiteren Gespräche zu akzeptieren, sonst ist das Angebot endgültig vom Tisch.
Das geht aus einem offenen Brief hervor, den CEO Matthias Gründler und CFOChristian Schulz gestern an den Verwaltungsrat des US-Unternehmens geschickt haben. „Der Preis von 43 Dollar je Aktie repräsentiert unser bestes und finales Angebot“, schreiben sie. Traton hatte das Angebot erst vor wenigen Wochen von 35 auf 43 US-Dollar je Anteilsschein erhöht.
Nur wenn der Verwaltungsrat von Navistar vor Ablauf der Frist schriftlich mitteilt, dass er bereit ist, die Gespräche auf Basis dieses Angebots weiterzuführen, gehen die Verhandlungen weiter. Ob das so kommen wird, ist aber noch offen. Nachdem Traton die Offerte erhöht hat, hatte der Rat beschlossen, die Verhandlungen fortzusetzen und dem potentiellen Käufer erlaubt, eine Due Dilligence durchzuführen. Gleichzeitig machte das Board of Directors aber auch deutlich, dass die neue Offerte das Unternehmen immer noch „signifikant unterbewertet“.
Traton will Navistar – aber nicht zu jedem Preis
Traton sieht das anders: Die Due Diligence der vergangenen Wochen habe ergeben, dass der Preis von 43 Dollar je Aktie den Wert des Unternehmens angemessen widerspiegelt, teilt Traton mit. Das erhöhte Gebot entspricht einer Prämie von 46 Prozent auf den Durchschnittskurs der vergangenen drei Monate vor dem 9. September, also bevor Traton das Angebot aufgestockt hat. Gemessen am Kurs vom 29. Januar 2020 – einen Tag bevor Traton das erste Übernahmeangebot lanciert hatte – entspricht die Offerte sogar einem Aufschlag von 79 Prozent.
Insgesamt beläuft sich das Angebot auf 3,6 Milliarden Dollar für 83,2 Prozent der Anteile. Traton selbst hält bereits 16,8 Prozent an Navistar. Die beiden weiteren Ankeraktionäre sind die aktivistischen Investoren Carl Icahn (16,8 Prozent) und Mark H. Rachesky (16,3 Prozent).
Analysten: Tratons Ultimatum ist richtig
Die Aktie von Navistar reagierte heftig auf die Frist von Traton und sackte gestern zeitweise um knapp 20 Prozent auf rund 35 Dollar ab. Am heutigen Vormittag hat sich der Wert des Papiers wieder auf rund 36 Dollar erholt – ist damit aber immer noch deutlich unter der Traton-Offerte. Zuvor hatte er leicht darüber gelegen.
Navistar-Aktionäre sind verunsichert (Kurs der vergangenen drei Monate)
Analysten halten den Schritt von Traton für richtig. „Traton bekennt sich mit dem Ultimatum weiter zu dem geplanten M&A-Deal, macht aber auch deutlich, dass sie den Deal nicht zu jedem beliebigen Preis vollziehen wollen. Das ist wichtig und geschieht zur richtigen Zeit“, schreiben die Analysten von der UBS.
Wie reagieren die Aktivisten bei Navistar?
Was die UBS mit „zur richtigen Zeit“ meint: Berichten zufolge drängten die aktivistischen Investoren bei Navistar zuletzt verstärkt auf einen höheren Kaufpreis, auch bestärkt durch eine starke Erholung am US-Truck-Markt, schreiben die Analysten und verweisen auf einen Bericht des Online-Portals „New York Post“.
Dem Bericht zufolge soll Carl Icahn sogar auf einen weit höheren Preis für die Navistar-Anteile schielen: Icahn und weitere Navistar-Investoren wären bereit, ihre Anteile für 50 Dollar je Aktie an Traton zu verkaufen, berichtet das Portal mit Verweis auf nichtgenannte Quellen. Das entspricht einem saftigen Gebot von 5 Milliarden Dollar. Mark Rachesky soll nach Angaben von mit der Sache vertrauten Personen im Januar sogar einen Preis von 70 Dollar je Aktie für angemessen gehalten haben, heißt es weiter. Mit ihrem Ultimatum haben die Münchener nun deutlich gemacht, dass sie für diese Preisvorstellung nicht zu haben sind.
FINANCE-Köpfe
Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.