Man muss kaufen, wenn die Kanonen donnern, lautet eine bewährte Börsenweisheit. Private Equity verfolgt zwar ein viel stetigeres Investitionsmodell als Public-Equity-Investoren, aber das Grundprinzip hat auch dort in der Vergangenheit fast immer funktioniert: Investments in Zeiten niedriger Multiples und gedrückter Gewinne versprechen beim Exit einige Jahre später potentiell enorme Renditen.
Jetzt gerade sind die Multiples durch die Bank auf extrem hohem Niveau – außer bei Automotive. Dort liegen die FINANCE-Multiples aktuell bei 7,9x bis 10,5x Ebit, nur die Textilbranche schneidet noch schlechter ab.
Zuerst die Distressed-Deals, dann kommt Private Equity
Trotzdem zeigen die PE-Investoren ihrer einstigen Lieblingsbranche die kalte Schulter. Beim FINANCE Private Equity Panel, einer regelmäßigen Umfrage unter Mittelstands-PE-Investoren, gibt es 15 Branchen, deren Attraktivität als Investmentziel die PE-Manager bewerten sollen. Automotive liegt dort seit langem abgeschlagen auf dem letzten Platz. Auf einer Skala von 1 bis 10 erreicht der Attraktivitätswert der Branche gerade einmal 2,96. Zum Vergleich: Der Spitzenreiter Software/IT kommt auf 8,80 Punkte.
Doch der Trend zeigt zaghaft nach oben, zuletzt verzeichnete der Automotive-Wert seit Mitte 2020 drei Anstiege hintereinander. Und das zu Recht, meint der M&A-Berater Christian Saxenhammer, Inhaber und Chef der gleichnamigen M&A-Boutique: „Aktuell schlägt eher noch die Stunde der Turnaround-Investoren. Wegen der Chipkrise und der aufziehenden Magnesiumkrise rollt seit vier Wochen eine Insolvenzwelle durch die Autobranche, nachdem sich die Abrufe der OEMs zum Teil halbiert haben.“
Doch ebenso, wie die Branche bei Produktion und Absatz eine Wende im nächsten Jahr erwartet, rechnet der M&A-Berater auch mit einer Trendumkehr am M&A-Markt: „Wir werden nächstes Jahr viele interessante Deals sehen – dann auch für klassische Finanzinvestoren.“ Saxenhammer sieht sogar ganz konkrete Subbranchen im Automobilsektor, die sich PE-Investoren unbedingt zeitnah ansehen sollten, bevor die Konkurrenz zuschlägt: „Einige PE-Fonds tun das jetzt schon sehr aktiv, zum Beispiel Häuser wie Hannover Finanz.“ Saxenhammer glaubt, dass diese „First Mover“ in den nächsten zwölf Monaten extrem attraktive Deals abschließen werden.
Die Deal-Gelegenheiten in der Autoindustrie
Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Deal-Gelegenheiten für Private Equity in der Autoindustrie: Da wären zum einen Unternehmen mit einem eher problematischen Portfolio beziehungsweise einer Ausrichtung auf tendenziell schrumpfende Märkte, Stichwort Verbrennungsmotor. „Aber man darf nicht vergessen, dass es große Regionen wie Südamerika, Indien und Teile von Asien gibt, wo noch die nächsten 20 Jahre lang Autos mit Verbrennungsmotor dominieren werden“, betont Saxenhammer.
Und er hat einen Tipp, wie sich diese Perspektive sogar noch verlängern ließe: „Kaufen Sie Automotive-Unternehmen mit einem starken Aftermarket-Geschäft! Nach Ersatzteilen wird es im Verbrennerbereich noch mindestens zehn Jahre länger nennenswerte Nachfrage geben als nach neuer Ausstattung.“ Der Kauf von Aftermarket-Spezialisten ist auch noch aus einem anderen, eher strategischen Grund interessant – aber dazu später mehr.
Kaufen Sie Autounternehmen mit einem starken Aftermarket-Geschäft!
M&A-Berater Christian Saxenhammer
Die zweite große Gruppe potenzieller M&A-Targets sind jene Zulieferer, die über eine gute Perspektive in der E-Mobilität verfügen: „Da ist der Investment Case einfach: Das ist ein stark wachsender Markt, der riesig werden wird“, argumentiert Saxenhammer.
Wie lassen sich Automotive-Deals noch finanzieren?
Was beide Bereiche gemeinsam haben, ist die gedrückte Bewertung, was sich selbst bei chancenreichen Autozulieferern zeigt. Saxenhammer begründet dieses Phänomen mit dem schwierigen Finanzierungsumfeld: „Bei vielen Banken steht Automotive als Ganzes auf der schwarzen Liste. Egal ob Private Equity einen Zukunftsanbieter kauft oder ein Legacy-Geschäft, die Finanzierung ist schwer zu bekommen.“
Wenn, dann ginge eine Finanzierung nur über Debt-Fonds und Asset-based finance, glaubt der M&A-Berater – „oder über viel Eigenkapital“. Immerhin: „Der Wettbewerb in Automotive-M&A-Prozessen ist im Moment derart gering, dass die Verkäufer die Kosten für die teure und ineffektive Finanzierung mittragen, indem sie bei der Bewertung weit heruntergehen.“
Saxenhammer erwartet, dass im nächsten Jahr die Tier-1-Zulieferer damit beginnen werden, ihre Portfolios auszumisten und Randgeschäfte zu verkaufen. „Da können margenstarke und interessante Targets dabei sein, die nur deshalb verkauft werden, weil der Mutterkonzern seine Ressourcen konzentrieren möchte.“ Dies erinnert an das klassische Private Equity der späten Neunziger- und frühen 2000er-Jahre – eine sehr erfolgreiche Zeit für Private Equity.
Die Werthebel für ein Automotive-Investment
Die Werthebel für ein Automotive-Investment liegen recht deutlich auf dem Tisch: Bei denjenigen Zulieferern, die in Wachstumsmärkten tätig sind, geht es um den Ausbau der Geschäfte, die regionale Expansion und eventuell noch um die Verstärkung in angrenzenden Geschäftsfeldern.
Bei aktuell angeschlagenen oder komplizierten Targets könnte es sich lohnen, einfach nur die Welle zu reiten, meint Saxenhammer: „Aktuell ist die Branche am Tiefpunkt, sowohl was die Produktion als auch die Bewertungen am M&A-Markt angeht. Wenn sich der Absatz in den nächsten Jahren wie erwartet erholt, gilt es, die Unternehmen solide zu finanzieren – besonders beim Working Capital – und dann eine saubere ‚Execution‘ hinzulegen.“
Für die hochprofessionelle Private-Equity-Branche dürfte es ein Leichtes sein, diese Herausforderung zu meistern. „Dann hätte man in fünf Jahren ein Unternehmen, das deutlich größer und ertragsstärker wäre als jetzt. Multiple-Arbitrage wäre dann als Werthebel gar nicht mehr zwingend nötig, würde aber trotzdem meiner Erwartung nach noch hinzu kommen.“
Auf dem Weg zum „Last man standing“
Und es gibt sogar noch einen Werthebel für besonders Ambitionierte: Buy and Build. „Einem Unternehmen, dem es gelingt, seine Nische zu konsolidieren, könnte sich einen ‚Last Man standing‘-Status erarbeiten, was langfristig deutlich höhere Margen erwarten ließe“, beschreibt Saxenhammer diese Idee.
Nur: Würden die Endhersteller so ein Vorgehen wirklich akzeptieren – zumal sie Private Equity ohnehin eher ungern in ihrer Branche sehen? „Natürlich nicht“, gibt Saxenhammer zu. „Aber was wären die Alternativen? Die einzige andere Gruppe, die aktuell am Automotive-M&A-Markt präsent ist, besteht aus asiatischen Strategen, in erster Linie aus Chinesen. Und wollen sich die OEMs wirklich noch abhängiger von China machen?“ Eine unkontrollierte Pleitewelle wäre ebenfalls nicht in ihrem Sinne, und die aus Sicht der OEMs beste Lösung aktuell schwer umsetzbar: „Die europäischen Zulieferer sind am M&A-Markt wie gelähmt“, beobachtet der M&A-Berater.
Und gar kein Problem in dieser Hinsicht sieht er bei Aftermarket-Geschäften. „Da hätte niemand etwas dagegen, wenn ein PE-finanzierter Zulieferer den Markt konsolidieren würde. Die Abnehmer von Ersatzteilen sind Werkstätten, Privatpersonen und ein paar wenige größere Handelsketten. Von dort wäre kein Widerstand gegen die aktive Konsolidierungsstrategie eines Lieferanten zu erwarten.“
Diese Auto-Nischen sind interessant für Private Equity
Saxenhammer hat einige Nischen identifiziert, in denen er die M&A-Chancen besonders hoch einschätzt: „Der gesamte Bereich Interieur ist von der Transformation der Branche so gut wie überhaupt nicht betroffen. Außerdem gelten deutsche Anbieter dort als Qualitätsführer, was ihre Produkte weltweit begehrt macht – in jeder Marktsituation.“ Die gleiche Logik gelte für bestimmte Sicherheitsteile wie Türscharniere und Sitzbefestigungen.
Von der Ablösung der Verbrennungsmotoren profitieren könnte Private Equity als Eigentümer von Spezialisten für Verkabelung und die Fertigung von Elektronikteilen. Saxenhammer: „Beides kommt in E-Autos auf deutlich höhere Anteile an der Wertschöpfung – klares Wachstumspotential.“
Doch jedes gute Investment braucht auch eine gute Exit-Perspektive, idealerweise eine, die viel Wettbewerb im M&A-Prozess verspricht. Wäre das in einer Branche gegeben, deren M&A-Geschäft seit vielen Jahren zerrüttet ist? Saxenhammer glaubt, dass sich dies zumindest graduell verbessern wird: „Für stark wachsende Zukunftsanbieter werden sich in vier, fünf Jahren mit Sicherheit Käufer finden, wahrscheinlich dann auch wieder unter europäischen Strategen.“
Und für verbrennerlastige Anbieter? „Dort erwarte ich Interesse von Strategen aus Amerika oder Asien, die dort präsent sind, wo der Verbrenner noch länger zum Alltag gehören wird.“ Es ist keine Perspektive, die so klar ist wie bei einem Healthcare-Deal – aber eine, die es wert sein könnte, geprüft zu werden.